Junge Forschung an der Hist-Kult
| 05. Dezember 2013Im November 2013 fand am Institut für Zeitgeschichte der jährliche Workshop des Forschungsschwerpunktes "Diktaturen, Gewalt und Genozide" der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät statt.
Nach den eröffnenden Worten der Sprecherin des Forschungsschwerpunktes "Diktaturen, Gewalt und Genozide", Sybille Steinbacher, …
… stellte der amerikanische Historiker Alan Steinweis (University of Vermont / USA) in seiner Keynote die Novemberpogrome 1938 den Rassenunruhen in den USA der frühen 1920er-Jahre gegenüber. Steinweis untersuchte die Ähnlichkeiten der rassistisch motivierten Übergriffe, hob aber auch den singulären Charakter der nationalsozialistischen Gewaltpolitik hervor.
Es folgte eine rege Diskussion des Eröffnungsvortrags sowie der Workshop in einem kleinerem Rahmen, bei dem junge WissenschafterInnen ihre aktuellen Forschungen präsentierten. Den Auftakt setzte Vida Bakondy vom Institut für Zeitgeschichte: Anhand eines Fotoalbums aus dem Nachlass der, von den Nationalsozialisten verfolgten, Fritzi Löwy, näherte sie sich deren Lebensgeschichte. Löwy war eine Schwimmerin und Mitglied im jüdischen Sportverein Hakoah Wien. Die materiellen bildlichen Überreste, die in vielen Fällen das Einzige sind, was von den Menschen in ihrem Umfeld geblieben ist, bilden den Ausgangspunkt für den Versuch einer Rekonstruktion der Geschichte der Abgebildeten.
Anschließend fragte Ulrich Hofmeister (Institut für Osteuropäische Geschichte) in seinem Vortrag nach der Politik, die Russland den Nomaden in Zentralasien in der Zeit von 1980 bis 1917 entgegenstellte. Anhand von Hofmeisters Ausführungen wurde ersichtlich, dass Russlands "Zivilisierungsmission" in Zentralasien und die Russifizierungs- und Ansiedelungspolitik mit erheblichen Gewaltmaßnahmen gegen die nomadische Bevölkerung einherging.
Elisabeth Haid (Institut für Osteuropäische Geschichte) thematisierte die Repräsentationsformen von Gewalt in der österreichisch-ungarischen sowie der russischen Presse während des Ersten Weltkrieges. Den Fokus ihrer mediengeschichtlichen Auseinandersetzung mit dem Krieg setzte sie auf die Berichterstattung über die Provinz Galizien. Die BewohnerInnen dieser Region sahen sich mit unterschiedlich konnotierten Angriffen beider Seiten konfrontiert. Haid arbeitete in ihrer Präsentation heraus, wie die ausgeübte Gewalt in der zeitgenössischen Presse aufgegriffen wurde.
Peter Stadlbauer (Ludwig Boltzmann-Institut für Historische Sozialwissenschaft) erläuterte in seinem Referat die Täterbiographie von Erich Ehrlinger und dessen spätere strafrechtliche Verfolgung. Als Teil der nationalsozialistischen Führungselite im Reichssicherheitshauptamt wurde Ehrlinger nach Kriegsende wegen Beihilfe zum Mord an Tausenden Menschen angeklagt; es kam jedoch nie zu einer Verurteilung. Stadlbauer zeigte an diesem konkreten Beispiel, wie die westdeutsche bzw. österreichische Nachkriegsjustiz daran scheiterte, die nationalsozialistischen Kriegsverbrecher rechtskräftig zu verurteilen.
Im Anschluss stellten Katharina Kniefacz und Andreas Huber (Institut für Zeitgeschichte) ihr Forschungsprojekt vor: Darin untersuchen sie die Biografien von verfolgten Studierenden und Lehrenden an der Universität Wien während des Nationalsozialismus. Sie präsentierten umfangreiche Ergebnisse, hoben aber auch hervor, dass der Opferbegriff problembehaftet sein kann: Zum Beispiel mit Blick auf Personen, die im Austrofaschismus offen antisemitisch auftraten und im Nationalsozialismus etwa mit Berufsverbot belegt wurden. Der gegenwärtige Umgang mit dieser Problematik wurde in der anschließenden Diskussion rege debattiert.
Den Abschluss des gelungenen Workshops bildete ein Vortrag von Adamantios Skordos (Institut für Byzantinistik und Neogräzistik) über den indirekten und direkten Einfluss Südosteuropas auf völkerrechtliche Konventionen während der letzten beiden Jahrhunderte. Die konfliktgeplagte Region durchlief in diesem Zeitraum verschiedene Stadien, die Skordos anhand der Parameter Struktur, Zeit und Raum analysierte und auf ihre Relevanz für das moderne Völkerrecht hin befragte. (Fotos und Text: Sara Vorwalder)
Mag.a Sara Vorwalder, studierte Theater-, Film und Medienwissenschaft und schloss ihr Studium 2012 mit einer Diplomarbeit über Walter Benjamin und Jean-Luc Godard zum Thema Geschichts- und Erzähltheorie ab. Ihr Forschungsschwerpunkt ist u.a. das Verhältnis von Film und Geschichte. Sie ist Mitarbeiterin am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien und arbeitet an einer Dissertation über Alexander Kluge.