Jordanien-Exkursion: Start-up Boom neben Beduinenkultur
Gastbeitrag von Gunda Kinzl | 09. November 2017Eine Gruppe Studierende vom Institut für Orientalistik der Universität Wien erkundete unter der Leitung von Stephan Prochazka, Gisela Kitzler und Bettina Leitner vom 14. bis zum 29. Oktober Jordanien. Über ihre Eindrücke berichtet die Exkursionsteilnehmerin Gunda Kinzl.
![](/typo3temp/pics/91201c89b0.jpg)
Von Wüstenschlössern ans Rote Meer, vom vierspurig hupenden Amman zum feinen roten Sand des Wadi Ram, von der Nabatäerstadt Petra zu mächtigen Kreuzritterburgen, detailreiche byzantinische Mosaike und steil aufragende Felsen, Start-up Boom neben traditioneller Beduinenkultur: Jordanien, geografisch wie politisch eingeklemmt zwischen Israel, Syrien, Saudi-Arabien und dem Irak, bietet ein weites Forschungsfeld, das wir zwei Wochen lang erkunden.
![](/typo3temp/pics/95950a81f5.jpg)
Das laute und chaotische Amman hinter uns lassend, besichtigen wir die Altstadt von as-Salt, das historische Gerasa und die Lustschlösser der Umayyaden. Diese könnten neben ihrer Funktion als Wohn- und Erholungsort der Kalifen auch für Landwirtschaft, als Karawansereien und zur Verteidigung gedient haben. Überraschend präsentiert sich das Schloss Qusayr Amra. Seine prächtigen Fresken zeigen Jagdszenen, Könige und badende Frauen. Von islamischem Bilderverbot ist hier nichts zu merken. Am Weg zu den romantisch gelegenen Schlössern wird uns auch die harte Realität der Gegenwart vor Augen geführt, da wir die Zeltstadt von al-Azraq passieren – das nach dem berüchtigten Zaatari größte Flüchtlingslager Jordaniens.
![](/typo3temp/pics/c716da7d61.jpg)
An der al-Yarmuk Universität in Irbid werden wir herzlich empfangen. Die beiden Universitäten unterzeichnen einen Kooperationsvertrag, der es Studierenden in Zukunft leichter machen wird, an der jeweils anderen Institution zu studieren – links sitzend Stephan Prochazka, Professor am Institut für Orientalistik der Universität Wien und Exkursionsleiter. Nach der Besichtigung des Archäologischen Museums und natürlich einer ordentlichen Stärkung mit arabischem Essen geht es weiter.
![](/typo3temp/pics/d31c3abc3b.jpg)
Jordanien ist eines der trockensten Länder der Erde. Umso verblüffender ist das Naturschutzgebiet des Wadi Mujib. Am Anfang noch bemüht, oberhalb des Knies trocken zu bleiben, stürzen wir uns am Ende mit Begeisterung ins Wasser, das uns durch eine enge Schlucht entgegen strömt. Mit vereinten Kräften arbeiten wir uns bis zu einem Wasserfall am oberen Ende der Schlucht vor. Belohnt werden wir damit, uns bergab treiben lassen zu können. Zurück kommen wir erschöpft, glücklich und bis auf die Unterhosen nass.
![](/typo3temp/pics/cf8afa0fdd.jpg)
Der tiefste Punkt der Erde ist ein weiterer Höhepunkt der Reise: Die bezeichnend ausgestorben anmutende Landschaft um das Tote Meer, seine salzigen Ufer und der schwarze Schlamm. Als porentief reinstes Institut kehren wir nach Wien zurück.
![](/typo3temp/pics/00c6cad651.jpg)
Die intensivste Zeit der Exkursion verbringen wir in Petra. Die Bilder des "Schatzhauses", wie es am Ende der Siq-Schlucht auftaucht, sind berühmt. Doch sie geben nur einen vagen Eindruck davon, selbst vor den gigantischen Fassadengräbern zu stehen, die das Volk der Nabatäer hier vor über 2000 Jahren aus dem weichen Sandstein geschlagen hat. In Petra ist alles beeindruckender als in der Vorstellung: die Muster, die der Sandstein macht, die Felsformationen, die Farben, die Höhlen, die Prachtbauten.
![](/typo3temp/pics/e9829b45c0.jpg)
Wir erwandern die Stadt und die Berge, tapfer Fußblasen und Schweißausbrüchen trotzend. So haken wir in den drei Tagen, die wir dort verbringen, nicht nur das Touristenprogramm ab. Wir sehen auch Höhlengräber, die nach wie vor von Mitgliedern des Stammes der Bdul bewohnt werden. Sieben Familien haben sich geweigert, in die eigens errichtete Stadt zu ziehen, als die Beduinen aus Petra abgesiedelt wurden und archäologische wie touristische Bemühungen im großen Stil begannen.
![](/typo3temp/pics/b57d545048.jpg)
Von Petra geht es weiter ins Wadi Ram. Inmitten beeindruckender Felsen entdecken wir Felszeichnungen und präislamische arabische Graffiti. Sie wurden in den Stein geritzt, um beispielsweise für Karawanen geeignete Rastplätze anzuzeigen. Am nächsten Tag erkundet ein Teil der Gruppe stilecht auf Kamelen die Wüste. Der Rest macht sich zu Fuß auf den Weg.
![](/typo3temp/pics/85e03f507c.jpg)
Zur Langsamkeit und Weite, die uns am Wadi Ram begeistert haben, bildet Aqaba das Gegenprogramm. Aqaba, in römischer, byzantinischer und frühislamischer Zeit besiedelt, wächst schnell. Die Regierung hat hier, an Jordaniens einzigem Zugang zum Roten Meer, eine Freihandelszone eingerichtet. Trotzdem ist die Atmosphäre entspannt: Familien treffen sich zum Picknick am Strand. Frauen, Männer und viele Kinder planschen im Wasser oder kaufen am Suq ein. Ein gemischtes Angebot aus gerösteten Nüssen, Shisha-Zubehör, touristischen Souvenirs und Alltagsgegenständen lockt die KäuferInnen an. Daneben bieten zahlreiche Barbiere ihre Dienste feil.
![](/typo3temp/pics/c5ba3ddbef.jpg)
Schon die Rückreise nach Amman hat einen wehmütigen Beigeschmack. Nachdem in Unayza bei einem osmanischen Kastell für den Schutz der Pilgerkarawane nach Mekka auch das letzte Referat gehalten und die letzte arabische Inschrift übersetzt ist, bleibt uns nur noch, auch der Esskultur zuzusprechen und uns mit süßen jordanischen Köstlichkeiten einzudecken. So nehmen wir neben neuen Erfahrungen und neuem Wissen auch etwas vom Geschmack Jordaniens mit nach Hause. (Text: Gunda Kinzl, Fotos: Stephan Prochazka, außer Foto 5: Bettina Leitner)
Gunda Kinzl ist Studentin am Institut für Orientalistik der Universität Wien.