Grüße aus Nepal! (Tag 13)
| 23. April 2013Tag 13 der Nepal-Exkursion führt die Geologie-Studierenden der Universität Wien auf eine Wanderung entlang der oberen Seti-Khola. Ein Treffen mit KollegInnen von der Universität Potsdam kommt leider nicht zustande, weil sich die Forschungsgruppe an dem Tag verlaufen hat. Die "Wiener" bleiben unter sich.
Heute findet eine freiwillige Wanderung entlang der oberen Seti-Khola, nördlich von Pokhara statt. Das Gebiet, welches wir besuchen, liegt abseits von Touristischem: Es sind deutlich weniger Geschäfte zu sehen, Lodges gibt es so gut wie keine. Das hat sicherlich auch mit dem Klima zu tun, das nicht besonders fürs Trekking geeignet ist. Vom Morgen bis zum Abend ist es sehr humid und schwül; die Sichtweite ligt deutlich unter der im Hohen bzw. Tethys-Himalaya. Im Bild: Das Einzugsgebiet der Seti-Khola sind der Annapurana III (7.555 m) und der Annapurna IV (7.525 m), welche im Hohen Himalaya liegen. Der Höhenunterschied ist dementsprechend groß.
Im vergangenen Jahr 2012 glitt eine Fels-Eis-Lawine von der Südflanke des Annapurna IV hinunter. Am Weg nach unten in die tiefergelegenen Regionen wurde sie mit Grob- sowie Feinmaterial gemischt, bis sie letztendlich in die Seti-Khola stürzte. Durch das Vermischen mit Wasser bildete sich eine Mure, die man in der internationalen Fachsprache als debris flood oder hyperconcentrated flow bezeichnet. Dieses Murenereignis ließ ein Bild der Verwüstung zurück. Auf einer Flussterrasse finden wir einen Fels, welcher durch die Anlagerung von den bei der Flutwelle mitgeführten Sand-, Schluff- und Tonpartikeln die Höhe des 2012er Ereignisses anzeigt.
Der kleine Ort Tatopāni (nicht zu verwechseln mit der Ortschaft von Tatopāni am Kali-Gandaki-Fluss) wurde samt seinem Thermalbad am Flussufer stark beschädigt. Trotz des relativ langsamen Fortschreitens der Flut und der verbalen Warnung durch Augenzeugen, die sich in höheren Lagen befinden, konnte die zehn Meter hohe Welle – geladen mit riesigen Blöcken und Feinmaterial – tragischer Weise etwa 200 Menschenleben auslöschen. Die Spuren des Ereignisses sind bis heute sehr gut sichtbar.
Bei einem früheren Ereignis vor etwa 450 Jahren durchbrach die Seti einen Schuttdamm, welcher von einem vorherigen Bergsturz abgelagert wurde. Dieser Bergsturz, wegen der Ortschaft Mirsa auch Mirsa-Bergsturz genannt, kam aus dem Osten und prallte im Westen an. Der Fluss musste sich einen neuen Lauf suchen und brach möglicherweise im distalen Bereich der Bergsturzmasse durch das im basalen Bereich liegende, anstehende Gestein. Im Bild ist die Bergsturzmasse, die am Berg östlich davon ausgelöst wurde (links), in der Mitte zu sehen.
Die Datierung der einzelnen Blöcke bzw. Boulders, die auf den Flussterrassen liegen, ist äußerst problematisch. In den meisten Fällen sind diese abgelagertes Bergsturzmaterial, sodass sie älter sein können als die Terrasse, wo sie stehen. Nur solche Gesteine sind sinnvoll zu beproben, die seit ihrer Ablagerung nicht bewegt worden sind. Das ist eine der schwierigsten Herausforderungen der hier arbeitenden GeomorphologInnen. Unser Weg endet nach einem kurzen Urwaldmarsch bei einem topographischen Knick, wo der Fluss ein höheres Gefälle annimmt. Da unsere Zeit leider beschränkt ist, müssen wir umkehren, nachdem wir uns von den Urwald-Blutegeln, die sich an unseren Socken und Füßen festbissen haben, befreien.
Im pittoresken Dörfchen von Mirsa treffen wir endlich auf die deutschen GeographInnen, die sich in der Kneipe aufhalten. Nach dem Konsum von sämtlichen Packerlsuppen, führt uns unser Weg zurück zum Jeep.
Zum Abschluss des Tages fahren wir noch zur Universität von Pokhara, wo gleich hinter dem desolaten Geographie-Gebäude der berühmte Bhim-Khali-Boulder steht. Dieser stammt auch aus der Seti-Khola-Mure und liegt hier auf der höchsten Flussterrasse (Pokhara-Formation). Der Boulder, ein migmatitischer Gneis (Anm.d.R.: ein partiell aufgeschmolzenes, grob gemengtes, metamorphes Gestein), stammt aus dem Hohen Himalaya, welcher in Luftlinie in etwa 15 km Entfernung liegt. An diesem Boulder, wie an vielen anderen, könnte man das Expositionsalter datieren – falls es nicht heilig wäre. Fortsetzung folgt! ...
Die Nepal-Exkursion "Physiogeographische Umwelt und menschliche Anpassung" im April 2014 führt 21 Studierende unter der Leitung von Rainer Bell vom Institut für Geographie und Regionalforschung und Johannes Thomas Weidinger, Leiter des Geo-Zentrums Erkudok-Gmunden, in die Umgebung von Pokhara, zu einer achttägigen Trekkingstrecke im Kali Gandaki Tal von Jomosom nach Muktinath, zurück nach Jomosom und dann weiter nach Süden bis nach Beni und schließlich wieder nach Pokhara sowie ins Kathmandu-Tal.