Gemeinsam über die Schule der Zukunft nachdenken
Redaktion (uni:view) | 18. Oktober 2013Am 17. Oktober lud die größte LehrerInnenbildungsstätte des Landes zur "Semestereröffnung Lehramtsstudien" in den Großen Festsaal. ExpertInnen sprachen über die "Schule der Zukunft", und was die LehrerInnenbildung leisten kann.

Die "Semestereröffnung Lehramtsstudien" gibt Studierenden, Lehrenden und allen anderen Interessierten die Gelegenheit, einen Einblick in die Arbeit und die Visionen der Universität zu erhalten. Zahlreiche ZuhörerInnen – vor allem Lehramtsstudierende, LehrerbildnerInnen und LehrerInnen, aber auch VertreterInnen aus Fachwissenschaften, Politik und Medien – haben sich dazu am Donnerstag, 17. Oktober, im Großen Festsaal der Universität Wien eingefunden. Sie wurden vom Rektor der Universität Wien Heinz W. Engl, dem Leiter des Zentrums für LehrerInnenbildung Lutz-Helmut Schön (im Bild) und dem Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Karlheinz Töchterle willkommen geheißen.

Derzeit studieren mehr als 10.000 Lehramtsstudierende an der Universität Wien. Die Neugestaltung der Lehramtsstudien sei sowohl inhaltlich als auch organisatorisch eine Herausforderung, so Rektor Engl. Geplant ist, die Lehramtsstudien ab Wintersemester 2014/15 im Bachelor-Master-System anzubieten. "Das Zentrum für LehrerInnenbildung soll auch als Informationsdrehscheibe für alle Beteiligten dienen", sagt Engl. Es bündelt die Kernbereiche der LehrerInnenbildung und könne damit gemeinsam mit einer modernen Schulorganisation und einem zeitgemäßen Dienstrecht die Basis für die bestmögliche Schulbildung legen.

Rektor Engl hat bereits in seiner Zeit an der Universität Linz Einführungslehrveranstaltungen für Lehramtsstudierende gehalten. Für ihn sind gut ausgebildete LehrerInnen für kommende Generationen von entscheidender Bedeutung. Eingerichtet wurde das Zentrum für LehrerInnenbildung im Frühjahr 2013 und ist damit die jüngste Einheit unter den Fakultäten und Zentren der Universität Wien. Es vereint WissenschafterInnen aus den Bereichen Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Bildungswissenschaft sowie Schulpraxis.

Bundesminister Töchterle spricht in seiner Begrüßung von einer "generellen Skepsis zur Tauglichkeit der Schule" und sagt: "Die Wertschätzung, Achtung und Bedeutung von Bildung muss sich verbessern." Der Wissenschaftsminister dankt der Universität Wien, "dass sie mit dem Zentrum für LehrerInnenbildung ein mächtiges Zeichen und ein wichtiges Signal für die Bildungslandschaft gesetzt hat." Die neue LehrerInnenbildung sei international vorzeigbar.

In einer Filmvorführung stellen der Leiter des Zentrums für LehrerInnenbildung, Lutz-Helmut Schön, und seine Stellvertreterin, Eva Vetter, die wesentlichen Änderungen der neuen Form der LehrerInnenbildung vor. Diese beruhe im Wesentlichen auf den vier Säulen Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Pädagogik und Schulpraxis. Im zukünftigen Studium soll dabei die Schulpraxis verstärkt eingebunden und der Pädagogik größerer Raum als bisher gegeben werden.

Eines der übergeordneten Ziele sowohl der schulischen als auch der universitären Bildung sei auch die Entwicklung der Persönlichkeit der Lernenden, so Schön. Es brauche einen Perspektivenwechsel, der auch die Lebenswelten der SchülerInnen berücksichtigt. Das sei wichtig, um die "Herkulesaufgabe, SchülerInnen auf die spannende Fahrt der Wissenschaft mitzunehmen", zu meistern.

In Kooperation mit den Pädagogischen Hochschulen soll in einem umfangreichen, zweistufigen Studium eine neue Form der Ausbildung angeboten werden, bei der spezifische Kompetenzen kombiniert werden. "Das Erlernen verschiedener Unterrichtsmethoden soll zudem auf heterogene Lerngruppen vorbereiten", betont Schön.

Beim anschließenden Podiumstalk diskutieren (v.l.n.r.) Johannes Bauer, Direktor des Bundesgymnasiums 9/Wasagasse, Andreas Schnider, Vorsitzender des Qualitätssicherungsrats für PädagogInnenbildung, Bundesschülervertreter Dominik Reiter, Moderator Rainer Nowak, Chefredakteur der Tageszeitung "Die Presse", Vizerektorin Christa Schnabl und Stephanie Mihelic von der ÖH Universität Wien.

Vizerektorin Schnabl begrüßt die rasche, zügige und zielorientierte Erneuerung der Curricula. Als wichtigste Eigenschaften von LehrerInnen nennt sie die Fachkompetenz und das Interesse an der Entwicklung der SchülerInnen. ÖH-Vertreterin Mihelic (re.) definiert die intensive Verzahnung der vier Säulen – Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Pädagogik, Schulpraxis – als wesentlich in der neuen LehrerInnenbildung. Für Schnider ist ein ständiger Bildungsdiskurs essenziell: "Nicht nur einzelne Schultypen, sondern auch Altersgruppen, Bildungsbereiche und Fächer sollten dabei im Blickfeld sein." In Bezug auf die LehrerInnenbildung erhofft sich Schuldirektor Bauer Raum und Zeit für Qualitätsentwicklung und Bundesschülervertreter Reiter (li.) kritisiert die oft mangelnde pädagogische Kompetenz der LehrerInnen, die die fachliche quasi obsolet mache.

Nach der Pause hält der Erziehungswissenschafter Roland Reichenbach von der Universität Zürich einen Festvortrag zur gesellschaftlichen Anerkennung von Lehrpersonen. Dabei verweist er auf die widersprüchlichen Erwartungen der Gesellschaft. "Ein guter Lehrer zu sein, ist mit der Aufgabe vergleichbar, eine Gruppe von SpitzensportlerInnen und eine Gruppe körperlich eingeschränkter Personen in gleicher Geschwindigkeit einen Berg hochsteigen zu lassen, ohne eine der Gruppen zu benachteiligen", so Reichenbach, "und natürlich sollten dabei alle gleichzeitig ankommen."

Von der Forschung ins Klassenzimmer: Im Anschluss stellen vier JunglehrerInnen ihre Dissertationen vor. Den Anfang macht Birgit Springsits, die am Institut für Germanistik Deutsch als Zweitsprache studiert, mit ihrer Arbeit über mehrsprachige Alphabetisierung an Wiener Volksschulen. "Vielsprachiger Schulunterricht ist in der mehrsprachigen österreichischen Gesellschaft für alle SchülerInnen von großer Bedeutung", so Springsits. Der zweite Vortrag zeigt, wie Spieleentwicklung im Informatikunterricht eingesetzt werden kann. "Das Entwickeln von Computerspielen setzt die Aneignung von nützlichen Denkstrukturen voraus und beschränkt sich keinesfalls auf das Erlernen von Programmierfähigkeiten", so der Informatiklehrer Oswald Comber.

Alexander Hoffelner vom Zentrum für LehrerInnenbildung untersucht in seiner Dissertation die Verbindung zwischen Schauspielerei und Lehramt. Rollenbildung sei dabei von großer Bedeutung: "SchauspielerInnen nehmen im Theaterstück stets eine Rolle ein, die in Beziehung zu anderen Rollen steht. Auch Lehrpersonen haben eine gewisse Rolle und stehen in Beziehung zu jener des Schülers", so Hoffelner. Im Anschluss spricht Heidrun Edlinger vom Fachdidaktikzentrum Geowissenschaften, die sich in ihrer Dissertation mit Strukturen in Schulgebäuden befasst: "In den meisten Schulen findet man monotone Klassenräume mit Frontalunterricht vor. Schulen sollten aber – mit gemeinschaftlichen Arbeitsbereichen – einen Raum der Interaktion zwischen SchülerInnen und Lehrpersonen bilden", betont Heidrun Edlinger.

Zum Ausklang haben die zahlreichen BesucherInnen noch die Gelegenheit, das Gehörte bei Speis und Trank zu vertiefen und zu diskutieren und sich auf ein spannendes "Semester Lehramtsstudien" einzustellen. (Text: Stephan Brodicky und Felix Herzer / Fotos: uni:view)