Faszination Wissenschaft vermitteln
Redaktion (uni:view) | 04. Oktober 2012Ganz unter dem Motto "erlebbare Wissenschaft" stand der Tag des Wissenschaftsfilms 2012. Neben Vorträgen, Filmen – darunter "Quantenfußball" über den Physiker Markus Arndt von der Universität Wien – und einer Podiumsdiskussion, u.a. mit Rektor Heinz W. Engl, traf der wissenschaftliche Nachwuchs auf "alte Hasen" der Wissenschaftskommunikationsbranche.
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Spannende Filme und Gespräche mit ForscherInnen und MedienvertreterInnen kennzeichneten den Tag des Wissenschaftsfilms am 28. September 2012. Der Einladung vom Europäischen Festival des Bildungs- und Wissenschaftsfilms (sf²), der ÖAW und dem Naturhistorischen Museum Wien (NHM) waren neben Forschungsinteressierten aus der Öffentlichkeit vor allem SchülerInnen, NachwuchswissenschafterInnen, etablierte ForscherInnen und VertreterInnen der Medien gefolgt.
Dementsprechend saßen auch viele Angehörige der Universität Wien im Publikum. Für sie stellte neben dem Filmprogramm wohl die Podiumsdiskussion am Abend das besondere Highlight des Tages dar, denn am Podium saß Rektor Heinz W. Engl (2.v.l.) – gemeinsam mit Markus Arndt, Quantenphysiker der Universität Wien und Wittgenstein-Preisträger 2008, Andrew Solomon, Sendungsverantwortlicher von "Universum" beim (ORF), Sabine Ladstätter, Direktorin des Österreichischen Archäologischen Instituts, Grabungsleiterin in Ephesos und Wissenschafterin des Jahres 2011, Christine Reisen, Redakteurin der Redaktion Wissen und Entdeckung beim ArteFrance und Anton Zeilinger, Quantenphysiker der Universität Wien und Wissenschaftlicher Direktor am IQOQI (v.l.n.r.).
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Das Thema der Podiumsdiskussion stellte die grundlegende Frage: "Braucht es Wissenschaftskommunikation?" Ja, lautete die einstimmige Antwort der DiskutantInnen. So auch Rektor Engl (im Bild mit Andrew Solomon), der es darüber hinaus als Verpflichtung der Universität Wien sieht, der österreichischen Gesellschaft Rechenschaft darüber abzulegen, was mit den öffentlichen Geldern, die in die Universitäten fließen, passiert. Dazu komme aber – nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Budgetprobleme der Universitäten – verstärktes Eigeninteresse: "Wir wollen die Politik überzeugen – und die Politik dabei unterstützen, die Bevölkerung zu überzeugen – dass Wissenschaft wichtig ist", so der Rektor. Die Universität Wien habe vor, dahingehend ihre Öffentlichkeitsarbeit zu verstärken. Warum Pressearbeit wichtig und zielführend sei, erklärte der Mathematiker u.a. auch an einem ganz einfachen Beispiel aus seinem eigenen Alltag: Auf die Frage, was er denn von Beruf sei, habe er häufig die Antwort bekommen: "Ach, in Mathematik war ich in der Schule immer schlecht", und man war teilweise stolz darauf. Das habe sich in den letzten Jahren, eben durch verstärkte und systematische Imagearbeit, verändert: Es komme immer mehr in der Bevölkerung an, dass Mathematik die Grundlage für viele Technologien darstellt und es sich lohnt, dieses Fach zu studieren.
Im Rahmen des bevorstehenden 650-jährigen Gründungsjubiläum der Universität Wien im Jahr 2015 habe die Universität Wien u.a. vor, den Beweis zur Behauptung "Forschung ist wichtig " zu erbringen. "Das Jubiläum wird unter dem Motto stehen: Welche Bedeutung haben die Forschungsergebnisse der letzten Jahre für unser Leben heute?", so der Rektor.
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Unter der launigen Moderation von Journalist und Moderator Josef Broukal entwickelte sich eine spannende Diskussion rund um den Film als Medium der Wissenschaftskommunikation, die Frage, ob es ein österreichisches Wissenschaftsfilmfestival braucht, den Bildungsauftrag des ORF und den konstatierten Mangel an Wissenschaftsformaten in der österreichischen Medienlandschaft, ...
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... sowie die Eigenverantwortung von WissenschafterInnen, ihre Ergebnisse in die Gesellschaft zu tragen, anstatt sich etwa über "Halbwissen im Volksmund" oder populäre Irrtümer zu ärgern – wie Sabine Ladstätter (li. im Bild mit Christine Reisen) am Beispiel der Ephesos-Berichterstattung in Türkei-Reiseführern erklärte, über die sich KollegInnen gerne aufregten. Sie hat aus diesem Anlass die Initiative "Führungen für Führer" gestartet, weiteres werden in Istanbul regelmäßige Vorträge von ArchäologInnen für VertreterInnen von Reisebuchverlagen organisiert. Ladstätter appellierte aber auch an WissenschafterInnen, mit Vereinfachungen oder gelegentlichen Ungenauigkeiten in der Wissenschaftsberichterstattung gelassen umzugehen.
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Es sei ein "Urwunsch" des Menschen, ihre Neugier auszuleben und Neuigkeiten zu erfahren, sagte Anton Zeilinger, während er die Fragen "Wozu ist das gut?" vor allem von JournalistInnen zu hören bekomme. Zeilinger sieht ein wesentliches Ziel der Wissenschaftskommunikation auch darin, junge Menschen für die Forschung zu begeistern: "Die Zukunft Österreichs liegt in den Köpfen der jungen Menschen, denn was haben wir sonst in diesem Land zu bieten? Diese jungen Menschen müssen rechtzeitig abgeholt werden", so der Quantenphysiker, der es sich u.a. im Rahmen der Internationalen Akademie Traunkirchen (IAT) – Zeilinger ist Präsident – zum Ziel gesetzt hat, begabte SchülerInnen und Studierende zu fördern und für Wissenschaft und Forschung zu gewinnen.
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Eine Gruppe junger Köpfe, die den Wissenschaftsvirus bereits intus hat, war im Rahmen des Tages des Wissenschaftsfilms, schon am Vormittag, im Naturhistorischen Museum damit zugange, sich für die Medienarbeit "aufzurüsten" – und eventuelle Berührungsängste mit JournalistInnen und MedienvertreterInnen von vornherein abzubauen. Im Workshop "Wissenschaft und Medien" – organisiert vom Doktoratskolleg Complex Quantum Systems (CoQuS) der Universität Wien und der TU Wien sowie dem DoktorandInnenzentrum der Universität Wien – trafen junge WissenschafterInnen auf VertreterInnen der österreichischen Medienlandschaft. Der erste Teil des Workshops war dem Wissenschaftsjournalismus im Presse-, Print- und Onlinebereich gewidmet: Lukas Wieselberg von Science.ORF.at, Florian Aigner vom Büro für Öffentlichkeitsarbeit der TU Wien, Christian Müller von der APA sowie Klaus Taschwer von Der Standard standen den jungen ForscherInnen Rede und Antwort und erzählten jeweils aus ihrem Arbeitsalltag (im Bild v.l.n.r. mit Moderatorin Christiane M. Losert-Valiente Kroon vom DK CoQuS, Bildmitte). Erklärt wurden wichtige Hintergrundinformationen, etwa zu Abläufen in Presseagenturen, Sperrfristen von Journals oder den Kriterien, nach denen JournalistInnen aus der täglichen Meldungsflut ihre "Geschichten des Tages" auswählen.
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Für die anschließende Diskussionsrunde kam Stefanie Barz von der Gruppe Quantenoptik, Quantennanophysik und Quanteninformation der Universität Wien hinzu, um ihre Erfahrungen mit PressevertreterInnen und WissenschaftsjournalistInnen aus der Sicht der jungen Wissenschafterin zu erzählen. Dass der oder die ForscherIn nicht zum "Medienprofi" werden muss, darin waren sich alle Referenten einig – "dafür gibt es ja uns!" Eine gute Zusammenarbeit zwischen WissenschafterInnen und JournalistInnen, aber auch wechselseitiges Verständnis und Respekt für die Arbeit und Rahmenbedingungen des jeweils anderen, seien jedoch wesentlich. Etwa appelliert Florian Aigner von der TU an die WissenschafterInnen, sich mit Meldungen, etwa der Veröffentlichung eines Papers, rechtzeitig an die Pressestelle ihrer Universität zu wenden – "am besten gleich nachdem Sie vom Journal erfahren, dass Ihr Paper veröffentlicht wird!"
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Christian Müller stellt sich eine ideale Zusammenarbeit so vor: "Der Wissenschafter soll bereit sein, mir seine Zeit zu schenken, um mit mir zu sprechen und mich zu unterstützen. Er braucht mir aber keine fix fertige Geschichte zu erzählen oder viel Zeit in die Vorbereitung unseres Gesprächs investieren. Er soll aber auch respektieren, dass es in meiner Kompetenz liegt, wie ich eine Geschichte erzähle." Den Kern von gelegentlichen Missverständnissen verorten die ExpertInnen darin, dass für WissenschafterInnen der Weg, für JournalistInnen aber vor allem die Ergebnisse zählen.
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Nach der Kaffeepause nahmen Philip Walther von der Gruppe Quantenoptik, Quantennanophysik und Quanteninformation der Universität Wien, Markus Mooslechner von den Terra Mater Factual Studios, Bianca Lindorfer vom DoktorandInnenzentrum – sie moderierte diese zweite Session – sowie Birgit Dalheimer von Ö1 am Podium Platz (v.l.n.r.). Mooslechner und Dalheimer erörterten vor allem die speziellen Anforderungen der Medien Fernsehen und Radio an WissenschaftsjournalistInnen und WissenschafterInnen.
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Keine Angst vor der Kamera – und schon gar nicht vor dem Journalisten – zu haben und selbstbewusst aufzutreten, rät etwa Markus Mooslechner den anwesenden NachwuchswissenschafterInnen: "Ihr seid die ExpertInnen, und wir können ohne euch keine Geschichten erzählen!" Auch Birgit Dalheimer gibt praktische Tipps für das Radiointerview: Wie im Fernsehen auch, natürlich Live-Sendungen ausgenommen, können die interviewten WissenschafterInnen die Aufnahme jederzeit unterbrechen, wenn sie etwas besser formulieren wollen. Eingeübte, auswendig gelernte Sätze hingegen wirken unnatürlich. Trotzdem sollte man sich ein bisschen darauf vorbereiten, seine Forschungsarbeit einfach und in wenigen Sätzen erklären zu können, meint der Quantenphysiker Philip Walther, um auch beim unerwarteten Anruf eines Journalisten gelassen und ruhig bleiben zu können.
Die anschließende Diskussion drehte sich vor allem um die Themen Komplexität in der Wissenschaft versus "Journalistensprache" und die Wahl des geeigneten Mediums, aber auch des "Journalisten des Vertrauens" für die Vermittlung der eigenen Forschungsergebnisse. (Text: Bernadette Ralser, Fotos: Petra Schiefer)
- DoktorandInnenzentrum der Universität Wien
- Doktoratskolleg Complex Quantum Systems
- Quantenoptik, Quantennanophysik und Quanteninformation der Fakultät für Physik der Universität Wien
- Europäisches Wissenschaftsfilmfestival
- Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW)
- Naturhistorisches Museum Wien