Exkursion zur Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück
| 17. November 2011Eine Gruppe von StudentInnen des Instituts für Zeitgeschichte – unter der Leitung von Carola Sachse – nahm Anfang September 2011 an einer Exkursion zur Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück teil. Im Rahmen der Europäischen Sommer-Universität Ravensbrück trafen Studierende und ExpertInnen aus Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Österreich und Polen aufeinander um fünf Tage die Themenblöcke "Euthanasie", "Medizinische Experimente" und "Eugenik" zu bearbeiten.
Das Konzentrationslager Ravensbrück wurde 1939 durch Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen erbaut; die ersten 900 Frauen wurden im Mai desselben Jahres inhaftiert. Es war neben dem Frauenlager von Auschwitz-Birkenau das größte für Frauen errichtete Lager, später kamen auch ein Lager für Männer und das für Jugendliche eingerichtete Lager Uckermarkt in unmittelbarer Nähe dazu. Im Bild: das Denkmal "Tragende" von Will Lammert für die Gedenkstätte Ravensbrück.
Zwischen 1939 und 1945 wurden etwa 132.000 Frauen und Kinder aus 40 Staaten im Konzentrationslager Ravensbrück registriert (Anmerkung zum Bild: Der Ort der KZ-Baracken wird im grauen Boden durch Einsenkungen sichtbar). Schätzungen zufolge sind bis zu 40.000 Menschen im Lager ums Leben gekommen. Die inhaftierten Frauen wurden von den NationalsozialistInnen mit unvorstellbaren psychischen und physischen Demütigungen und Grausamkeiten konfrontiert.
Dazu gehörten auch die Medizinischen Experimente und Untersuchungen, die nationalsozialistische WissenschafterInnen an Menschen vornahmen um ihre "rassenbiologischen" Forschungen und neuen Heilmethoden für die "arische Rasse" hervorzubringen.
Geschlecht" und "Rasse" waren die Leitaspekte der Tagung, die im Rahmen der Europäischen Sommer-Universität Ravensbrück stattfand. Der Beitrag von Carola Sachse verband aktuelle Erkenntnisse aus der methodischen Debatte der Geschlechterforschung mit dem Thema der Tagung und zeigte so auf, wo noch offene Fragen im Feld der Forschung zur NS-Medizin liegen.
Die Führungen bezogen sich nicht nur auf das ehemalige Lager im engeren Sinn, sondern auf das gesamte Gelände, also auch auf die Häuser der Aufseherinnen und der Verwaltung der SS. Eine Führung legte den inhaltlichen Schwerpunkt auf die Betrachtung des Erinnerns unter Berücksichtigung gendersensibler Gesichtspunkte. Auch hier wurde deutlich, dass noch viele Forschungsfragen unbeantwortet sind und wie unterschiedlich die Erinnerungsarbeit gestaltet werden kann.
Im Rahmen der Sommer-Universität fanden zwei weitere interessante Exkursionen statt. Eine Besichtigung führte in die zwölf Kilometer von Ravensbrück entfernte ehemalige Heilanstalt der NS-Elite in Hohenlychen. Von 1933 bis 1945 als Klinik für Sport- und Arbeitsschäden geführt, beherbergte Hohenlychen aber auch eine Tuberkuloseheilanstalt.
Geleitet wurde die Anstalt ab 1933 von Karl Gebhardt, der Oberste Kliniker der SS, der für hunderte Experimente im KZ-Ravensbrück verantwortlich war.
Heute verfällt ein Großteil der Anlage. Die Rote Armee, die die Anlage nach 1945 nutzte, ist seit 1993 abgezogen.
Die zweite Exkursion führte durch die Mahn- und Gedenkstätte Sachsenhausen. Besonderer Schwerpunkt wurde bei der Führung auf das Krankenrevier des ehemaligen KZ gelegt, das für eine Minimalversorgung der Inhaftierten sorgen sollte. Aber auch in Sachsenhausen fanden zahlreiche medizinische Experimente statt und mehrere tausend Menschen starben hier während der "Aktion 14f13", der Tötung geschwächter Häftlinge im Rahmen der NS-"Euthanasie".
Gipsabdrücke zur "rassenbiologischen" Einordnung, die zwangsweise von Roma und Sinti gemacht wurden, in der Gedenkstätte Sachsenhausen.
Abschließend betrachtet lohnt sich der Besuch einer Sommer-Universität, sei es im Rahmen einer verpflichtenden Exkursion laut Lehrplan oder aus Interesse vor allem dann, wenn der Besuch inhaltlich gut vorbereitet wird. Denn sie stellt auf jeden Fall eine großartige Möglichkeit dar, Einblick in den aktuellen Forschungsstand zu bekommen, mit ExpertInnen des Fachs ins Gespräch zu kommen und sich mit anderen Studierenden, die auch rund um das jeweilige Thema arbeiten, auszutauschen.
Elena Barta und Hanna Lichtenberger sind Studierende am Institut für Zeitgeschichte und waren Teilnehmerinnen der Exkursion zur Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück 2011.