Elefantensprache: Das sind ja ganz neue Töne

Elefanten sind Quasselstrippen. Sie unterhalten sich ausgiebig und können sogar Laute imitieren. Und seit neuestem quietschen sie: Angela Stöger von der Uni Wien – aktuell nominiert als Österreicherin des Jahres im Bereich Forschung – und ihr Team haben die neuen Töne der Dickhäuter "belauscht".

Jetzt voten! Die Elefantenlautforscherin Angela Stöger wurde im Rahmen der Aktion Austria 21 der Tageszeitung die Presse als Österreicherin des Jahres in der Kategorie Forschung nominiert. Hier können Sie für sie abstimmen!

Von asiatischen Elefanten weiß man schon länger, dass sie – zusätzlich zum berühmten Toröö – auch hohe Quietschlaute produzieren. Besonders dann, wenn sie aufgeregt sind. Um diese speziellen Laute einzufangen, reiste unser Team aus Verhaltensbiolog*innen – Veronika Beeck und Evelyn Fuchs – der Uni Wien im Winter 2018 u.a. nach Nepal – im Gepäck eine spezielle akustische Kamera mit 48 Mikrophonen, das "Star Array". Es macht Töne in bunten Farben sichtbar, ähnlich zu dem Bild einer Thermokamera. So kann die Quelle der Schallproduktion sehr genau berechnet werden.



Warum wir allerdings spätnachts noch vor dem "Star Array" sitzen, hat nichts damit zu tun, dass die Dickhäuter lieber im Dunkeln quietschen – da unser Equipment zehn Tage lang im Zoll hängenblieb, mussten wir unsere Aufnahmen in einem Bruchteil der dafür eingeplanten Zeit erledigen. (© Natália Cerqueira)

Allgemein gilt bei Säugetieren: Je größer das Tier, desto länger die Stimmbänder und desto tiefer die Tonhöhe ihrer Laute. Das heißt im Umkehrschluss, dass es ein oberes Limit der Tonhöhe gibt, die mit Hilfe der Stimmbänder im Kehlkopf erreicht werden kann. Und in dieses Spektrum passen die extrem hohen Quietschlaute der asiatischen Elefanten nicht hinein.

Gewinnspiel! Am 30. August 2021 erschien das neue Buch von Angela Stöger, "Von singenden Mäusen und quietschenden Elefanten". Angela Stöger nimmt die Leser*innen mit auf eine faszinierende Reise durch die Welt der tierischen Kommunikation und geht auch der Frage nach, wie Tiere mit dem Lärm umgehen, den wir Menschen erzeugen. uni:view verlost zwei signierte Bücher.
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Unsere Bilder aus Nepal zeigen nun auch deutlich, dass der aufgeregte Quietscher gar nicht aus dem Rüssel kommt, sondern aus ihrem Maul. Witzigerweise erzeugen die Tiere diesen Ton, der sich vom charakteristischen Trompeten unterscheidet, gerade eben dadurch, dass sie wie ein*e Trompetenspieler*in Luft durch ihre angespannten Lippen pressen. Diese Technik der Lautproduktion mit summenden Lippen ("Lip-Buzzing") ist im Tierreich bisher einzigartig. Aber auch der Trompetenlaut der Elefanten ist noch nicht hinlänglich erforscht. Bis jetzt hat sich die Forschung auf die tieffrequenten Infraschallaute konzentriert, die elefantenkommunikation besteht aber auch mehr als nur diese "rumbles". Wir müssen alle Laute im Repertoire berücksichtigen, wenn wir das Kommunikationssystem der Elefanten besser verstehen wollen.



In Botswana haben wir mit Elefanten gearbeitet, die als Waisen von Menschen aufgezogen wurden. Sie verbringen den ganzen Tag im Okavango Delta, sind aber an ihre Betreuer*innen gewöhnt – und auch die großen Aufnahmegeräte stören sie bald nicht mehr. Wenn sie sich unbeobachtet fühlen, kommen sie ganz nahe heran, um die "komischen Äste" zu begutachten. (© Natália Cerqueira)

Bei den asiatischen Elefanten gehört das Quietschen also zum natürlichen Lautrepertoire, ist individuelle verschieden, und wird bei Aufregung (meist negativer Art) geäußert . Es zeigt also auch an, wer aufgeregt ist und eventuell Hilfe oder Unterstützung braucht. Ganz anders ist das bei ihren afrikanischen Verwandten. Die quietschen zwar auch – aber erst seit kurzem. Die Stimmkünstler haben sich neue Laute angeeignet und voneinander abgeschaut, die bisher noch nicht beschrieben wurden. Wann genau die einzelnen Tiere damit begonnen haben, ist schwer nachzuvollziehen; es scheint aber so, dass einer es sich als Jungtier angeeignet hat (Jabu hat nach Aussage seiner Betreuer mit seinem Rüssel und den damit produzierten Lauten gespielt, wenn es hieß unter dem Baum zu rasten). Marula, das Weibchen kam erst später dazu, als sie 17 Jahre alt war, und hat es sich wohl von Jabu abgeschaut.

Stoeger während der Aufnahme

Angela Stöger (im Bild) und ihr Team vom Department für Verhaltens- und Kognitionsbiologie der Universität Wien untersuchten drei Typen ungewöhnlicher Laute bei Elefanten in Botswana und im Zoo von Dresden und verglichen sie mit einem riesigen Datensatz an schon vorhandenen gesammelten Lauten. Das faszinierende Ergebnis: Es handelt sich um Laute, die tatsächlich bisher nicht beschrieben wurden. Die Ergebnisse erschienen kürzlich in der Fachzeitschrift "Biology". Lesen Sie hier mehr dazu. (© Natalia Cerqueira)

Eigentlich bewegen sich die Laute afrikanischer Elefanten – die sogenannten "Rumbles", die wir hier an der Universität Wien schon seit einigen Jahren untersuchen und welche die Dickhäuter mit ihren massigen Stimmbändern erzeugen – großteils im tieffrequenten Infraschallbereich (16 Hz). Die neu beobachteten Laute erreichen – das konnten wir z.b. bei der Elefantenkuh Sawu im Zoo Dresden, aber auch bei denen im im Okavango Delta lebenden Elefanten messen – eine Frequenz von bis zu 1800 Hz. Zum Vergleich: ein Meerschweinchen quietscht bei maximal 1500 Hz Grundfrequenz. Um auf diese Weise zu tönen, verwendet Sawu nicht ihren Kehlkopf wie beim "Rumblen", sondern die Muskeln ihres Rüssels. Sie presst die Rüsselspitze zusammen, verschließt einen Nasengang und saugt Luft über den anderen ein – eine bis dato bei Elefanten völlig unbekannte Weise der Schallproduktion.



Mit unserer mobilen Mikado Array (mit 96 akustischen Kanälen) können wir den Elefanten direkt in den Rüssel filmen. Je nach Vorliebe verwenden sie beim Quietschen das rechte oder das linke Rüsselloch. (© Angela Stoeger)

Diese neuen Erkenntnisse zeigen einmal mehr, wie flexibel Elefanten in der Lautproduktion sind. Bereits vor einigen Jahren konnten wir dokumentieren, dass ein asiatischer Elefant mehrere Worte auf Koreanisch – die Kommandos seines Trainers – nachahmen lernte. Dass nur wenige Elefanten die neuen Quietschlaute produzieren, sehen wir als Hinweis darauf, dass sie auch diesen Laut vielleicht von anderen "abschauen".Generell bildet das Imitieren, aber auch das Kreieren von neuen Lauten eine der Grundlagen für die Entwicklung einer Sprache. Wenn wir diese Grundlagen bei verschiedenen Tiergruppen wie Papageien, Walen oder eben Elefanten besser verstehen, erfahren wir auch mehr über die Evolution der menschlichen Sprache, die auf ähnlichen kognitiven Prozessen aufbaut.

Angela Stöger ist Zoologin an der Universität Wien und beschäftigt sich mit dem Verhalten und den kognitiven Fähigkeiten von Landsäugetieren. Sie leitet das Mammal Communication Lab an der Universität Wien. Sie ist als Österreicher*in des Jahres in der Kategorie Forschung nominiert: Voten Sie hier für unsere Elefantenforscherin! (bis 4. Oktober 2021)!

Anton Baotic
erforscht als Postdoc in einem FWF Projekt die funktionelle Relevanz von vokalem Lernen bei Elefanten.

Veronika Beeck
ist Doktorandin an der Universität Wien und untersucht die akustische Informationskodierung bei Säugetieren, mit einem Focus auf Asiatische Elefanten und Geparde.