Die grüne Insel ruft (Tag 5)
Gastbeitrag von Marie-Theres Galas und Doris Gruber | 09. Februar 2015Auch unsere Studierenden in Neuseeland leiden zurzeit unter Kälte: Antarktische Winde bereiten ihnen kalte Abende und frierende Nächte. In ihrem neuesten Bericht erzählen sie u.a. von ihrem Glück, das eindrucksvolle Spektakel der Schleusenöffnung eines Staudamms miterleben zu dürfen.
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5. Februar: Nach dem Frühstück geht es heute von Twizel in den südlichen Canterbury Plains weiter über den Lindis Pass nach Central Otago. Dort fahren wir den Clutha-River flussabwärts und besichtigten den Clyde-Damm nahe Alexandra. Das erste Bild auf dem Lindis Pass zeigt die typische Landschaft des MacKenzie-Beckens, das wir nun verlassen. Das MacKenzie-Becken sowie Central Otago bestehen zum Großteil aus sehr trockenen Tussok-Graslandschaften. Hier herrschen die heißesten Sommer und kältesten Winter Neuseelands. Baumbewuchs ist kaum bis gar nicht vorhanden, da die ursprünglichen Wälder laut Michael Crozier, der uns gemeinsam mit seiner Frau heute den dritten Tag begleitet, bereits durch die Maori gerodet wurden. Die 1848 ankommenden schottischen Siedler nutzten jene Gebiete als Weideflächen für ihre Schafe.
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Ebenso sehen wir uns am Lindis Pass ein Bodenprofil mit verschiedenen "Horizonten" an: Besonders sticht der Löss hervor, ein feinkörniges Material der Korngröße Schluff ohne Sandanteil. Auf dem Foto erkennt man ihn als den hellen Bereich unter dem – durch Schiefer durchsetzten – B-Horizont. Die sichtbaren kleinen Löcher in der Löss-Schicht stammen von Insekten. Die Schichtung oberhalb des Löss entstand durch Solifluktion, also durch langsames Kriechen und Fließen des Oberbodens. Ganz oben erkennt man einen ganz dünnen A-Horizont, der durch eine dunkelbraune Farbe gut zu erkennen ist.
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Nächster Stopp unserer Tagesroute ist die Dunstan Range – mit Blick auf den Dunstan Lake: Ein künstlich aufgestauter See, der einen Abschnitt des Clutha Rivers bildet. Die am gegenüberliegenden Seeufer angrenzende Terrasse ist im Gegensatz zum See nicht künstlich geschaffen, sondern ein Relikt aus der letzten Eiszeit. Es handelt sich dabei um eine glazifluviale Terrasse. Während das Aufstauen des Flusses zum damaligen Zeitpunkt sehr kontrovers gesehen wurde, wird es heute als positiv bewertet. Der Stausee wird für Freizeit und Erholung sowie für Bewässerungen genutzt. Das Klima und der Boden Central Otagos eignen sich zudem wegen des Klimas sehr gut für Obst- und Weinanbau.
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Nach einem kurzen Fußmarsch erreichen wir eine alte Goldmine. In den 1860er Jahren erlebte die Region einen Goldrausch, wovon man heute noch die Überreste sieht. Das Gold lag in den Schottern der Terrassen. Europäische Goldgräber schürften jahrelang in den neuseeländischen Minen. Chinesischen Einwanderern war es nur erlaubt, die bereits gesiebten Schotter nochmals zu bearbeiten. Es war ihnen damals auch verboten, ihre Familien nach Neuseeland zu holen. Die chinesischen Goldgräber hinterließen die Mine wie auf dem Bild noch heute zu sehen als eine Ansammlung geordneter Steine.
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Den Clutha River fahren wir stromabwärts weiter bis zum Clyde Damm, der den Clyde Lake aufstaut. Wir besichtigen den 60 Meter hohen Damm, der mit vier Turbinen Elektrizität erzeugt. Der Damm wurde zwischen 1970 und 1980 erbaut und wurde vom Otago Regional Council zuerst abgelehnt. Da die Arbeitsplätze benötigt wurden, setzte die Regierung mit einem speziellen Gesetz den Damm dennoch durch. Während des Baus erkannte man bereits einige Probleme auf die weiter unten eingegangen wird – ein Abbruch des Projekts war jedoch aus Kostengründen nicht mehr möglich.
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Beim Bau des Dammes kamen wie bereits erwähnt etliche unerwartete Erschwernisse auf, die bis heute hohe Kosten verursachen. Der Damm quert eine tektonische Verwerfungslinie und staut den See in einer Schlucht mit 16 alten gravitativen Massenbewegungen auf. Diese wurden durch den erhöhten Grundwasserspiegel und Wasserdruck im Hangbereich, verursacht durch den neuen Wasserkörper des Reservoirs, aktiviert und bewegen sich kontinuierlich langsam im Millimeter- bis Zentimeterbereich fort. Die Seitenflanken des Sees müssen daher ständig überwacht bzw. geschützt werden. Auf dem Foto sieht man Geotextilien, die einen Hang stabilisieren, der potentiell gefährdet ist in den See zu stürzen.
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Der weiße Pfahl auf dem Bild dient auch der Überwachung der Oberflächenbewegung. Geodätische Messungen an mehreren hundert solcher, im ganzen Tal verteilten, Vermessungspunkte werden durchgeführt, um zu erkennen, welche Bereiche sich wann und wie schnell bewegen. Außerdem wurden mehrere, jeweils bis zu hundert Meter lange, Tunnel mit einer Gesamtlänge von ca. 17 Kilometern in die Hänge gebohrt. Durch diese Tunnel wird dem Hang kontinuierlich Wasser entzogen. Dadurch werden die gravitative Massenbewegungen abgebremst – die Hänge werden quasi drainiert.
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Da der Damm direkt auf einer tektonischen Verwerfungslinie gebaut wurde, war eine spezielle Konstruktion nötig. Genau genommen handelt es sich nämlich nicht nur um einen Damm, sondern um zwei miteinander verbundene Dämme. Diese Konstruktion erlaubt eine gewisse Bewegungsfreiheit, die im Falle eines Erdbebens mehr Sicherheit gewährleisten soll. Wie auf dem Foto zu sehen, kann dieser Zwischenraum begangen werden. Es wurde kalkuliert, dass mit diesem Zwischenraum ein Versatz in jede x, y, z Richtung von bis zu zwei Meter abgefangen werden soll.
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Zum Ende des interessanten Rundgangs im Staudamm haben wir das Glück, bei einer der halbjährlich durchgeführten Routinetests der Schleusen anwesend zu sein. Das Foto zeigt dieses eindrucksvolle Spektakel. Bei Wetterextremen, wie Starkniederschlag, können diese geöffnet werden und ein Überlaufen des Sees verhindern. Ebenso liegen Notfallstrategien – inklusive Pläne der beim Dammbruch potenziell betroffenen Gebiete – vor. Diese kommen im unwahrscheinlichen Fall einer Katastrophe zum Einsatz. Sie liegen im Regional Council und in den Katastrophenschutzstellen auf.
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