Die grüne Insel ruft (Tag 3)
Gastbeitrag von Viktoria Friedl und Karolin Döringer | 05. Februar 2015Die neuseeländischen Alpen heben sich etwa zehn Millimeter pro Jahr und zählen zu den jüngsten Gebirgen der Welt. Am dritten Tag der Exkursion erkunden die Geographie-Studierenden der Universität Wien ein geomorphologisch sehr spannendes Gebiet – die neuseeländische Gletscherwelt.
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3. Februar – Tag 3 unserer Exkursion: Wir widmen uns den unterschiedlichen Vergletscherungen des Gebietes und fragen uns, inwiefern die verschiedenen Eiszeiten heute noch die Landschaften und Nutzungen prägen. Zeugen für die ehemalige Vergletscherung des Gebietes rund um den Lake Tekapo sind beispielsweise Rundhöcker: Diese geomorphologischen Erscheinungen sind längliche Hügel mit tropfenförmigen Umriss. Sie befinden sich in der Grundmoränenlandschaft und wurden durch einen aktiven Gletscher geformt. Ihre Längsachse liegt in der Eisbewegungsrichtung des Gletschers und sie können hunderte Meter lang werden.
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Neuseeland ist geomorphologisch betrachtet ein sehr aktives Gebiet. Zahlreiche gravitative Massenbewegungen, flächenhafte Bodenerosion sowie linienhafte Erosionsrinnen kennzeichnen die Berghänge. Die gravitative Massenbewegung, die wir heute sehen, ist eine Rotationsrutschung (siehe Bildmitte): Dabei gleitet eine Rutschungsmasse rotationsförmig entlang einer löffelartigen Scherfläche. Ein Grund, warum sich diese Masse in Bewegung gesetzt hat: Die hier vorkommenden Schotter wurden durch abfließendes Schmelzwasser tieg eingeschnitten und die Talflanken übersteilt. Die Rotationsrutschung trat nach der Überschreitung eines kritischen Hangwinkels bzw. nach einer fluvialen Erosion des Hangfußes auf.
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In dieser glazial geprägten Region gibt es sehr ausgeprägte Talformen. Das gesamte Tal ist durch mehrere Gletschervorstöße in den letzten 200.000 Jahren entstanden und wurde inzwischen mit Schottern aufgefüllt. Aber auch im kleinen Maßstab sind Täler durch Schmelzwasserabfluss und Erosion entstanden. Auf dem Bild sind im Vordergrund deutlich mächtige Seitenmoränen und Kamesterrassen erkennbar, die von einem schwach fließenden Fluss durchschnitten wurden. Mit Hilfe der hier vorkommenden Sedimente können wir Schlüsse über die maximalen Stände der Gletscher ziehen.
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Der Lake Tekapo ist ein Zungenbeckensee, der durch das Vorstoßen des Gletschers in der letzten Eiszeit vor etwa 20.000 Jahren entstanden ist. Am Südende des Sees befindet sich der Ort Lake Tekapo. Die Ansiedelung ist auf einer alten Endmoräne gebaut. Im rechten Bildhintergrund liegen, der Moräne vorgelagert, riesige Sanderflächen, die auch als Gletschervorland bezeichnet werden. Das sind riesige, durch glazialfluviale Ablagerungen geprägte, Schotterflächen. Mit Hilfe von zwei Kleinflugzeugen machen wir uns ein Bild über die flächenhaften Ausbreitungen der geomorphologischen Formen. So gewinnen wir einen nachhaltigen Eindruck über die sonst nur schwer zugänglichen Regionen und erkennen, wie stark der Mensch auch in den eher entlegenen Gebieten über Aufforstung und großflächige Bewässerung in die Landschaft eingreift.
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Bei unserem Rundflug sehen wir auch die neuseeländischen Alpen, insbesondere den Mount Cook, aus der Nähe. Im oberen Bereich erkennen wir deutlich, dass sich der Gipfel durch einen großen Felssturz um etwa 10 Meter verringert hat. Dieser Felssturz ereignete sich am 14. Dezember 1991 und löste ein Erdbeben der Stärke 3,9 aus. Die neuseeländischen Alpen heben sich etwa zehn Millimeter pro Jahr und zählen zu den jüngsten Gebirgen der Welt. Die Hebung erfolgt durch das Absinken der australisch-indischen Platte unter die pazifische Platte. Aufgrund großer Erosionsraten kommt es trotz dieser Hebung jedoch nicht zu einer Erhöhung des Gebirges. Das heißt, dass die Erosion der Hebung entgegenwirken kann.
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Am späten Nachmittag erreichen wir den Tasman Gletscher. Er ist einer jener neuseeländischen Gletscher mit einem extrem großen Gletscherrückgang. Im Jahr 1990 erstreckte sich der Tasman Gletscher über eine Länge von 28 Kilometer, während er bis zum Jahr 2011 auf eine Länge von 24 Kilometer zurückgegangen ist. Heute ist der Gletscher (siehe Bild) etwa 22 Kilometer lang. Durch diesen Rückgang entsteht aus dem geschmolzenen Gletschereis ein sogenannter Zungenbeckensee innerhalb der Endmoräne. Darin befinden sich auch feine Tone in Schwebe – auch Gesteinsmehl genannt. Diese sind auch für die graue Farbe des Wassers verantwortlich. In der umgangssprachlich genannten "Gletschermilch" befinden sich immer wieder Bruchstücke des aktuellen Gletschers – kleine Eisberge. Durch die Erosion der Berge ist die Gletscherzunge komplett mit Geröll bedeckt.
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Ebenfalls am Tasman Gletscher erkennen wir in der Endmoräne einen kleinen See, der als Toteisloch bezeichnet wird. So genannte "Depressionen" kommen nur dort vor, wo früher im Untergrund Toteis war, das inzwischen abgeschmolzen ist oder sich gerade im Abschmelzen befindet. Unter Toteis verstehen wir jenes Eis, das nicht mehr mit dem Gletscher verbunden ist. Schmilzt ein solches Toteis auf, sinkt die Oberfläche ab und es bildet sich ein Loch, das sich manchmal mit Wasser füllt (siehe Bild).
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Bei der Erkundung der Endmoräne des Tasman Gletschers begleitet uns Michael Crozier. Der pensionierte Geomorphologe beschäftigt sich mit Naturgefahren und Umweltressourcen in Neuseeland. Früher unterrichtete er an der Universität von Wellington und arbeitete jahrelang für das DOC (Department of Conservation). Er wird uns auch in den nächsten Tagen begleiten und uns die Regionen South Canterbury und Central and Coastal Otago zeigen.
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