Die grüne Insel ruft (Tag 14)
Gastbeitrag von Alexandra Teufel und Christina Treiber | 20. Februar 2015Nach einem Besuch des "Institutes for Geological and Nuclear Sciences" erfahren die Geographiestudierenden der Universität Wien einiges über die neuseeländische Hauptstadt Wellington, in der nicht nur "die Hobbits" ihre Spuren hinterlassen haben. Der Tag klingt mit einem gemütlichen BBQ aus.
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14. Februar: Heute fahren wir vom YHA Hostel in Wellington …
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… zum GNS-Science (Institute for Geological and Nuclear Sciences) in Lower Hutt. Die Forschungsfelder des GNS umfassen Geowissenschaften, Energie und Ressourcen, anthropogene Umweltbeeinflussung und Naturgefahren, wobei die Vortragenden sich auf Letzteres konzentrieren. Die Bereiche, zu denen hier geforscht wird, umfassen Erdbeben, gravitative Massenbewegungen, Tsunamis, Vulkane, Risiken und Gesellschaft. Außerdem bietet das Institut Beratung für Ressourcen und Notfall Management, Stadt- und Industrieentwicklung sowie hydroelektrische und geothermische Energiegewinnung an. Arbeitsgruppen entwickeln Datenbanken, betreiben Monitoring, erstellen Modelle und Konzepte. Nicht zuletzt entwickeln sie Strategien, um die Auswirkungen von gravitativen Massenbewegungen auf die Bevölkerung zu reduzieren.
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Die Hintergrundinformationen dazu präsentieren uns vier MitarbeiterInnen: Sally Dellow erläutert uns die Struktur und die Aufgaben von GNS. Danach gewährt uns die Geomorphologin Brenda Rosser Einblicke in ihre aktuellen Forschungsarbeiten. Gemeinsam mit ihrem Team entwickelt sie eine nationale Datenbank für gravitative Massenbewegungen in Neuseeland. Anschließend präsentiert der Geologe Mauri McSaveney seine alternative Hypothese für die steigende Häufigkeit von großen Steinlawinen in Neuseeland. Michael Page berichtet abschließend über die Forschung am Lake Tutira, den wir im weiteren Verlauf der Exkursion noch besuchen werden.
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Am Nachmittag treffen wir Richard Willis, emeritierter Lecturer der Victoria University of Wellington, der mit uns in die Humangeographie des Landes eintaucht. Zunächst gibt er uns einen kurzen Überblick über die Geologie und Geomorphologie Wellingtons. Die Stadt liegt geologisch betrachtet sehr ungünstig entlang einer zentralen Verwerfungslinie, die man im Bildhintergrund von links nach rechts verlaufend sehr gut sehen kann. Aufgrund der geschützten Bucht hat man sich dennoch angesiedelt. "Windy Wellington" ist auch aufgrund des Klimas kein günstiger Ort für Besiedelung. Sie gilt nicht nur als windigste Stadt Neuseelands – auch die jährlichen Niederschlagsraten von 1200 bis 1300 Millimeter machen den Standort zur Herausforderung. Der entwickelte Hafen hat bis heute eine signifikante wirtschaftliche Bedeutung. Während es vormals v.a. Güter und Container waren, ist aus dem Hafen mittlerweile ein wichtiger Holzumschlagplatz geworden.
1855 ereignete sich ein folgenreiches Erdbeben an der Verwerfungslinie in Wairarapa, das die Landschaft auch in Wellington beträchtlich veränderte. Dies wird besonders an der Küstenlinie deutlich. Das Gebiet um den Flughafen, vor der Verwerfungslinie und in Teilen des heutigen CBD und der "Waterfront" der Stadt wurde bei dem Erdbeben mehrere Meter herausgehoben und konnte danach genutzt werden.
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Der nächste Stopp ist ein Friedhof. Hier errichteten die "Pakheas" ein Denkmal zu Ehren von Te Puni, einem früheren Maori Häuptling. Er wurde 1870 begraben. Der Stamm von Te Puni erreichte das Gebiet um Wellington etwa 30 Jahre vor den Europäern. Als diese ankamen, verkaufte der Häuptling ihnen das Land zu einem niedrigen Preis, u.a. um sich gegen benachbarte kriegerische Stämme zu schützen. Die Maoris hatten ein anderes Verständnis für Landbesitz als die Europäer – nach ihrer Vorstellung konnte man Land nicht besitzen, dennoch verkaufte Te Puni das Gebiet billig an die Engländer. Diese verkauften es mit Gewinn in ihrem Heimatland weiter und so siedelten sich immer mehr "Pakheas" im Gebiet um Wellington an.
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Diese ehemalige Autofabrik steht symbolisch für die neoliberale Revolution. Vor dieser boten alleine in Petone, einem Stadtteil von Lower Hutt, 16 Autofabriken zahlreiche Arbeitsplätze. Durch die damaligen Importrestriktionen gab es zwar kaum Arbeitslosigkeit, doch waren Auswahl, Preise und Qualität der Güter ungünstig. Die Aufhebung der strengen Beschränkungen veränderte die Region beträchtlich. So sind z.B. keine Autofabriken mehr notwendig, da Autos vorwiegend aus Japan importiert werden: Zum einem, weil in Japan ebenfalls Linksverkehr herrscht und zum anderen, weil strenge Umweltauflagen die Japaner dazu zwingen, ihre Autos regelmäßig zu wechseln. Mit der Abwanderung der Autoindustrie ging ein enormer Arbeitsplatzverlust einher. Besonders für niedrig qualifizierte Personen bietet der Arbeitsmarkt nach wie vor – mittlerweile schon in der zweiten und dritten Generation – kaum Beschäftigungsmöglichkeiten.
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Der letzte Stopp des Tages führt uns zu einem Aussichtspunkt auf den Mount Viktoria. Hier erzählt uns Richard Willis wieder Interessantes über die Stadt. Der größte ökonomische Faktor der Stadt ist momentan der Gesundheits- und Bildungssektor. Als Hauptstadt des Landes ist natürlich auch die Verwaltung wichtig. Durch "Der Herr der Ringe" und "Der Hobbit" hat die Filmindustrie massiv an Bedeutung gewonnen und ist mittlerweile ein zentraler ökonomischer Aspekt der Stadt – ebenso wie der damit verbundene Tourismus. Des Weiteren boomt die IT- und High-Tech Industrie. Die Arbeitslosigkeit in Wellington ist mit fünf Prozent sehr gering, jedoch tendieren Arbeitslose zur Emigration (z.B. nach Australien oder nach Großbritannien), wodurch die Rate künstlich gesenkt ist.
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Das Nationalmuseum von Neuseeland "Te Papa" wurde 1998 gegründet und bedeutet übersetzt "der Ort der Schätze des Landes". Von der Tektonik, Fauna und Flora über die neuseeländische Kunst bis hin zur Kultur- und Physiogeographie von Neuseeland kann man hier auf interaktive Weise das Land und dessen junge Geschichte entdecken. Besonders beeindruckend ist die Bauweise, die – neben der offenen Struktur – auch im Innenraum an die potenzielle Erdbebengefahr angepasst ist. So ist z.B. das gesamte Gebäude nicht mit dem Untergrund verbunden, sondern steht auf vielen Gummiblöcken, die ein mögliches Erdbeben massiv abdämpfen sollen.
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Bei einem gemeinsamen BBQ, zu dem uns Richard Willis eingeladen hat, lassen wir den Abend gemütlich ausklingen. Hier nutzen wir die Gelegenheit, mit Richard Willis über offene Fragen zu sprechen und auch seiner Familie entlocken wir Informationen über die neuseeländische Lebensweise. Besonders freuen wir uns, Mike und Sally – die uns ja auf der Südinsel begleitet hatten – wiederzusehen und mit ihnen den Abend zu verbringen.
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