Die grüne Insel ruft (Tag 1)
Gastbeitrag von Leon Antretter und Moritz Bernglau | 02. Februar 2015Christchurch ist die größte Stadt der neuseeländischen Region Canterbury: Hier starten die Geographie-StudentInnen der Universität Wien ihre Exkursion. Warum ihnen die Stadt als "Green City" in Erinnerung bleiben wird und was das Erdbeben von 2010 und 2011 angerichtet hat, erzählen sie in ihrem Bericht.
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1. Februar: Endlich angekommen: Nach einer rund 30-stündigen Anreise erreichen wir Christchurch in der Region Canterbury an der Ostküste der Südinsel Neuseelands.
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Nach mehreren Zwischenstopps in Dubai, Bangkok und Sydney beziehen wir – voller Vorfreude auf die kommenden Wochen – unser Quartier in der Stadt am südlichen Ende der Pegasus Bay. Die erste Kochgruppe bereitet das Abendessen zu und abends gibt es noch eine erste Einführung – dann geht es todmüde ins Bett.
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Am ersten Exkursionstag werden wir von Eric Pawson an der University of Canterbury herzlich empfangen. In einem Rundgang durch den Campus und einem anschließenden Vortrag erhalten wir einen ersten Eindruck über die Ereignisse der Erdbeben im Jahre 2010 und 2011: Welche Effekte hatte dieses auf die Stadt Christchurch sowie auf die Universität? So kann z.B. das Institut für Geographie seit nunmehr vier Jahren auf Grund von Einsturzgefahr nicht genützt werden, wobei die Reparaturen bald abgeschlossen sein sollen.
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Die sich im Zentrum befindliche Kathedrale von Christchurch steht symbolisch für die Zerstörungskraft des Erdbebens von 2011. Zahlreiche Gebäude der Innenstadt wurden wegen schlechter Bausubstanz komplett zerstört. Grund für die große Zerstörung in diesem Gebiet sind die lockeren Sedimente, die eine Mächtigkeit von mehreren hundert Metern erreichen. Hinzu kommt der oberflächennahe Grundwasserspiegel, der bei einem Erdbeben die Festigkeit des Untergrundes mindert. Es kam neben dem Einsturz von Häusern auch zu großflächigen Bodenverflüssigungen und Subsidenz (Senkung), die besonders die Infrastruktur großflächig zerstörte und bis heute nachhaltig stört. Seit nun mehr vier Jahren ist die Kathedrale von einem Gerüst umgeben – wann sie von diesem befreit wird, ist weiterhin unklar. Ob sie renoviert oder abgerissen wird, ist Teil der anhaltenden Diskussionen.
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Die Regent Street, ebenfalls im Zentrum von Christchurch, ist einer der wenigen belebten Plätze in diesem Gebiet. Hier haben sich nach den Erdbeben die EigentümerInnen der Geschäftslokale zusammengeschlossen, um eine Renovierung und Inwertsetzung eigenfinanziert umzusetzen. Ein weiteres Projekt, das die Attraktivität der Innenstadt steigern soll, ist ein farbenfrohes Containerviertel, in dem sich zahlreiche Cafés und moderne Geschäfte befinden. Inwieweit dieses nach dem Neuaufbau der Gebäude wieder entfernt werden soll, oder ob dieses Alternativviertel als Teil der neuen Stadtgeschichte erhalten bleibt, wird derzeit intensiv diskutiert.
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Im Zuge der Aufarbeitung der Erdbebenereignisse wurde die Stadt in vier Risikozonen eingeteilt. Das am schlimmsten betroffene Gebiet – die rote Zone – kann aktuell auf Grund des hohen Risikos nicht bewohnt werden. Die Bevölkerung in diesem Areal wurde aufgefordert, ihre Grundstücke zu verkaufen. Insgesamt kaufte der Staat etwa 7.000 Häuser auf. Bis auf wenige Ausnahmen (s. Bild) wurden alle Häuser abgerissen. Als Entschädigung zahlte die Regierung insgesamt rund eine Milliarde Neuseeland-Dollar.
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Eine weitere Folge der Erdbeben waren Felsstürze, die in den äußeren Stadtgebieten von Redcliffs, Clifton und Sumner am Nordende der Banks Peninsula auftraten. Diese gravitativen Massenbewegungen bedrohen zahlreiche Häuser und deren EinwohnerInnen. Das abgebildete Haus würde ein weiteres Ereignis dieser Art nicht überleben.
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Steinschlagnetze würden Menschen – sowie deren Häuser und Straßen – vor weiteren Felsstürzen bewahren. Doch solch hoch entwickelte Schutzmaßnahmen sind für die Regierung in dem notwendigen Ausmaß finanziell nicht leistbar. Als Alternative hierzu werden alte Schiffscontainer am Straßenrand übereinander gestapelt, um weitere Schäden zu verhindern. Die Grundidee ist, dass die Container Felsstürze abbremsen, damit diese die potenziell bedrohten Gebiete nicht erreichen können.
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Durch einen Tunnel erreichen wir von Christchurch aus die Hafenstadt Lyttelton. Es handelt sich hierbei um einen der drei größten Transporthafen der Südinsel. Neben dem Containerumschlag beschränkt sich der primäre Handel auf Holz, Kohle und Erdöl. Vor Millionen von Jahren befand sich unter diesem Areal eine Magmakammer, die nach einem riesigen Ausbruch kollabierte und eine Caldera (einen Krater) bildete. Diese trichterförmige Absenkung füllte sich mit Wasser und bildet die natürliche Grundlage für den heutigen Hafen.
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Unsere Tagesführung mit Professor Pawson endet an einem Aussichtspunkt im Stadtteil Cashmere in den Port Hills: Von hier aus haben wir einen hervorragenden Blick auf Christchurch und die dahinterliegenden Southern Alps. In einer abschließenden Reflexionsrunde arbeiten wir die im Laufe des Tages gewonnen Impressionen noch einmal auf und stellen sie in neue Perspektiven. Erst durch die Besichtigung vor Ort wird uns bewusst, wie stark die Erdbebenereignisse sich auf das Leben in Christchurch ausgewirkt haben und welche tiefgreifenden Nachwirkungen für die Betroffenen – aber auch für die gesamte Gesellschaft – nach wie vor bestehen. Beeindruckend ist auch der abrupte Übergang zwischen dem ehemals dicht bebauten Central Business District und den direkt angrenzenden Wohngebieten mit ihren großen Gärten und Grünflächen. Christchurch bleibt uns daher als eindrucksvolle "Green City" in Erinnerung, die durch das Erdbeben momentan in einem großen Umbruch steht.
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