Das war der Sommerdiskurs 2013
Redaktion (uni:view) | 12. August 2013Hochkarätige Vortragende, spannende Diskussionen: Beim 6. Sommerdiskurs der Universität Wien trafen sich ExpertInnen aus Wissenschaft und Praxis am Wolfgangsee, um über "Politik und Moral – Zur Ethik des Maßhaltens" zu sprechen.

Der mittlerweile 6. Sommerdiskurs der Universität Wien brachte über 60 JuristInnen, ÖkonomInnen, PhilosophInnen, SozialwissenschafterInnen und Führungskräfte aus Wirtschaft und Verwaltung an den Wolfgangsee.

Franz-Stefan Meissel, Direktor der Sommerhochschule der Universität Wien, freute sich in seiner Eröffnungsrede über das rege Interesse der TeilnehmerInnen am diesjährigen Generalthema "Politik und Moral – Zur Ethik des Maßhaltens" und hob hervor, wie spannend es sei, beim Sommerdiskurs immer wieder hochkarätige Vortragende und DiskutantInnen zusammenzubringen.

Die Wiener Staatsrechtlerin Magdalena Pöschl lotete in ihrem Eröffnungsvortrag zu "Wertedebatten im säkularen Rechtsstaat" die Untiefen der öffentlichen Verhandlung von Wertefragen aus. Anhand der aktuellen Debatte zur Fortpflanzungsmedizin schilderte sie anschaulich, wie hier das "heiße Eisen" der Entscheidung ethischer Fragen zwischen Politik, Gerichten und Expertenkommissionen hin und her geschoben wird. Pointiert zeigte sie Inkohärenzen und Inkonsistenzen in den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte auf. Im Zweifel sei aus der Verfassung eine Entscheidung zugunsten der individuellen Handlungsfreiheit abzuleiten, sodass in heiklen bioethischen Fragen letztlich das Gewissen des Einzelnen entscheiden sollte. Rechtsphilosophin Elisabeth Holzleithner kam in ihrer Analyse zu ähnlichen Schlussfolgerungen, betonte aber auch die Problematik einer unter Umständen gegenläufigen Tendenz von individualethischer und sozialethischer Perspektive bei Fragen wie z.B. der Zulässigkeit der Präimplantationsdiagnostik (PID).

Peter Barth, der neue Leiter der Abteilung für Personen-, Familien- und Erbrecht im Bundesministerium für Justiz, erläuterte, wie in der Legistik mit sensiblen Fragen wie jener der Konkretisierung des Kindeswohls umgegangen werde und warb für Verständnis dafür, dass der "Gesetzgeber die Gesellschaft nicht allzu sehr überfordern darf". Die Politologin Michaela Mayrhofer, die im Rahmen von biomedizinischen Projekten für die Medizinuniversität Graz arbeitet, brachte in die Diskussion zusätzlich das Thema des "Social Egg Freezing" ein, durch das eine individuelle Familienplanung ermöglicht werden könnte, räumte aber ein, dass dazu noch kein gesellschaftlicher Konsens in Österreich bestehe.

Die Pausen des Sommerdiskurses wurden für angeregte Gespräche genutzt. Im Vordergrund der Historiker Karl Vocelka im Gespräch mit den AK-Bildungsexpertinnen Martha Eckel und Petra Völkerer. Im Hintergrund KHM-Geschäftsführer Paul Frey im Gespräch mit Franz-Stefan Meissel und (verdeckt) Marina Fistoulari Mahler.

Vizerektor Heinz Faßmann war zum wiederholten Mal Gast und Mitwirkender des Sommerdiskurses. Heuer beteiligte er sich insbesondere an einem Nachmittagsworkshop, der sich unter dem Titel "Wissensproduktion zwischen Competitivity und Prekariat" mit der arbeitsrechtlichen Situation von NachwuchswissenschafterInnen beschäftigte.

Über das "Richtige Maß eines nachhaltigen Sozialstaates" diskutierten die beiden Sozialpolitikexperten Rolf Gleißner (WKO) und Josef Wöss (AK Wien). Während letzterer vor allem die positiven Effekte des Sozialstaates auch für Beschäftigung und Krisenbewältigung hervorhob, betonte ersterer die Grenzen der Finanzierbarkeit in der längeren Perspektive, welche ausgabenseitige Reformen notwendig mache.

Zur Frage der Finanzierung des Sozialstaats in Österreich präsentierte Wirtschaftsforscher Johannes Berger (links) ein langfristiges Rechenmodell, in dem sozialstaatliche Verpflichtungen als "implizite Staatsverschuldung" dargestellt werden. Moderator Robert Rebhahn stellte kritisch einige der Grundannahmen des Modells in Frage. Von den ersten Erfahrungen mit dem möglicherweise zukunftsweisenden Projekt der Belohnung für Gesundheitsvorsorge berichtete der Direktor der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft, Thomas Neumann.

Das Kunsthistorische Museum steuerte dieses Jahr als Kooperationspartner eine gelungene Präsentation der neu gestalteten Kunstkammer bei. Direktor Paul Frey nahm das zum Anlass, einen spannenden historischen Bogen zum Thema "Maßhalten und Maßlosigkeit in der Kunst – am Beispiel ausgewählter Exponate der Kunstkammer" beizusteuern.

Unter der Moderation von Michael Stampfer, Geschäftsführer des Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds (rechts im Bild), diskutierten der neu bestellte Leiter der Hochschulsektion Elmar Pichl, Vizerektor Heinz Faßmann sowie Arbeits- und Sozialrechtler Walter Schrammel und der profilierte Arbeitsrechtsanwalt Roland Gerlach (links).

Unter der Leitung von Sektionschef Elmar Pichl (Bildmitte) widmete sich eine Arbeitsgruppe, der u.a. Franz-Stefan Meissel (links) und Robert Rebhahn (rechts) angehörte, dem "Proprium der Universität als Lehr- und Forschungsanstalt". Als Kriterien wurden neben der Einheit von Lehre und Forschung die Bedeutung der Grundlagenforschung, das umfassende Bildungsangebot, die Bedeutung der Internationalität sowie die Verknüpfung mit der jeweiligen Region/Stadt hervorgehoben.

Eine andere Arbeitsgruppe unter der Leitung von Vizerektor Heinz Faßmann bearbeitete das Thema "Das erforderliche Jobprofil angehender WissenschafterInnen". Dabei wurde u.a. kritisiert, dass die derzeitige Praxis der restriktiven Befristungen den Eindruck erwecke, die Universität produziere "Wegwerfwissenschafter" (Karl Vocelka). Vizerektor Faßmann hob dagegen hervor, dass die Universität bemüht sei, möglichst vielen guten AbsolventInnen die Chance zu geben, zumindest eine gewisse Zeit an der Universität Wien zu arbeiten. Wortmeldungen aus dem Publikum betonten, wie wünschenswert es sei, dass die Universität als Arbeitgeberin ihren gegenwärtigen und ehemaligen MitarbeiterInnen eine Haltung der Wertschätzung entgegenbringt.

Gesellschaftlicher Höhepunkt des Sommerdiskurses war wie immer das Kammerkonzert mit vier Mitgliedern der Wiener Philharmoniker, das durch die Unterstützung durch Marina Mahler (die Tochter der Bildhauerin Anna Mahler und Enkelin von Gustav Mahler und Alma Mahler-Werfel) ermöglicht wurde. Die Sommerhochschule bedankte sich bei der großzügigen Sponsorin mit einer Geburtstagstorte.

Beim Kammerkonzert im Bürglsaal brillierten Daniel Froschauer (1. Geige), Marian Lesko (2. Geige), Wolf-Dieter Rath (Viola) und Rafael Flieder (Violoncello) mit Schuberts "Tod und das Mädchen", die Gäste des Sommerdiskurses und die 84 Studierenden der Sommerhochschule lauschten ergriffen.

Höchste ökonomische Kompetenz konnte für das Panel zur Währungs- und Bankenunion aufgeboten werden. EZB-Generaldirektor Aurel Schubert referierte über "The Quest for Stability in Turbulent Times – The Complementarity of Monetary Union and Banking Union". Unter der Moderation des Wirtschaftswissenschafters Werner Neudeck von der Diplomatischen Akademie steuerten der langjährige Rektor und stv. Aufsichtsratsvorsitzende der Erste Group und der Uniqa-Versicherung Georg Winckler und der profilierte ehemalige Banker und nunmehrige Konsulent und Publizist Wilfried Stadler Statements bei. Winckler hob die Problematik nationalstaatlicher Egoismen in der Bankenpolitik hervor, während Stadler vor allem vor der trügerischen Sicherheit des "Risk Weighing" warnte und für eine bessere Eigenkapitalausstattung der Banken plädierte.

IT-Rechtsprofessor Nikolaus Forgó (u.a. Leiter des LL.M.-Lehrgangs für Informations- und Medienrecht an der Universität Wien, im Bild 2. von re.) konnte eine äußerst prominent besetzte Vortragsreihe rund um Datenschutz und die Gefahr des "gläsernen Menschen" moderieren. Über den Stand der Beratung der geplanten EU-Datenschutzverordnung berichtete der dafür zuständige Berichterstatter im Europäischen Parlament, Jan P. Albrecht (im Bild ganz rechts), ein EU-Abgeordneter der Grünen Deutschlands. Aus der Warte des österreichischen Rechts steuerten dazu die Datenschutzexpertin Waltraut Kotschy (Mitte) und Gregor König von der Geschäftsstelle bei der Datenschutzkommission Anmerkungen und Fragen bei. Klaus M. Steinmaurer, der Leiter der Rechtsabteilung der T-Mobile Austria, berichtete aus seiner eigenen langjährigen Erfahrung im Umgang mit dem sensiblen Thema der Datenweitergabe an Behörden.

Traditioneller Schlusspunkt des Sommerdiskurses ist eine Lesung. Nach Barbara Frischmuth, Anna Mitgutsch, Dimitre Dinev, Olga Flor und Eva Menasse las heuer Vea Kaiser, die seit dem fulminanten Erfolg ihres Debütromans "Blasmusikpop" als einer der Shootingstars der jungen österreichischen Literatur gilt. (Text: Nina Gruber, Fotos: Sommerhochschule der Universität Wien)