Das fliegende Labor – in 26 Tagen um die Welt (Teil 7)

Die letzte Weltumrundung beginnt: Ein Team um Aerosolphysikerin Bernadett Weinzierl startet im Rahmen der "Atmospheric Tomography Mission" (ATom) wieder in luftige Höhen. Auf 70.000 Flugkilometern – von Kalifornien bis zur Antarktis – untersuchen sie, wie Abgase unser Klima beeinflussen.

Nach intensiven Vorbereitungen, zwei erfolgreichen Testflügen und dem ersten wissenschaftlichen ATom-4-Missionsflug zum Äquator, geht es heute los Richtung Alaska. Nach Messungen im Sommer 2016 sowie im Herbst und Winter 2017 fehlt uns jetzt noch der Frühling. Kaum zu glauben, dass der erste Flug in diesem Projekt nun schon fast zwei Jahre zurückliegt und wir bereits drei von vier Weltumrundungen erfolgreich abgeschlossen haben.

Datenauswertung in "Handarbeit"

Fast vergessen sind die Herausforderungen vor den ersten Flügen im Sommer 2016: Ist die Datenleitung im Flügel zu lang, um die Daten fehlerfrei an die Messcomputer in der Flugzeugkabine zu übermitteln? Funktioniert die Heizung des Instruments und kann sie auch Temperaturen zwischen -40 und -70 Grad standhalten? Oder die Kalibrierung der CAPS (Cloud, Aerosol and Precipitation Spectrometer) und die Auswertung der Daten in "Handarbeit" – mittlerweile gehen diese Aufgaben relativ schnell von der Hand.

Jedes Semester stellt die Universität Wien ihren WissenschafterInnen eine Frage zu einem Thema, das die Gesellschaft aktuell bewegt. In Interviews und Gastbeiträgen liefern die ForscherInnen vielfältige Blickwinkel und Lösungsvorschläge aus ihrem jeweiligen Fachbereich. Die Semesterfrage im Sommersemester 2018 lautet "Wie retten wir unser Klima?".

"Schattenbilder" von Wassertropfen und Eiskristallen

Seit den ersten Flügen im Sommer 2016 haben wir viele Prozesse automatisiert, Datenauswertungsalgorithmen programmiert, die CAPS weiter optimiert sowie eine automatische Wolkenerkennung und -klassifikation entwickelt, die auf den Daten unseres Instrumentes und meteorologischen Daten wie Temperatur oder Luftfeuchtigkeit beruht. Natürlich sehen wir Wolkendurchflüge sofort an den "Schattenbildern" der Wassertropfen und Eiskristallen in der CAPS und können die Uhrzeit der beobachteten Wolkendurchflüge notieren. Mit dem "CAPS-Wolkenprodukt" ist es aber schon kurz nach dem Flug möglich, automatisiert nach vordefinierten Kriterien für jede Sekunde des Messfluges zu bestimmen, ob wir in klarer oder sehr feuchter Luft, in einer Wasser- bzw. Eiswolke oder in einer sogenannten Mischphasenwolke, die Eiskristalle und Wassertropfen enthält, geflogen sind.

Wolken und ihre Eigenschaften

Das "CAPS-Wolkenprodukt" liefert einerseits für viele andere Gruppen wichtige Informationen: so laufen z.B. chemische Prozesse innerhalb und außerhalb von Wolken unterschiedlich ab und die Information über Wolkendurchflüge hilft, Daten der chemischen Messungen zu interpretieren. Zudem kann es sein, dass in dichten Wolken die Daten der Aerosolinstrumente in der Flugzeugkabine verfälscht sind, weil z.B. große Eis- oder Wassertropfen am Einlass zerbersten und Aerosolpartikel "freisetzen" und damit zu Messartefakten führen, die mithilfe des "CAPS-Wolkenproduktes" im Datensatz als "nicht vertrauenswürdige" Perioden markiert werden können. Andererseits ist das Wolkenprodukt die Grundlage für unsere Analysen der mikrophysikalischen Wolkeneigenschaften und zur Untersuchung der Frage, wie Aerosolpartikel die Eigenschaften von Wolken verändern und ob es Unterschiede in den Wolkeneigenschaften auf der Nord- und der Südhalbkugel gibt.

In "Atmospheric Tomography Mission" (ATom) untersuchen ForscherInnen der NASA, der Harvard University, NOAA, der Uni Wien sowie neun weiteren US-Forschungseinrichtungen, welchen Einfluss von Menschen verursachte Emissionen auf die Luftqualität und das Klima haben. Über einen Zeitraum von zwei Jahren – unter Berücksichtigung aller Jahreszeiten – reisen die WissenschafterInnen mit dem NASA Forschungsflugzeug DC-8 um die Welt.

In sieben Auf- und Abstiegen

Der Flugweg führt uns heute von Palmdale zuerst nach Nordwesten hinaus auf den Pazifik. Von dort aus geht es parallel zur nordamerikanischen Westküste Richtung Nordpol mit einem Überflug des Flughafens der nördlichsten Stadt der USA, Barrow, in niedriger Höhe, einem sogenannten "Low Approach". Die abschließende Landung findet in Anchorage, Alaska, statt. Geplant sind je sieben Auf- und Abstiege zwischen 150 Meter über dem Boden und 14 Kilometer Höhe. Wir werden ein Frontensystem mit vielen Wolken und Niederschlag durch- bzw. überqueren und zahlreiche Wolken durchfliegen. Laut Vorhersagen werden wir auf unserem Flug Waldbrand- und anthropogene Verschmutzungsschichten finden und im ersten Teil des Fluges erwartet uns Mineralstaub aus Asien.

Die asiatischen Wüsten als Mineralstaubquelle

Etwa 40 Minuten nach dem Start treffen wir in neun bis zehn Kilometer Höhe auf die ausgedehnte asiatische Staubschicht, die sich auch in deutlich niedrigere Höhenbereiche erstreckt. Sie enthält 10-20 Mikrometer große Mineralstaubpartikel, zeigt aber auch starke Signaturen von anthropogener Verschmutzung wie erhöhte Ruß- und Ozonwerte. Für uns sind diese Messungen besonders spannend, da wir in den vergangenen zwölf Jahren vier große internationale Flugzeugmesskampagnen zu frischem Saharastaub nahe der Wüste in Marokko (SAMUM-1, 2006), zu transportiertem Saharastaub auf den Kapverden (SAMUM-2) und in der Karibik (SALTRACE, 2013) sowie im Rahmen des ERC-Projektes A-LIFE zu verschmutztem Saharastaub und arabischen Staub 2017 im östlichen Mittelmeer durchgeführt haben. Die Messungen des asiatischen Staubes beim heutigen Messflug erweitern unsere bereits vorhandenen Mineralstaubdatensätze um eine global wichtige Mineralstaubquelle: die asiatischen Wüsten.

Das "Cloud, Aerosol, and Precipitation Spectrometer" (CAPS) detektiert Aerosolpartikel, Wassertropfen und Eiskristalle zwischen 500 Newtonmeter und knapp einem Millimeter. Die Messungen der Uni Wien sind die erste globale Kartierung von Supermikrometer-Aerosolen vom Boden bis 14 Kilometer Höhen zwischen Nordpol und Antarktis im Pazifik und im Atlantik. Im Bild: Nahaufnahme der CAPS. Die Abdeckungen für die optischen Komponenten sind noch nicht entfernt. (© Bernadett Weinzierl)

(Wolken-)freier Blick auf Gletscher und Meereis

Je weiter wir nach Norden kommen, desto faszinierender wird die Landschaft: eisbedeckte Berge der Alaskakette, Gletscher und Meereis nördlich von Alaska über der Beaufortsee. Am Ende eines jeden Abstiegs fliegen wir in nur 500 Feet (ca. 130 Meter) über dem Wasser bzw. dem Eis. Obwohl wir diese Bilder schon bei den vergangenen drei ATom-Missionen gesehen haben, ist es nach wie vor beeindruckend – zumal es das Wetter heute sehr gut mit uns meint und wir hier im hohen Norden bei etwa 72°N weitgehend (wolken-)freien Blick haben.

Der knapp 10-stündige Flug ist aufgrund der interessanten Daten und der schönen Landschaft kurzweilig und vergeht schnell. Wir sind gespannt, was uns auf den kommenden Flügen erwartet. Vielleicht weiterer Staub aus den asiatischen Wüsten? Wir lassen uns überraschen. Klar ist bislang nur, dass morgen – wie nach jedem ATom-Messflug – Datenauswertung und CAPS-Kalibrierung auf dem Programm stehen, bevor es übermorgen Richtung Hawaii weitergeht.

Über die AutorInnen:
Die AerosolphysikerInnen Bernadett Weinzierl, Maximilian Dollner und Nikolaus Fölker von der Fakultät für Physik der Universität Wien sind im Rahmen des groß angelegten Forschungsprojekts "Atmospheric Tomography Mission" (ATom) gemeinsam mit ForscherInnen der NASA, der Harvard University, NOAA sowie neun weiteren US-Forschungseinrichtungen mit dem Forschungsflugzeug DC-8 unterwegs und berichten darüber im uni:view Magazin.