Aus dem Blickwinkel der Dinge
| 05. Mai 2015Die Jubiläumsausstellung "Das Wissen der Dinge" im Naturhistorischen Muesum Wien thematisiert naturwissenschaftliche Forschung und Lehre im Wandel der Zeit: anhand von Forschungsinstrumenten und didaktischen Hilfsmitteln von 1755 bis heute.
Im Mittelpunkt der Schau, die sich in zwei Teile gliedert – einen historischen und einen thematischen – stehen Objekte aus den Lehr- und Forschungssammlungen der Universität Wien. Im Bild: Blüten- und Pflanzenmodelle von Robert Brendel (Breslau um 1870 bzw. Berlin um 1885).
Welches Wissen kann Forschungsobjekten mit Hilfe von Geräten entlockt werden? Wie sahen die Bilder bzw. Informationen aus, die historische Instrumente, Geräte und Apparate produzierten? Der thematische Teil der Ausstellung stellt historische bildliche Darstellungen aktuellen Bildern derselben Forschungsobjekte gegenüber und veranschaulicht so wissenschaftliche Praxis im Laufe von 250 Jahren. Ziel ist es, den Blick auf die heutige Forschung um ihre historische Dimension zu erweitern.
Die reich bebilderte Zeitleiste entlang der Wände im historischen Teil der Jubiläumsausstellung gibt zeitliche Orientierung. Hier steht die Lehre im Mittelpunkt: Gezeigt werden zeitgenössische Demonstrationsmedien aus den Lehrsammlungen der Universität Wien: von Modellen, Abgüssen und Präparaten über Lehrbücher, Wandtafeln, Fotos und Filmen bis hin zu einem virtuellen Quantenlabor. Im Bild: ein "Tektonischer Erdglobus" nach Carl Adami und Heinrich Kiepert. Er wurde in der Zwischenkriegszeit durch den Geologie-Professor Leopold Kober übermalt, der damit den Studierenden seine Theorie der Gebirgsbildung veranschaulichen wollte. Der Globus symbolisiert die Dynamik der Wissenschaft: Theorien werden aufgestellt und widerlegt, Forschung entwickelt sich ständig weiter.
Eröffnet wurde die Ausstellung "Das Wissen der Dinge", die von 6. Mai bis 31. August 2015 im NHM Wien zu sehen ist, am 5. Mai von Rektor Heinz W. Engl, Ausstellungskuratorin Claudia Feigl und NHM-Generaldirektor Christian Köberl. "Neues Wissen schaffen, vermitteln und das Wissen auch zu sammeln, das ist Universität", sagte Rektor Engl. Die gemeinsame Ausstellung markiere den Startpunkt für die Intensivierung der Kooperation zwischen Universität Wien und NHM Wien: "Museen sind wichtige wissenschaftliche Institutionen", so Engl.
Entlang der naturhistorischen Sammlungen könne eindrucksvoll nachvollzogen werden, welche wissenschaftlichen Durchbrüche durch neue Methoden und Geräte möglich sind und waren, betonte der Rektor: "Von ungebrochener Aktualität ist die Tatsache, dass Forschungsstärke und moderne Forschungsinfrastruktur untrennbar miteinander verbunden sind."
"Nach dem 125. Geburtstag des NHM Wien und dem 150jährigen Jubiläum der Wiener Ringstraße freuen wir uns besonders, mit der Ausstellung 'Das Wissen der Dinge' 650 Jahre Universität Wien feiern zu können. Eine große Ehre für unsere Institution, die mit 60 Wissenschafterinnen und Wissenschaftern eine der größten außeruniversitären Forschungseinrichtungen Österreichs ist", sagte NHM-Generaldirektor Christian Köberl und bedankte sich bei der Kuratorin Claudia Feigl für ihre exzellente Arbeit.
Claudia Feigl ist Sammlungsbeauftragte der Universität Wien und Herausgeberin des Sammelbands "Schaukästen der Wissenschaft. Die Sammlungen an der Universität Wien", der aufgrund der großen internationalen Nachfrage demnächst auch in englischer Sprache erscheinen wird. Bei der Ausstellungseröffnung sprach die Kuratorin begeistert vom einzigartigen Sammlungsbestand der Universität Wien, der in seiner Breite und Vielfalt seinesgleichen suche. Die Ausstellung erzähle die Geschichte der Universität Wien aus dem Blickwinkel der Objekte, so Feigl. Die Zeitreise startet mit der Gründung des Botanischen Gartens (1754), die den Beginn der naturwissenschaftlichen Forschung in Wien und an der Universität Wien markiert.
Ein besonderes Highlight der Ausstellung "Das Wissen der Dinge" sind die Modelle der Glasbläser, Künstler und Naturwissenschafter Leopold und Rudolph Blaschka: Von 1863 und 1890 schufen sie tausende Glasnachbildungen, v.a. von Meerestieren, die sich nur schwer konservieren lassen. Als Vorlage dienten nicht nur Zeichnungen, sondern auch lebende Tiere, die Vater und Sohn Blaschka in einem Aquarium hielten. Da die Blaschkas keine Lehrlinge ausbildeten, ging ihr Wissen um den höchst aufwändigen und kunstvollen Herstellungsprozess mit ihrem Tod verloren – bis heute rätseln WissenschafterInnen über die speziellen Farb- und Glasmischungen der Modelle.
Die Universität Wien besitzt mit 146 Modellen die zweitgrößte Sammlung an Blaschka-Modellen im deutschsprachigen Raum – 45 davon können bei der Jubiläumsausstellung bestaunt werden. Die Glasnachbildungen wurden bis in die Zwischenkriegszeit in der Lehre verwendet, gerieten dann in Vergessenheit. Wiederentdeckt – in einem Zwischenboden – hat man sie erst Anfang der 1980er-Jahre, als das Institut für Zoologie an seinen heutigen Standort übersiedelte. (Im Bild: "Blaschka-Aquarium", um 1880).
So zeigt die Ausstellung im Naturhistorischen Museum im Zeitraffer, wie sich die Alma Mater seit 1760 auf dem Gebiet der Naturwissenschaften entwickelt hat: von der Eröffnung einer neuen Universitäts-Sternwarte zur Vermessung des Sonnensystems 1755/56 bis zur Untersuchung der quantenmechanischen Eigenschaften von komplexen Biomolekülen und Nanopartikeln im Jahr 2015. Neben Meilensteinen aus der Geschichte der Universität Wien von 1750 bis 2015 erfahren die BesucherInnen auch mehr über internationale Meilensteine der Naturwissenschaften und ihre zeitliche Einordnung – wie die Entdeckung des Planeten Uranus 1781, die Entdeckung des Ozonlochs 1985 oder den Nachweis des lange vorhergesagten Higgs-Teilchens am Kernforschungszentrum CERN 2012. (Text: Redaktion; Fotos: NHM Wien, Kurt Kracher)
Jubiläumsausstellung "Das Wissen der Dinge"
Do-Mo, 9-18.30 Uhr, Mi 9-21 Uhr, Di geschlossen
Naturhistorisches Museum Wien (NHM Wien), Sonderausstellung im Saal 50
Maria-Theresien-Platz, 1010 Wien
Weitere Informationen
Claudia Feigl, Universität Wien: Das Wissen der Dinge
Führung durch die Sonderausstellung im Saal 50
Die Objekte aus den Sammlungen der Universität Wien erzählen eine ihnen eigene Geschichte der universitären Lehre und wissenschaftlichen Forschung vergangener Zeiten, aber auch der Gegenwart.
Termine:
Sonntag, 24. Mai, 15.30 Uhr
Sonntag, 21. Juni, 15.30 Uhr
Mittwoch, 1. Juli, 18.30 Uhr
Weitere Informationen
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