Auf "Field School" im Lande Moab (6)
| 31. Juli 2012Für die Studierenden der Universität Wien, die an der archäologischen Field School in Jordanien teilnehmen, heißt es nun langsam Abschied nehmen. Im vorletzten Blog-Beitrag berichten sie noch einmal von archäologischen Schätzen des Landes – begutachtet auf einem Tagesausflug nach Jerash und Umm Quais.
Die einstige römische Provinzstadt Jerash wird auch als "Pompeji des Ostens" bezeichnet. Nach einem schweren Erdbeben 747 n. Chr. verließen die Bewohner die Stadt, und zurück blieb dieses imposante Zeugnis dieser Epoche. Manche KunsthistorikerInnen behaupten, dass der hinter uns liegende, ovale Platz, der den älteren hellenistischen Stadtteil mit dem neueren römischen zusammenbrachte, Vorbild für den Petersplatz in Rom gewesen sein soll.
Bis heute werden in Jerash Ausgrabungen durchgeführt. Zurzeit ist ein Team der Universität von Kopenhagen vor Ort einquartiert. Die netten "ArchäologiekollegInnen" haben uns freundlicherweise den ersten Kaffee in diesem Land serviert, den ein Mitteleuropäer auch vertragen kann. Denn die JordanierInnen sind es gewohnt, ihren Kaffee ungeheuer stark und mit Esslöffeln Zucker zu genießen. Zurück zur Kunstgeschichte: Die Säulen sind für genaue BeobachterInnen ein witziger Anblick. In den 70er Jahren hat das jordanische Militär die ausgegrabenen Einzelteile der Säulen einfach willkürlich aufeinander gestellt, um für Touristen einen Anreiz zu bieten. Deswegen sieht man immer wieder Kopfstücke, die verkehrt angebracht wurden, oder Säulen, die wie zusammengewürfelt nebeneinander stehen.
Das große Theater von Jerash hat eine tolle Akustik – das führen die beiden Beduinen im Bild den vorbeikommenden Touristen mit Musikmedleys von bekannten westlichen Volksliedern vor. So hallt "Freude schöner Götterfunken", gespielt auf einem Dudelsack, durch das alte arabische Gemäuer.
Nach drei Wochen Archäologie in Jordanien hält uns so schnell nichts mehr auf, was aus Stein ist. Auch wenn uns unsere kanadische Tutorin den hilfreichen Rat mitgab: "Don't fall! But if you fall: Don't hurt yourself! But if you hurt yourself: Don't bleed. But if you bleed: Don't bleed on the stones!"
Unser zweiter Stopp war Umm-Qais. Als Schnittpunkt mehrerer antiker Handelsstraßen war es bereits vor 2.700 Jahren besiedelt. Unter der kurzen, aber intensiven Besetzung der Römer erlebte diese Stadt ihre Blütezeit. Die Bauten sind aus weißem Kalkstein und schwarzem Basalt im wahrsten Sinne des Wortes zusammengewürfelt.
Umm-Qais befindet sich am nordwestlichsten Zipfel von Jordanien, also nicht ganz drei Autofahrstunden von unserem Quartier. Man sieht sofort die landschaftlichen Veränderungen. Aus Wüste ist ein mediterranes Gebiet geworden.
Der Ausblick ist unglaublich. Man kann den See Genezareth blau herüber leuchten sehen. Jesus soll in Umm Qais, das zu dieser Zeit Gadara hieß, zwei Besessene von einem bösen Geist befreit haben. Dieser Geist fuhr in eine Herde Schweine, die sich daraufhin in den See stürzten. Die theologische Forschung vor Ort lässt uns erkennen: Diese Schweine müssen ganz schön sportlich gewesen sein.
Einen Tag lang bei 37 Grad archäologische Ausgrabungen zu besichtigen ist ziemlich fordernd. Deswegen waren wir froh, dass das Restaurant in der Nähe der Ausgrabung geöffnet hatte. Das ist zurzeit etwas Besonderes, da in Jordanien gerade Ramadan gehalten wird. Das bedeutet, dass in der Öffentlichkeit nicht gegessen, getrunken oder geraucht werden darf. Für Touristen wird in Umm Quais aber eine kleine Ausnahme gemacht. Dieser Ausblick macht deutlich, dass wir uns hier im Dreiländereck Jordanien-Syrien-Israel befinden. Die Berge hinter uns sind die viel umkämpften Golanhöhen. Es erscheint uns unglaublich, welche politischen Unruhen jetzt gerade wieder genau hier aufflammen.
Der Blog-Beitrag stammt von den Field School-TeilnehmerInnen Eva Hildmann, Elisabeth Kern und Florian Palek.
Im uni:view-Sommerdossier "Auf Field School im Lande Moab" erfahren Sie regelmäßig, was die Studierenden der Universität Wien unter der Leitung von Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Michael Weigl, M.A. vom Institut für Bibelwissenschaft bei den Ausgrabungen in Jordanien lernen und erleben.