Auf "Field School" im Lande Moab (2)
| 09. Juli 2012Neun internationale NachwuchsarchäologInnen und -theologInnen, darunter Studierende der Universität Wien, stehen am Beginn des vierwöchigen Abenteuers "Archäologie in Jordanien". Von ihrem "Basisquartier" in Madaba, nahe der jordanischen Hauptstadt Amman, berichten sie per Email über ihre Eindrücke.
Früh am Morgen geht es hinaus zur Ausgrabung, die etwa eine halbe Stunde südlich von unserem Quartier, in der Wüstenlandschaft des ehemaligen Königreichs Moab auf einem Hügel gelegen ist. Unsere Aufgabe ist es vor allem, das bereits Ausgegrabene wissenschaftlich zu erfassen. Die gesamte Bandbreite, die eine archäologische Ausgrabung mit sich bringt, praktisch und im wahrsten Sinne des Wortes hautnah zu erleben, ist das Interessanteste dabei. Weiters ist es spannend, Kultur, Land und Leute, fernab touristischer Pfade kennenzulernen. Im Bild der Hügel, auf dem vor 3.000 Jahren die Siedlung lag, die nun freigelegt und Millimeter für Millimeter dokumentiert wird.
Aller Anfang ist schwer … Am ersten Tag lernen wir in unserem Freiluftlabor die Grundlagen der praktischen Archäologie kennen. Am wichtigsten ist es, das eigene Werkzeug zu kennen. So wird zum Beispiel eine einfache Wäschekluppe zum wichtigen archäologischen Hilfsmittel, und ein Besen kann auch eine 3.000 Jahre alte Mauer reinigen.
So sehen echte ArchäologInnen aus: Wer nicht schmutzig ist, beherrscht das Handwerk nicht. Lange ausschlafen können andere, unser Arbeitstag beginnt sehr früh, um die kühlen Morgenstunden bestens zu nützen. Wegen der Sonne und den stark ansteigenden Temperaturen in diesem Gebiet müssen wir die Arbeiten im Feld zwischen sechs Uhr früh und zwölf Uhr vornehmen. Am Nachmittag bearbeiten wir das Dokumentierte weiter auf.
Hier ist Genauigkeit gefragt: Eine unserer wichtigsten Aufgaben ist, die Mauer exakt zu dokumentieren – also Stein für Stein auf Millimeterpapier zu verzeichnen. Die richtige Perspektive zu finden, erfordert oft Fingerspitzengefühl und Körpereinsatz. Lineal, Bleistift, Maßband – und die Wäschekluppen – sind hier essenziell.
Auf die erfolgreiche Zeichnung einer kompletten Mauer kann man besonders stolz sein. Die einzelnen Steine betrachten wir nun mit völlig anderen Augen.
Will man bei einer archäologischen Ausgrabung etwas fotografisch dokumentieren, kann man nicht einfach einen Schnappschuss davon machen. Das ganze Team beteiligt sich am geschäftigen Treiben rund um Fotoboard, Nord-Pfeil und anderen unerlässlichen Vorbereitungen, um ein Foto nach wissenschaftlichen Maßstäben zu fertigen. Besonders wichtig ist es, die Sonne auszublenden – wie man hier beim waghalsigen Versuch, ein Leintuch zu spannen, sehr gut erkennen kann.
So sieht eine arabische Stadt aus. Jede Straßenüberquerung ist ein Erlebnis, und wer braucht schon Ampeln, wenn der Verkehr auch ohne funktioniert. Eine arabische Stadt mit all ihren Facetten kann man nur kennenlernen, wenn man sich mitten darin befindet. Alltäglichkeiten wie der Ruf des Muezzins, Süßwarengeschäfte an jeder Ecke, ein Glas Tee im Beduinenzelt und der gewöhnungsbedürftige Straßenverkehr machen jeden Tag zu einem neuen Erlebnis.
Nach einem abgeschlossenen Arbeitstag können wir die Schönheiten des Landes richtig genießen: Am Berg Nebo bewundern wir den Sonnenuntergang. Schon Mose soll von dort das Gelobte Land erblickt haben. Man sieht das Tote Meer, Jericho und am Horizont das Bergland von Jerusalem. Aus dieser Perspektive erscheinen uns die erschütternden Konflikte des vor uns liegenden Landes unvorstellbar ... Fortsetzung folgt!
Der Blog-Beitrag stammt von den Field School-TeilnehmerInnen Eva Hildmann, Elisabeth Kern und Florian Palek.
Im uni:view-Sommerdossier "Auf Field School im Lande Moab" erfahren Sie regelmäßig, was die Studierenden der Universität Wien unter der Leitung von Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Michael Weigl, M.A. vom Institut für Bibelwissenschaft bei den Ausgrabungen in Jordanien lernen und erleben.
Lesen Sie auch:
> Auf Field School im Lande Moab – Teil 1
