Angela Davis an der Universität Wien: "Der Kampf geht weiter"

Von der Fahndungsliste des FBI zur Ikone der US-Bürgerrechtsbewegung: Im Rahmen des 650-Jahr-Jubiläums kam Philosophin Angela Davis an die Universität Wien und sprach über ihr Leben als Aktivistin, die amerikanische Apartheid und den Kampf gegen Unterdrückung, der noch längst nicht ausgefochten ist.

Am 5. Oktober 2015 sprach Philosophin und Aktivistin Angela Davis an der Universität Wien und erzählte in ihrem Vortrag "Life between Politics and Academia" eine sehr persönliche Geschichte von Unterdrückung, Hochschule und Widerstand.

Das Publikum jubelte, als Philosophin Angela Davis den gefüllten Festsaal der Universität Wien betrat.

Die heute 71-Jährige ist eine Ikone der Bürgerrechtsbewegung in den USA, die ihr Leben dem Kampf gegen Unterdrückung widmete.

Vizerektorin Regina Hitzenberger begrüßte Angela Davis, "eine Pionierin der Geschlechterforschung", im Namen der Universität Wien und verwies auf den Schwerpunkt Gendergerechtigkeit im 650-Jahr-Jubiläum. Die Tore der Universität sind nicht für alle seit 650 Jahren geöffnet – Frauen konnten erst 1897 studieren. Doch die Dinge ändern sich, so Hitzenberger, sie selbst habilitierte sich als zweite Professorin der Physik an der Universität Wien.

Da Gabriella Hauch, die Leiterin der AG Frauenjubel, aus Gesundheitsgründen nicht teilnehmen konnte, wurde ihre Ansprache von Kollegin Maria Mesner verlesen. Mit dem Schwerpunkt Gendergerechtigkeit will die AG bestehende Schieflagen zwischen den Geschlechtern in der akademischen Welt verdeutlichen und das Potenzial der Gender- und Geschlechterforschung aufzeigen.

"Angela Davis hat uns gelehrt, wie man die Welt verändert" – Marissa Lobo, Njideka S. Iroh, zwei Vertreterinnen von "Black_Women*_Space" und "PAMOJA – The Movement of the Young African Diaspora in Austria", hießen Angela Davis willkommen. Sie erzählten von ihren eigenen Erfahrungen in Österreich und dem stetigen Kampf gegen Rassismus.  

Die prominente Bürgerrechtsaktivistin betrat das Podium – sichtlich gerührt über den herzlichen Empfang an der Universität Wien und die kritischen Worte ihrer VorrednerInnen.

Angela Davis begann mit einem Rückblick auf ihre Kindheit im Süden, wo sie als schwarzes Mädchen in der segregierten Stadt Birmingham, Alabama, Rassismus und Ausgrenzung am eigenen Leib spürte. Ihre Mutter, Lehrerin und prägende Person im Leben der Aktivistin, brachte allen ihren Kindern das Lesen bei, bevor sie drei Jahre alt waren. "Wissen befreit ein Kind aus der Sklaverei", zitierte Davis den Schriftsteller Frederick Douglass.

Das Publikum hörte gespannt zu, als Davis berichtete, wie sie zum Aktivismus kam: Kant, Hegel, Marx und viele andere beeinflussten ihren Werdegang und formten ihr kritisches Denken. Sie ging in den Norden der USA und 1962 nach Frankreich, "dem Land von liberté, egalité, fraternité" – doch: "Auch dort war ich mit Formen von Rassismus konfrontiert!" Sie solidarisierte sich mit dem algerischen Unabhängigkeitsaufstand …

… und kehrte in die USA zurück. Die Bürgerrechtsbewegung hatte dort ihren Höhepunkt erreicht und Angela Davis kämpfte Seite an Seite mit vielen anderen gegen Unterdrückung. In den 1970er Jahren engagierte sie sich für die Black Panther und geriet so auf die Fahndungsliste der FBI. "Im Gefängnis schrieb ich meinen ersten Artikel", kann sie heute mit einem Lächeln auf den Lippen erzählen.

In Gefangenschaft entwickelte sie Theorien zur Intersektionalität und Interdependenz und reflektierte über die Verwobenheit von Differenz und Ungleichheit. 1972 wurde die Anklage gegen die Aktivistin fallengelassen. Rund zehn Jahre später veröffentlichte sie ihr berühmtes Werk "Woman, Race, Gender".

Der gefüllte Festsaal spricht für sich: Die Theorien der Philosophin sind heute nicht minder relevant. Davis machte einen Brückenschlag zu dem von der Polizei getöteten Teenager Michael Brown in 2014 und die bis dato anhalten Demonstrationen gegen rassistische Gewalt des Staates – in Ferguson und dem Rest der Welt.

"Aktuelle Bewegungen wie 'Black Lives Matter' sind wichtig. Und erstmals brauchen sie keinen männlichen, schwarzen, sympathischen Leader, sondern haben eine kollektive Führerschaft. Frauen haben schließlich immer Widerstände organisiert, schon beim Busboykott von Montgomery in 1955 waren primär Frauen beteiligt", so Davis.

Sie setzt sich heute für einen "zugänglichen Feminismus" ein, zugänglich für alle Menschen, die in einer weißen, heteronormativen Welt unterdrückt werden. "Der Kampf geht weiter" – und das Publikum stimmte zu.

Nach dem Vortrag stürmte das begeisterte Publikum auf die Aktivistin zu. Viele wollten ein Foto der prominenten Angela Davis ergattern und mit ihr persönlich sprechen.

Am darauffolgenden Tag, dem 6. Oktober, fand in der vollbesetzten Skylounge am Standort Oskar-Morgenstern-Platz der Universität Wien ein Gespräch mit (v.li.n.re) Sushila Mesquita, Ruth Wodak, Angela Davis, Maria Mesner, Marissa Lobo, Njideka S. Iroh und Hanna Hacker sowie ca. weiteren 80 TeilnehmerInnen statt. 

Die Philosophin und Bürgerrechtlerin Angela Davis betonte dabei, wie wichtig der Zugang zu Bildung für gesellschaftlich benachteiligte Gruppen sei.

In den gegenwärtigen Auseinandersetzungen um die Aufnahme von Flüchtlingen in den reichen Gesellschaften des Nordens stünde zur Debatte, unter welchen Bedingungen Menschen aufgenommen oder abgewiesen würden. Die gut besuchte Veranstaltung bot reichlich Gelegenheit für Diskussion und Austausch. "Insgesamt eine großartige Veranstaltung, bei der es möglich war, Frau Davis Ansätze und Theorien viel besser kennenzulernen", so Sprachwissenschafterin Ruth Wodak. (Alle Fotos: Klaus Ranger/Universität Wien)