In memoriam Adolf Primmer (1931-2011)

Am 9. Juli 2011 ist der emeritierte Ordinarius für Klassische Philologie, Univ.-Prof. Dr. Adolf Primmer, nur wenige Monate nach Erreichen seines 80. Lebensjahres unvermutet gestorben. Mit ihm verlieren die Universität Wien, die Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät, vor allem aber das Institut für Klassische Philologie, Mittel- und Neulatein einen ausgezeichneten und (selbst-)kritischen Forscher und Wissenschafter, einen engagierten Lehrer, der zu begeistern wusste, und einen lieben Kollegen und Freund.

Im Jahr 1931 in eine Langenloiser Weinbauernfamilie hineingeboren, ermöglichten ihm die Eltern den Besuch des Gymnasiums Krems, wo vor allem zwei Lehrer für seinen künftigen beruflichen Weg prägend wurden: sein Griechischlehrer und sein Religionslehrer, der spätere Kardinal Franz König. Nach der Matura 1949 studierte Adolf Primmer an der Universität Wien bei den renommierten Professoren Lesky, Kraus und Schachermeyr Klassische Philologie, wobei sein Hauptinteresse zunächst der Gräzistik galt. Er schloss das Studium 1955 mit der Lehramtsprüfung in Latein und Griechisch und 1956, nach Vollendung seiner Dissertation über den Gottesbegriff des Origenes, mit der Promotion zum Dr. phil. sub auspiciis praesidentis rei publicae ab.

Nach drei Jahren im Schuldienst bot sich ihm 1959 die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Laufbahn als österreichischer Mitarbeiter am Thesaurus linguae Latinae an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München. Die lexikographische Bearbeitung des für römisches Denken zentralen Begriffes "ius" schulten sein sprachliches Feingefühl und seine Fähigkeit zur kritischen Textanalyse, sie verlagerte aber auch seine Interessen von der Gräzistik auf die Latinistik: Im Jahr 1963 als Assistent an die Universität Wien zurückgekehrt, habilitierte sich Primmer bereits 1968 für Klassische Philologie mit einer umfangreichen, heute zu den Standardwerken zählenden Arbeit zum antiken Prosarhythmus, im Besonderen zu Rhythmus und Klauseln in Ciceros Reden (Titel: Cicero numerosus. Studien zum antiken Prosarhythmus). Ab 1969 war Primmer als Extraordinarius, von 1973 bis zu seiner Emeritierung als Ordinarius am Institut für Klassische Philologie, Mittel- und Neulatein tätig. Er widmete sich in diesen Jahren zunächst der literarischen Gesamtinterpretation von Ciceros Reden, Vergils Aeneis und Ovids Metamorphosen; seine feinsinnige Deutung dieser drei Autoren konnte nicht nur Generationen von Studierenden begeistern, sondern fand auch Niederschlag in einem Büchlein zur Überredungsstrategie in Ciceros Rede pro Rabirio (1985) und in mehreren Aufsätzen zu den beiden augusteischen Epikern (das geplante Buch zu Vergil konnte er leider nicht mehr in Angriff nehmen). In seiner Funktion als Obmann der Kirchenväterkommission der ÖAW, der Primmer seit 1982 als korrespondierendes und seit 1985 als wirkliches Mitglied angehörte, gelang es ihm, den Produktionsmodus der Editionen der lateinischen Kirchenväter (CSEL) neu zu organisieren und durch kritische Textanalyse ein sehr hohes Niveau zu gewährleisten, schließlich das längerfristige Projekt der kritischen Neuedition der Enarrationes in psalmos des Augustinus in Leben zu rufen.

In den letzten Jahren arbeitete Primmer wieder intensiv an der Rekonstruktion griechischer Vorlagen aus den Komödien des Plautus und Terenz, einem Thema, dem er bereits 1984 ein Buch in Form einer Spezialanalyse der Bacchides des Plautus gewidmet hatte: Die Vollendung dieses zweiten Buches, das vor allem auch die theoretischen Grundlagen der antiken Komödienproduktion enthalten sollte, war Primmer nicht mehr vergönnt. Seine faszinierende Art, Texte zu betrachten und zwischen deren Zeilen zu lesen, seine integre Persönlichkeit und sein fröhliches Lachen werden immer in Erinnerung bleiben.

Christine Ratkowitsch, für das Institut für Klassische Philologie, Mittel- und Neulatein der Philolgisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät