Unterwegs im Südkaukasus (4)

Diesmal berichten die TeilnehmerInnen der Südkaukasus-Exkursion aus Tiflis, wo sie Daniel Nitsch treffen – einen Absolventen der Universität Wien, der in der georgischen Hauptstadt lebt. Die Studierenden beschreiben Tiflis als "hektisch und chaotisch fremd", spüren aber auch "eine Nähe zu Europa".

Unser erster Termin in Tiflis fand im Büro des UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees) statt, wo uns zwei Mitarbeiterinnen über die Arbeit des UNHCR und die Lage der Flüchtlinge und Vertriebenen, der IDPs (Internally Displaced Persons), in Georgien erzählten. Aufgrund der Konflikte in Südossetien und Abchasien gibt es rund 250.000 IDPs. Die Regierung bemüht sich um die Betreuung der IDPs, zum Beispiel durch die Bereitstellung von Wohnmöglichkeiten in alten Krankenhäusern und Schulen. Die Expertin des UNHCR beurteilt sowohl die Zusammenarbeit mit der Regierung Georgiens als auch die staatliche Unterstützung der IDPs positiv, aber schwierig.


Besuch bei der UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees) in Tiflis.



Von der UNHCR zur Weltbank


Später am Nachmittag fanden wir uns in den Räumlichkeiten der Weltbank ein, wo uns zunächst der Leiter der EU-Delegation in Georgien empfing und über die Beziehungen zwischen der EU und Georgien erzählte. Weitere wichtige Themen waren unter anderem die hohe Arbeitslosigkeit, das Assoziierungsabkommen mit der EU und die Beziehungen zu anderen umliegenden Staaten, insbesondere zu der Türkei.

Anschließend folgte ein Vortrag des georgischen Büros der Weltbank über Tourismus und Regionalentwicklung. Für den Projektleiter Ahmed Eiweida spielt vor allem die Weinbauregion Kachetien, wo bereits ein Projekt der Weltbank durchgeführt wurde, eine wichtige Rolle im georgischen Tourismus. Die Präsentation der besagten Region orientiert sich dabei sehr stark an europäischen Vorbildern der eigenständigen Regionalentwicklung.


Nach einem langen Tag gibt es georgische Speisen. Das Bild zeigt die Lichter der Hauptstadt Tiflis bei Nacht.



Georgische Schmankerl nach einem langen Tag

Am Abend trafen wir uns mit Rainer Kaufmann, der in seinem Lokal mit "Neuer Georgischer Küche" reichlich zum Abendessen auftischte. Kaufmann ist ein ehemaliger ZDF-Journalist, den es 1989 nach Tiflis verschlagen hat und der seither hier lebt. Er hat den Tourismus in Georgien mit seiner Agentur von Anfang an mitentwickelt.

Weiter nach Stepantsminda

Am Freitag führte uns der Weg von Tiflis Richtung Norden entlang der "Georgischen Heerstraße" nach Stepantsminda (russisch: Kasbegi). Ziel war es, Tourismus und Regionalentwicklung im hohen Kaukasus vor Ort zu erfahren.


Die "Georgische Heerstraße" führte uns in den Großen Kaukasus nach Stepantsminda.



Die historische Strecke ist, bis auf einige Kilometer, für den Tourismus gut ausgebaut worden und führt über einen 2.300 Meter hohen Pass, an dem sich auch das bekannte georgische Skigebiet Gudauri befindet. Die Straße ist für den Transitverkehr durch Georgien von übergeordneter Bedeutung, der einzige Grenzübergang zu Russland befindet sich weitere 15 Kilometer nördlich von Kasbegi.


Unser Mann in Tiflis

Alumnus Mag. Daniel Nitsch, ehem. Studienrichtungsvertreter am Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Wien, hat die Exkursion sowohl im Rahmen der umfassenden Vorbereitungen als auch als Begleiter vor Ort sehr hilfreich unterstützt. Aus Tiflis schreibt er:

"Wieso zieht ein Wiener nach Tiflis? Die Liebe hat mich dorthin verschlagen. Seit 2010 lebe ich in Georgien, habe hier eine Familie mit bald zwei Kindern. Ich konnte im Tourismusbereich beruflich Fuß fassen: als Mitarbeiter bei einem deutschen Reiseveranstalter vor Ort sowie als Redakteur bei der traditionsreichen deutschsprachigen Monatszeitung aus Tiflis, der Kaukasischen Post. Fast auf den Tag genau 20 Jahre, nachdem ich an der Universität Wien Geographie inskribiert hatte, begrüßte ich eine Exkursion des Geographieinstituts in der georgischen Hauptstadt und konnte die engagierte Gruppe zwei Tage begleiten, darunter auch in den Großen Kaukasus nach Stepantsminda. Es hat mir eine große Freude bereitet, den jungen Kolleginnen und Kollegen meine Wahlheimat vorzustellen. Ich wünsche an dieser Stelle den GeographInnen im nicht mehr wirklich wilden Kaukasus noch eine interessante und spannende weitere Reise durch Westgeorgien und Armenien, die ich im uni:view Magazin weiter verfolgen werde. Und ich freue mich auf ein Wiedersehen mit allen Beteiligten, sei es in Wien, in Tiflis oder auch ganz woanders."



Die hohen Berge des großen Kaukasus

Von Stepantsminda aus führt eine ungepflasterte Straße zu der auf 2.170 Meter thronenden Kirche Zminda Sameba. Der schlechte Zustand der Straße wird von der einheimischen Bevölkerung begrüßt, da sich durch den Jeep-Transport von Touristen zur Kirche eine wichtige Einnahmequelle erschließt. Die Kuppelkirche in den Bergen über Kasbegi ist eines der Wahrzeichen Georgiens, trotzdem konnte keine massenhafte Übernutzung durch Pauschaltouristen beobachtet werden.


In den hohen Bergen des großen Kaukasus thront die Kirche Zminda Sameba in 2.170 Metern Höhe.



Die hohen Berge des großen Kaukasus ziehen zahlreiche Alpinisten aus aller Welt in die Region. Mit einer Höhe von 5.047 Meter ist der Berg Kasbek eine Herausforderung für Bergsteiger, der Gipfel kann sowohl von der georgischen als auch von der russischen Seite bestiegen werden und bildet eine natürliche Grenze zwischen den beiden Ländern. Fortsetzung folgt … (Text und Fotos: Johannes Gerl, Oliver Sölkner, Philipp Gintenstorfer und Sebastian Gruber)

Die Fachexkursion "Kaukasusrepubliken - Staatenbildung und Regionalentwicklung" unter der Leitung von ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Martin Heintel und ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Strohmeier führt 24 Geographie-Studierende vom 7. bis zum 21. September 2014 in den Südkaukasus.


Im Südkaukasus treffen Gegensätze aufeinander: Studierende des Instituts für Geographie und Regionalforschung berichten im uni:view-Dossier "Unterwegs im Südkaukasus" von ihrer Reise zwischen Berglandschaften und Metropolen, Konfliktherden und Modernisierung.