Neuer Masterstudiengang: Austrian Studies

Was unterscheidet die österreichische Literatur von der deutschen? Die Diskussion rund um diese Frage hat bereits Tradition und wird nun am Institut für Germanistik aufgegriffen: Im Rahmen des neuen Masterstudiums "Austrian Studies – Cultures, Literatures, Languages", das mit Herbst 2011 startet, soll unter anderem der Begriff des "Österreichischen" reflektiert werden. Der interdisziplinäre und praxisorientierte Studiengang bündelt die Kompetenzen auf dem Gebiet der Österreich-Studien, die an der Universität Wien seit langem gepflegt werden. Wien ist damit auch der erste und vorerst einzige österreichische Standort, der ein solches Studium anbietet.

Seit wann gibt es die "österreichische" Abgrenzung vom "Deutschen"? Welche nationalen oder kulturpolitischen Ziele wurden bzw. werden damit verfolgt oder thematisiert? "Reflexionsfähigkeit ideeller Mythenbildungen und historischer Identitätskonstrukte" lautet demnach auch ein zentrales Ziel des neuen Masterstudiengangs "Austrian Studies".

"Die Frage nach dem 'Österreichischen' in der österreichischen Literatur gibt es seit dem 19. Jahrhundert. Es ist aber kein Faktum, das gelehrt werden soll, sondern vielmehr wollen wir die politische und publizistische Diskursivierung des 'Nationalen' in den Vordergrund stellen", erläutert Konstanze Fliedl vom Institut für Germanistik einen zentralen Aspekt des Studiums.

Kultur, Literatur und Sprachen

"Ursprünglich hat mich der verstorbene Wendelin Schmidt-Dengler mit der Planung eines Studiengangs 'Österreichische Literatur' beauftragt", schildert Konstanze Fliedl die Entstehungsgeschichte des Masterstudiums, den die Germanistin zusammen mit ihrem Kollegen Werner Michler schließlich auf "Austrian Studies – Cultures, Literatures, Languages" ausgeweitet und mit einer interdisziplinär besetzten curricularen Arbeitsgruppe entwickelt hat. Der Schwerpunkt liegt nach wie vor am Institut für Germanistik, doch mit der Einbeziehung anderer Fächer, wie der Geschichte, der Sprachwissenschaft, der Politikwissenschaft, der Vergleichenden Literaturwissenschaft, der Slawistik und der Hungarologie ist der Studiengang nun interdisziplinär ausgerichtet.

Ostwärts blicken

"Viele unserer Studierenden sprechen oder studieren als zweites Fach westeuropäische Sprachen – etwa sind Englisch oder die romanischen Sprachen sehr beliebt –, während deutlich weniger mit osteuropäischen Sprachen vertraut sind. Daher lag uns zumindest ein Einblick in die Sprachen und Kulturen Osteuropas besonders am Herzen", betont Fliedl; das sei für das Verständnis der österreichischen Kulturgeschichte wesentlich. Dementsprechend beinhaltet das Masterstudium ein Modul, das den Studierenden die Möglichkeit gibt, aus dem Angebot der Slawistik oder der Hungarologie zu wählen.

"Auf dem Arbeitsmarkt bedeutet diese Sprachkompetenz eine Schlüsselqualifikation für die AbsolventInnen: Sie können sich mit dem betreffenden Basiswissen in einem zentral- bzw. osteuropäischen Land zumindest verständigen und dort Kontakte knüpfen", meint die Germanistin. Umgekehrt erwarten sich die Organisatoren des Masterstudiengangs auch viele Studierende aus Zentral- bzw. Osteuropa, die nach dem Abschluss in Austrian Studies zurück in ihrem Heimatland Kulturarbeit leisten und dabei mit Österreich in Kontakt bleiben können.

Praxisorientiert

Das neue Masterstudium stellt eine Ergänzung zu dem bereits bestehenden – theoretisch ausgerichteten – Masterstudiengang 'Deutsche Philologie' am Institut für Germanistik dar: Bei den "Austrian Studies" steht der Praxisbezug im Vordergrund. "Neben den Kenntnissen in der österreichischen Sprach,- Literatur- und Kulturgeschichte im europäischen Kontext sollen sich die AbsolventInnen praktische Kompetenzen im Hinblick auf mögliche Berufsfelder – im Kultur,- Verlags- oder Medienbereich – aneignen", so die Organisatorin des Masterstudiengangs.

Deshalb sieht der Studienplan ein Inlandspraktikum vor, wobei Fliedl bereits mit etlichen Archiven und Institutionen die Vermittlung von PraktikantInnen vereinbart hat. "Ein zweiter wichtiger Bestandteil des Studiums stellt das Auslandspraktikum dar. Auch dafür haben wir schon mit einigen österreichischen Bibliotheken im Ausland Kontakte geknüpft", ergänzt Fliedl. Neben der geplanten Finanzierung über das CEEPUS-Programm wird das Auslandspraktikum auch über Stipendien vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung finanziert.

Pionierarbeit

"Wir sind stolz darauf, dass wir die ersten sind, die einen solchen Master anbieten", freut sich Fliedl. Ob und wie die Studierenden mit den Anforderungen des konzentrierten Studiengangs zurechtkommen, wird sich im Rahmen einer Selbstevaluierung herausstellen. Außerdem will das Institut mit den künftigen AbsolventInnen in Kontakt bleiben, um nachvollziehen zu können, wie sich ihnen der Arbeitsmarkt tatsächlich präsentiert und ob das Studium dem Bedarf entsprechend ausgerichtet ist.

Dass GermanistInnen "zu weltfremd" seien, ist eine Aussage, die Fliedl bereits öfters gehört hat: "Mit dem sanften Zwang, dass Studierende der 'Austrian Studies' in andere Studienrichtungen hinein schnuppern, Anfangsgründe einer osteuropäischen Fremdsprache lernen, praktische sowie internationale Erfahrungen sammeln, können wir diese Aussage entkräften." (ps)