Naturvermittlung im Kaunertal

Lehramtsstudierende der Biologie und Umweltkunde absolvieren die Freilandübung "Interdisziplinäre Ökologische Übungen" – diese führt sie ins Kaunertal. Für viele StudentInnen ist es die erste Möglichkeit, ihr Wissen aus den Hörsälen und Übungsräumen in der Natur anzuwenden.

Wieso nach Tirol? "Selten kann man Natur so gut beobachten und begreifen lernen wie im Gebirge, wo die Einflüsse verschiedener Faktoren wie Wind und Schnee, Kälte an Schlechtwettertagen und Hitze an Sonnentagen markant aufeinander treffen, und das Vorkommen der Organismen bestimmen. Außerdem ermöglicht der Standort Kaunertal, dass wir in kürzester Zeit unterschiedliche geologische Einheiten wie das Ötztal-Stubai-Kristallin, das Unterengadiner Fenster oder die Nördlichen Kalkalpen erreichen können", sagt Barbara Gereben-Krenn, verantwortliche Leiterin dieser Lehrveranstaltung.

Zusätzlich sind einige der letzten großräumigen Vergletscherungen zugänglich. Dies macht auch erdwissenschaftliche Zeiträume und Prozesse erfahrbar. "Der Vergleich der Lebensräume in diesen geologisch unterschiedlichen Teilen der Alpen erlaubt es sehr gut aufzuzeigen, wie ökosystemare Zusammenhänge erkannt werden können. Diese zu verstehen, ist für eine kompetente Naturvermittlung essenziell", erläutert die Biologin.

Im Vordergrund Blockgletscher im Riffltal; im Hintergrund Gepatschferner. (Foto: Erich Draganits)

Barbara Gereben-Krenn leitet in diesem Jahr drei Parallelkurse: jede Übung mit einer anderen Gruppe bestehend aus 25 Studierenden und einem wechselnden Team an Lehrenden, aus den Bereichen Geologie (Thomas Griffiths, Erich Draganits und David Heuser), Botanik (Agnes Dellinger, Andreas Berger und David Wedenig) und Zoologie (Barbara-Amina Gereben-Krenn) und einem/r TutorIn (Maria Wielscher und Markus Sehnal). Zu dritt vermitteln die Lehrenden in einem interdisziplinären Rahmen die Geologie und die Biologie der Alpen, aber auch allgemeine Konzepte der teilnehmenden Fachgebiete.

Ein Grasfrosch wurde gefangen. (Foto: Erich Draganits)

"Der Wert dieser Lehrveranstaltung liegt in der enormen Fülle an Wissen, die durch die Vernetzung der Fachdisziplinen zustande kommt. Oft machen die Studierenden im Freiland Beobachtungen – die sofort gemeinsam auf die möglichen Ursachen und Zusammenhänge diskutiert werden können – mit dem Wissen aus einer Fachrichtung allein ließen sich oft nur Teile davon erklären", so Agnes Dellinger.

Nach einführenden Vorlesungen während des Semesters folgt im Juli der achttägige Freilandkurs. Dieser führt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in unterschiedliche Lebensräume wie Trockenrasen, Moore, Lärchen-Zirbenwälder, alpine Wiesen bis hin zu Gletschervorfeldern. Viele Studierende sind zum ersten Mal in den Bergen und können Gletscher, Gletscherhahnenfuß, Tannenhäher und Murmeltier erstmals sehen und beobachten.

Besprechung des Gletscherschliffs mit Gletscherschrammen und Boudinage. (Foto: Markus Sehnal)

"So anschaulich und eindrucksvoll wie im Hochgebirge lässt sich Geologie selten zeigen", sagt Erich Draganits und ergänzt: "Die freigelegten Gesteine, tektonischen Verstellungen, glazialen Moränen, Gletscherschliffe, Blockgletscher und U-Täler machen Landschaftsentstehung und -veränderung erst verständlich. Gleichzeitig bekommt man selten die Auswirkungen des Klimawandels so unmittelbar vor Augen geführt, wie durch die abschmelzenden Gletscher."

Am Weg zur Zunge des Gepatschferners. (Foto: Markus Sehnal)

Dass eine Auseinandersetzung mit anthropogen bedingten Umweltveränderungen für angehende Lehrerinnen und Lehrer wesentlich ist, darin sind sich alle Unterrichtenden einig. Die gemeinsame Zeit im Freiland bietet einen hervorragenden Rahmen, um solche Themen zu diskutieren und in abendlichen Workshops, Gruppenarbeiten und Vorträgen zu wiederholen und zu vertiefen.

Aufsammlung im Gletschervorfeld des Gepatschferners. (Foto: Erich Draganits)

Am Ende jedes Kurses werden von den Studierenden selbst entworfene Projekte durchgeführt. Sie entwickeln in einem angeleiteten wissenschaftlichen Prozess Forschungsfragen, erstellen ein methodisches Konzept, erheben Daten, werten diese aus und schreiben schlussendlich einen wissenschaftlichen Artikel. Diese Kleinprojekte führen die Studierenden in das wissenschaftliche Arbeiten ein.

Das ist eine wesentliche Voraussetzung für die eigene Bachelorarbeit und für die spätere Betreuung der vorwissenschaftlichen Arbeiten in Schulen. Die Studierenden verfassen zahlreiche Protokolle, die sie in einem Portfolio zusammenstellen, welches später in ihrer Tätigkeit als Biologielehrende eine hilfreiche Unterlage für den eigenen Unterricht darstellen wird.

Und zahlt sich all die Anstrengung in den Bergen aus? "Das Resümee einer Studentin: Danke. Einfach nur danke. Das war heuer das schönste Kompliment", rekapituliert Barbara Gereben-Krenn.

Dr. Barbara-Amina Gereben-Krenn vom Department für Integrative Zoologie ist Leiterin der Lehrveranstaltung "Interdisziplinäre Ökologische Übungen", die im Rahmen des Lehramtsstudiums Biologie und Umweltkunde durchgeführt wird. Mag. Dr. Erich Draganits, Privatdoz. vom Department für Geodynamik und Sedimentologie sowie Agnes Dellinger, MSc vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung sind zwei der Lehrenden.