DoktorandInnen – die Zukunft der Universität
| 10. Februar 2012In einem APA-Interview sprach Vizerektorin Weigelin-Schwiedrzik über die Bedeutung der DoktorandInnen für die Universität und die Diskrepanz zwischen Studierenden- und AbsolventInnenzahl auf Ebene des Doktorats. Lesen Sie das Gespräch in uni:view.
Die Universität Wien hat mehr als 10.000 Doktoratsstudierende. International wäre jede Universität stolz auf diese Zahl – sind Sie es auch?
Susanne Weigelin-Schwiedrzik: Nur sehr begrenzt. International ist eine so hohe Zahl absolut unüblich. Das hat mit den juristischen Rahmenbedingungen in Österreich zu tun. Denn jeder, der einen Abschluss auf Master-Ebene hat, hat das Recht, sich in einen Doktoratsstudiengang einzuschreiben. In fast allen Ländern gibt es dagegen Vorauswahlverfahren am Übergang vom Master zum Doktorat.
War das der Grund für die Einführung des "Doktorat Neu" an der Universität Wien im Jahr 2010?
Weigelin-Schwiedrzik: Ja, mittlerweile sind bereits rund 3.800 Studierende im neuen Doktoratsstudium. Dort haben wir eine "Inkubationsphase" von einem Jahr, in der man sich einen Betreuer/eine Betreuerin und ein Thema sucht, dazu ein Exposé erstellt und dieses öffentlich präsentiert. Eine Kommission stellt dann fest, ob BewerberIn, Thema und BetreuerIn zusammenpassen.
Was ist das Ziel dieser Maßnahme?
Weigelin-Schwiedrzik: Viele Studierende haben Schwierigkeiten sich vorzustellen, die Universität zu verlassen. Sie haben noch keinen Job und inskribieren einfach weiter. Mit dem neuen Doktoratsstudium wollen wir den StudentInnen im ersten Jahr eine klare Auskunft darüber geben, ob das Thema für sie stimmt, und auch sicher stellen, dass sie eine adäquate Betreuung haben. Zudem wird eine Doktoratsvereinbarung zwischen dem Studierenden und dem Betreuer abgeschlossen, um die Verbindlichkeit zwischen den beiden zu erhöhen.
Die Universität Wien ordnet ihre DoktorandInnenförderung neu. Wie im Entwicklungsplan vorgesehen, sollen die derzeit bestehenden Initiativkollegs auslaufen. Stattdessen will die Universität ab 2013 verstärkt talentierte DoktorandInnen individuell fördern. Lesen Sie mehr im Artikel "Nachwuchsförderung: Der eigenen Nase nach" |
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Können die zahlreichen berufstätigen DoktoratsstudentInnen solche Anforderungen überhaupt erfüllen?
Weigelin-Schwiedrzik: Wir unterscheiden zwischen den Doktoratsstudierenden, die sich auf eine zukünftige Tätigkeit in der Wissenschaft vorbereiten, und solchen, die das Studium berufsbegleitend machen. Von ersteren erwarten wir, dass sie das gesamte Pensum inklusive der Lehrveranstaltungen innerhalb von drei Jahren absolvieren. Bei jenen, die bereits im Beruf stehen, sind wir bei der Dauer nicht so streng. Wir wollen aber nicht zwei Klassen von Doktoraten haben. Die wissenschaftliche Qualifikation sollte bei jedem Doktoratsstudium im Vordergrund stehen.
Was wir aber aufgrund verstärkter Nachfrage überlegen, sind berufsbegleitende Doktoratsstudien in bestimmten Bereichen, die ein Element der Fort- und Weiterbildung enthalten. Das gilt insbesondere für Lehrende an den Pädagogischen Hochschulen (PH). Hier besteht Nachfrage seitens der PH, damit diese einen akademischen Titel an der Uni erwerben können. Einer solchen Kooperation mit den PH stehen wir offen gegenüber.
Haben Sie eine Erklärung dafür, dass von der großen Zahl an DoktoratsstudentInnen jährlich nur rund 450 Personen ihr Studium abschließen?
Weigelin-Schwiedrzik: Studierende werden durch das Bologna-System dazu verleitet, zu denken, der Bachelor sei die Fortsetzung der Schule, der Master die Fortsetzung des Bachelors und das Doktorat die Fortsetzung des Masterstudiums. Viele haben noch nicht begriffen, dass zwischen Bachelor und Master und zwischen Master und Doktorat ein qualitativer Unterschied besteht. Die Erwartungen der Studierenden an das Doktoratsstudium sind oft ganz anders als unsere. Schließlich sollte ein Doktorand oder eine Doktorandin eine Arbeit schreiben, die besser ist als alles, was der Betreuer oder die Betreuerin schreiben könnte.
Einige Leute hätten durchaus das Potenzial, eine gute Doktorarbeit zu schreiben, schaffen es letztlich aber doch nicht, weil sie zu alleingelassen werden. Das Doktorat ist oft eine sehr einsame Angelegenheit, und es ist schwierig, sich selbst zu organisieren und zu motivieren. Deshalb haben wir das DoktorandInnenzentrum gegründet, wo man Qualifikationen und Kompetenzen nicht nur für die Doktorarbeit, sondern auch für die spätere berufliche Tätigkeit erwerben kann. Wir schaffen damit auch eine Community.
Warum bemühen Sie sich so um die DoktorandInnen?
Weigelin-Schwiedrzik: Die Universität und die Wissenschaft haben in dieser kleinen Gruppe von DoktorandInnen das wertvollste Potenzial für die Zukunft.
(Gespräch: Christian Müller/APA)
Univ.-Prof. Mag. Dr. Susanne Weigelin-Schwiedrzik ist Vizerektorin für Forschung und Nachwuchsförderung.