Die Universität Wien trifft den italienischen Humanismus

Die Universität Wien im 15. Jahrhundert betrachtet der Historiker Martin Wagendorfer im Rahmen der Jubiläumsringvorlesung. Eine Zeit in der eine Bildungsbewegung von enormer Tragweite, der Humanismus, Schritt für Schritt Einzug hält.

Eine Bildungsbewegung von enormer Tragweite

Im 14. Jahrhundert entsteht in Italien eine neue Bildungsbewegung, die enorme Auswirkungen auf die europäische Geistesgeschichte haben wird: der italienische Renaissance-Humanismus. Ausgehend vom namensgebenden antiken Begriff der studia humanitatis streben die Humanisten – zunächst ein sehr kleiner Zirkel von Intellektuellen – auf mehreren Ebenen nach Wiederbelebung der Antike: durch die Suche nach verloren geglaubten oder bisher nur teilweise oder schlecht überlieferten antiken Texten, durch die Wiederbelebung der klassischen Latinität sowie durch die – vermeintliche – Wiedereinführung der antiken Schrift.

Auf diese Weise wollen die Humanisten das "finstere", zwischen ihnen und der Antike stehende Mittelalter überwinden und an das als Vorbild gesehene klassische Altertum anknüpfen. In diesem Zusammenhang entstehen mit dem ("humanistischen") Gymnasium und mit den Akademien auch Institutionen, die wir noch heute pflegen und die unser Leben, insbesondere auch als Wissenschafter, prägen.

Rezeption in Europa

Der Humanismus entwickelt schon bald große Anziehungskraft unter den Intellektuellen und breitet sich im Laufe des 15. Jahrhunderts im übrigen Europa aus, darunter zunächst vor allem auch nördlich der Alpen im deutschen Sprachraum. Auf welche Art und Weise geschieht dies? Im Wesentlichen auf zwei Wegen.

Zum einen durch den Transfer von Texten und Büchern, die aus verschiedenen Anlässen – etwa im Rahmen der großen Konzilien von Konstanz 1414 bis 1418 und Basel 1431 bis 1449 – die Alpen überqueren; zum anderen durch die Migration von Italienern nach Norden, die einschlägiges Gedankengut transportieren und nördlich der Alpen verbreiten, oder umgekehrt von Nicht-Italienern, die aus verschiedenen Gründen nach Italien reisen, hier mit der Kultur des Humanismus in Berührung kommen und ihn bei ihrer Rückkehr im nordalpinen Raum propagieren. Es versteht sich von selbst, dass hierbei die Studenten und Universitätsprofessoren eine wichtige Rolle spielen, handelt es sich bei ihnen doch einerseits um eine sehr mobile, andererseits auch intellektuell prädestinierte Gruppe für diese Vorgänge.


Die Universität Wien feiert 2015 ihr 650-Jahre-Jubiläum. Im Wintersemester widmet sich eine eigene Ringvorlesung der Geschichte der ältesten Universität im deutschsprachigen Raum: "Die Wiener Universität 1365-2015. Tradition als Innovation und Ort der Begegnung" LV-LeiterInnen: Marianne Klemun und Martin Scheutz.
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Der Humanismus in Österreich und die Universität Wien im 15. Jahrhundert

Gemeinhin wird der Beginn des Humanismus im deutschsprachigen Raum und insbesondere in Österreich mit einem Mann verbunden, der eine der ganz großen Gestalten des italienischen Humanismus darstellt und als einer der größten Kommunikatoren seiner Zeit gilt: Eneas Silvius Piccolomini (1405-1464), Rat und Berater Kaiser Friedrichs III. und ab 1458 als Pius II. auf dem Stuhl Petri. Tatsächlich spielt Piccolomini als "Apostel des Humanismus" nicht nur eine Schlüsselrolle bei der Rezeption des Humanismus nördlich der Alpen, sondern markiert zugleich auch den teils problematischen Kontakt der Humanisten mit der durch und durch scholastischen Alma Mater Rudolphina, die Piccolomini in einer ausführlichen Schilderung aus Sicht eines Humanisten wenig schmeichelhaft geschildert hat.

In der Tat kommt es vor dem Ende des 15. Jahrhunderts zu keiner institutionellen Einbindung des Humanismus in die Wiener Universität, sehr wohl aber verbreitet sich einschlägiges Gedankengut bei Studenten und Professoren der Universität und dringt langsam auch in den hiesigen Lehrbetrieb ein.

Humanisten und Humanismus an der Universität – Methoden der Forschung

Der eben genannte Umstand wirft für den Historiker methodische Probleme auf, die im Rahmen der Vorlesung aufgezeigt und exemplarisch erläutert werden sollen. Wie kann man überhaupt den Einfluss des Humanismus an der Universität Wien fassen, wenn er nicht institutionalisiert wurde? Über welche Quellen verfügen wir und welche Möglichkeiten bietet ihre Auswertung? Welche Kreise an der Universität waren dem Humanismus aufgeschlossen? Diese und andere Fragen gilt es zu stellen und anhand einschlägigen Quellenmaterials zu beantworten.

Der Historiker Martin Wagendorfer, der an der Universität Wien habilitierte, ist derzeit Mitarbeiter an der Monumenta Germaniae Historica in München.