Die Jesuiten und die Universität in der Frühen Neuzeit

Der folgende Gastbeitrag aus der Reihe "Jubiläumsringvorlesung" widmet sich abermals der frühneuzeitlichen Entwicklung der Universität Wien, dieses Mal im Sinne einer kunst- und architekturhistorischen Analyse.

Verschmelzung von Universität und Collegium der Gesellschaft Jesu in den 1620er Jahren

Mit der im Jahr 1624 erfolgten Grundsteinlegung zum Bau des "Collegium Academicum Viennense" begann man der institutionellen Verschmelzung der Universität und des Ordenskollegs der Gesellschaft Jesu, wie sie in der Sanctio Pragmatica des Ferdinand II. 1623 festgeschrieben wurde, baulich zu entsprechen. Der institutionelle Typus des jesuitischen Collegiums war für diese Vorgehensweise prädestiniert, da er neben der Residenz der Ordensangehörigen immer auch über eine Schule für die "Studia Inferiora", mehrfach aber auch für die "Studia Superiora" (wie in Wien) verfügte.

Aus der Wiener Planungsphase des Baus haben sich drei – unvollkommene – Plansätze erhalten, die sehr anschaulich die Suche nach der idealen räumlichen Konzeption von Kirche, Residenz und Schule zu erkennen geben. Der Vergleich von Stadtplänen vor bzw. nach der Implantierung des Collegiums in das noch mittelalterlich strukturierte Stubenviertel macht auch die Radikalität des stadträumlichen Eingriffs – und mithin die dahinter stehenden landesfürstlichen Interessen – deutlich. Die Anlage eines Platzes – heute: Dr. Ignaz Seipel-Platz – hatte oberste Priorität, um Kirche und Universität einen entsprechend würdigen und repräsentativen Zugang zu sichern. Die Ikonographie der Kirchenfassade beinhaltet – über die Ordens- und Universitätsheiligen hinaus – einen offensiv religionspolitischen Anspruch, der auch im universitätsgeschichtlichen Kontext zu lesen ist.

Die neue Aula als baulicher Ausdruck des mariatheresianischen Paradigmenwechsels

Nachdem sich in der Folgezeit von etwa 120 Jahren die theologische und philosophische Ausbildung fest in Händen der Gesellschaft Jesu befand, wurde unter Maria Theresia eine von neuen Parametern geleitete Ausbildungspolitik entwickelt, die wesentlich von der Herauslösung der universitären Bildung aus den geistlich-klerikalen Klammern bestimmt war. Baulich manifestierte sich diese Entwicklung an der Planung und Errichtung einer neuen Universität in den Jahren 1753-56 nach den Entwürfen des lothringischen Hofarchitekten Jean Nicolas de Jadot (heute beherbergt das Gebäude die Österreichische Akademie der Wissenschaften).



Die Universität Wien feiert 2015 ihr 650-Jahre-Jubiläum. Im Wintersemester widmet sich eine eigene Ringvorlesung der Geschichte der ältesten Universität im deutschsprachigen Raum: "Die Wiener Universität 1365-2015. Tradition als Innovation und Ort der Begegnung" LV-LeiterInnen: Marianne Klemun und Martin Scheutz.
Termine



Der Bau war ursprünglich Teil eines unrealisiert gebliebenen Campus-Projektes, weshalb sich seine spätbarocke, zum Platz hin ausgerichtete Hauptfassade in der Struktur sehr subtil an die älteren Architekturen des Platzes anpasst. Eine Kette von formalen und inhaltlichen Verknüpfungen ermöglicht einerseits eine harmonische Koexistenz von stilgeschichtlich extrem heterogenen Baukörpern auf engstem Raum, sie ermöglicht eine vom Architekten Jean Nicolas Jadot angestrebte und meisterhaft erreichte Grundkommunikation der Platzwände und damit ein ästhetisch verbindliches Fundament für die angestrebte Lösung. Andererseits dienen maßgebliche Glieder der Kette dazu, Gegensätze zu verdeutlichen und in diesem Sinn den angesprochenen ideologischen Wechsel zu dokumentieren. So ist es ein Anliegen des Neubaus, das strenge jesuitisch-gegenreformatorische Bezugssystem, das den Platz gebunden hat, aufzubrechen. Eine dem Neubau immanente Eigenschaft ist es, den Platz zu entauratisieren und ihn ideologisch neu zu gewichten.

Die Analyse des Baus und seiner erhalten gebliebenen Bildquellen legt offen, in welchem Ausmaß der bildungspolitische Paradigmenwechsel unter Maria Theresia in die Architektur, in seine stadträumliche Ausrichtung und in seine Ausstattung eingespiegelt wurde. Dieser Wechsel korreliert auch mit den weitreichenden, von der Aufklärung geleiteten Änderungen im Verständnis von den Wissenschaften, von deren Bedeutung und Funktion. Exemplarisch lässt sich die neue Sichtweise im Deckenfresko des Gregorio Guglielmi ablesen, das den großen Festsaal der neuen Universität mit einer Darstellung der vier Fakultäten überspannt.

Univ. Doz. Dr. Herbert Karner ist als Senior Researcher am IKM (Institut für kunst- und musikhistorische Forschungen) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien tätig.