Zum Nachlesen: "Christentum als Projekt eines Neuen Humanismus"

Am Donnerstag, 12. Juni 2012, hielt Kurt Appel seine Antrittsvorlesung im vollbesetzten Kleinen Festsaal. Dabei bezog sich der neue Professor auf die beiden Schöpfungsberichte der Bibel, Hegels "Phänomenologie des Geistes" und Robert Musils "Mann ohne Eigenschaften".

Kurt Appel ist seit Oktober 2011 Professor für Theologische Grundlagenforschung (Fundamentaltheologie) an der Katholisch-Theologischen Fakultät. Im Zentrum seiner Ausführungen im Rahmen der Antrittsvorlesung stand die These, dass ein "Neuer Humanismus" untrennbar mit einem Blick für die Verletzlichkeit und Kontingenz des Lebendigen als Ort der  Begegnung Gottes verbunden ist, die Kurt Appel auf genuine Weise in diesen Schriften thematisiert sieht.

Eine Wahrnehmung dafür freizulegen sei spezielle Aufgabe der Religion und ganz besonders des Christentums. Der 43-jährige gebürtige Tullner, der außer in Wien auch in Mailand lehrt, führte im Folgenden aus, dass menschliche Existenz bis in ihren innersten körperlichen Ausdruck eine Sphäre absoluter Berührbarkeit und Empfindsamkeit aufbaut, die Verweis auf die transzendente Dimension des Menschen ist. Diese ist heute bedroht durch einen positivistischen Zugriff auf unsere Welt, vor allem aber durch die allgegenwärtigen narzisstischen Selbstprojektionen des Menschen und die Virtualisierungen aller Lebensbereiche, die sich dadurch zum Ausdruck bringen, dass an die Stelle des verletzbaren und berührbaren Leibs ein virtueller Körper tritt, der hermetisch abgeschieden ist von seiner Mitwelt. Einher mit dem Verlust einer Erfahrung der transzendenten Dimension des menschlichen Leibes geht eine Zeiterfahrung, in der Zeit entweder ein Zulaufen auf ein alles annihilierendes Nichts bedeutet oder in virtueller Richtungslosigkeit endet.

Dagegen setzte Kurt Appel eine Zeit- und Geschichtskonzeption, in der die Zeit als eine Art "zweite Haut" des Menschen im Sinne eines Geflechts vergangener und zukünftiger Verletzungen, Berührungen und Berührungsmöglichkeiten durch den Anderen verstanden wird. Eine besondere Ausdrucksform dieser "Haut" bildet dabei die Bibel, die gewissermaßen als kollektiver sensibler Körper der Menschheitsgeschichte betrachtet werden kann, deren letzte Dimension das Fest des "siebenten Tags" ist, in der die Verletzbarkeit und Berührbarkeit des Menschen als Bedingung der Möglichkeit von Gottesbegegnung gefeiert wird.

Die Aufzeichnung der Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. MMMag. DDr. Kurt Appel steht in wenigen Tagen unter "Webstreams" zum Nachsehen bereit.