Veronika Somoza: Die Chemie des Alltags

"Kaffee schmeckt gut, ist aber leider nicht gut für mich": Wer diese Ansicht teilt, sollte sich den Montag, 14. November 2011, 18 Uhr in den Terminkalender eintragen, um der Antrittsvorlesung von Veronika Somoza – Professorin für Biofunktionalität von Lebensmitteln – zu lauschen. Unter dem Titel "Die Tasse Kaffee am Morgen: Ein gesunder Muntermacher?" will sie dem Publikum ihre zum Teil sehr angewandte Forschung näher bringen und zeigen, dass Kaffee – sofern er "richtig" verarbeitet wurde – sehr wohl gesund sein kann.

Einen Liter Kaffee trinkt Veronika Somoza täglich. "Aber entkoffeiniert und sehr dünn", schmunzelt die Wissenschafterin. Ihre Liebe zum Kaffee ist aber nicht der Grund, warum dieses Getränk im Mittelpunkt ihrer Forschung steht: "Ausschlaggebend war mein wissenschaftliches Interesse: Am Beispiel von Kaffee lässt sich sehr gut zeigen, dass die technologische Verarbeitung den Gesundheitswert eines Lebensmittels beeinflussen kann."

Dunkle Röstungen bevorzugt

Bei Kaffee ist vor allem die Röstung ausschlaggebend. Die Ernährungswissenschafterin hat das "schwarze Gold" in vielfältiger Hinsicht untersucht und dabei gemeinsam mit Thomas Hofmann von der Technischen Universität München, die Verbindung N-Methylpyridinium (NMP) identifiziert: diese wirkt einerseits antioxidativ – gegen die schädlichen freien Radikale im Organismus – und sorgt andererseits dafür, dass die Magensäuresekretion nach dem Kaffeekonsum weniger stark beeinflusst wird. "In dunklen Röstungen ist diese Verbindung erhöht: Denn nur bei starker Temperatureinwirkung wird das im Kaffee enthaltene Trigonellin in N-Methylpyridinium (NMP) umgewandelt", erklärt die Vorständin des Instituts für Ernährungsphysiologie und Physiologische Chemie. "Wir haben gezeigt, dass Kaffee mit viel NMP – und wenig Koffein – zu einer verringerten Magensäureproduktion führt. Dunkle Röstungen – wie French Roast – sollten folglich bekömmlicher sein."

Angewandt und grundlegend

Am Beispiel von Kaffee zeigt sich auch, wie gut sich angewandte Forschung mit Grundlagenforschung verbinden lässt. Ausgehend von dem fertigen Lebensmittel hat sich Somoza grundlegende Mechanismen – wie Genregulation, Protonensegregation, Signaltransduktion –, die durch Kaffee beeinflusst werden und in die Magensäuresekretion involviert sind, angeschaut: "Basierend auf diesem Wissen wurde in den USA bereits ein Produkt auf den Markt gebracht", freut sich die Lebensmittelchemikerin, die seit kurzem im neuen Christian-Doppler-Labor für Bioaktive Aromastoffe am Institut für Ernährungsphysiologie und Physiologische Chemie das ideale Förderinstrument gefunden hat, um ihre Grundlagenforschung mit angewandter Forschung zu verbinden: Seit 1. September 2011 ist sie Laborleiterin und untersucht – in Kooperation mit Privatunternehmen – die Bioaktivität von Aromastoffen.

Übersetzung der Chemie


Insgesamt hat sich Professorin zum Ziel gesetzt, den Ruf von verarbeiteten Lebensmitteln in der Öffentlichkeit zu verbessern. "Durch die Verarbeitung werden diese ja oftmals erst genießbar", betont sie, und gibt ein Beispiel: "Auch die Kartoffel muss ich kochen, bevor ich sie essen kann." Die Lebensmittelverarbeitung beginnt somit nicht im Industriebetrieb, sondern in jedem Haushalt: mit dem Waschen, Schälen und Schneiden von Gemüse.

"Die Erhitzung von Lebensmitteln – in jedem Haushalt tagtäglich durchgeführt – ist ein großes Thema bei uns und zeigt, wie nah wir an den KonsumentInnen sind", ergänzt die Forscherin. "Ich will den Menschen die Angst vor der Chemie nehmen. Das kann aber nur über Information und die Übersetzung der Chemie in eine Alltagssprache passieren." Kaffee sei dafür gut geeignet: Schließlich handelt es sich beim Kaffeekochen auch um einen chemischen Vorgang – die Wasserextraktion.

Altbekanntes schmeckt meist besser

Doch nicht alles dreht sich um den schwarzen Muntermacher: "Wir arbeiten auch mit Wein, Bier und Tee. Etwa ist es einer Doktorandin gelungen, jenen Stoff im Salbeitee zu identifizieren, der entzündungshemmend auf das Zahnfleisch wirkt." Ihre Essensvorlieben sieht Somoza von ihrer Forschung nicht beeinflusst: "Ernährungsgewohnheiten bleiben selbst über einen längeren Zeitraum hinweg meist relativ unverändert: Auch auf einem anderen Kontinent sucht man stets nach bereits bekannten Produkten", so die Forscherin aus eigener Erfahrung.

Wien als ideales Forschungsumfeld

Die gebürtige Braunschweigerin hat ihr Elternhaus mit 19 Jahren zu Studienzwecken verlassen und lebte seitdem in Deutschland, Österreich und den USA, um schließlich wieder nach Österreich zurückzukehren. "Ich war glücklich, als 2009 der Ruf nach Wien kam. Hier ist das wissenschaftliche Umfeld – mit der Verknüpfung von Chemie und Lebenswissenschaften – ideal und wesentlich besser als in den USA, wo Lebensmittelchemie gar nicht gelehrt wird." An der University of Wisconsin hat die Wissenschafterin deshalb in der Disziplin 'Food Science' unterrichtet. In Wien – Somoza hat 1995 hier promoviert – hat sich die Forscherin mittlerweile wieder gut eingelebt: "Nach zwei Jahren staune ich aber immer noch, wie viel sich in den letzten Jahren an der Universität Wien getan hat und wie innovativ sie heute ist." Das Institut für Ernährungsphysiologie und Physiologische Chemie, dem Veronika Somoza vorsteht, wurde im Jänner 2011 ins Leben gerufen. (ps)

Univ.-Prof. Mag. Dr. Veronika Somoza, Vorständin des Instituts für Ernährungsphysiologie und Physiologische Chemie, hält am Montag, 14. November 2011 um 18 Uhr im Großen Festsaal ihre Antrittsvorlesung zum Thema "Die Tasse Kaffee am Morgen: Ein gesunder Muntermacher?".