Torsten Möller: Ein neues Werkzeug für alle Wissenschaften

Ob Astronomie, Medizin oder Wirtschaft: "Die einen brauchen Modelle, um die Sternentstehung nachzuzeichnen – die anderen, um die Entwicklung der Finanzmärkte vorherzusagen." Wie die visuelle Datenanalyse dabei helfen kann, beschäftigt Torsten Möller, Professor an der Fakultät für Informatik.

Torsten Möller braucht immer etwa drei Jahre, bis er sich an einem neuen Wohnort so richtig eingelebt hat. Seit 2013 ist er Professor an der Universität Wien und lernt immer noch neue Leute kennen. Das Einleben dauert aber auch deshalb so lang, weil sich das österreichische Hochschulsystem doch um einiges stärker vom nordamerikanischen unterscheidet, als der Informatiker es sich erwartet hat. "Dass es so grundlegend anders ist – die Lehre, der Umgang mit Studierenden und die Administration – das hat mich doch überrascht. Aber eben anders und nicht besser oder schlechter", betont Torsten Möller, der als Professor für Visualisation an der Fakultät für Informatik forscht und lehrt.

Vorher war der gebürtige Deutsche dreizehn Jahre lang an der Simon Fraser University in Kanada. "Eigentlich wollte ich nach meinem Studium nur für ein Jahr in die USA gehen – daraus sind dann sechs geworden – und am Ende war das Jobangebot aus Kanada da", schmunzelt er rückblickend.



Torsten Möller wurde 1972 in Friedrichroda, Thüringen, in der ehemaligen DDR geboren. Schon als Kind hat sich der spätere Informatik-Professor für Zahlen interessiert und dementsprechend groß war die Freude am ersten Schultag. (Foto: Privat)



"Junge" Informatik trifft "alte" Geisteswissenschaften

Weil die ausgeschriebene Professur "wie für ihn gemacht war", und Wien ihn noch dazu näher an seine Verwandtschaft bringen würde, hat sich Möller für die Universität Wien entschieden. "Und weil Wien Vancouver den Rang als Stadt mit der höchsten Lebensqualität abgelaufen hat", scherzt er. Ein Grund waren aber auch die guten Beziehungen zu Wiener KollegInnen – u.a. an der TU, wo Möller sein Forschungs-Sabbatical verbracht hat, und am VRVis, dem Zentrum für Virtual Reality und Visualisierung in Wien.

"Die Universität Wien reizte mich v.a. deshalb, weil die Informatik hier noch sehr jung ist: Es gibt viel Potenzial, neue Sachen zu entwickeln und zu definieren", so der Professor. Auf der anderen Seite biete die Universität Wien aufgrund ihrer Vielfalt die Möglichkeit, eng mit vielen anderen Disziplinen zusammenzuarbeiten. "Dabei imponiert mir hier vor allem die Stärke der Geisteswissenschaften – immerhin ist Visualisierung auch 'Kopfsache'".

Informatik zum Anschauen

Die visuelle Seite der Informatik hat Möller in den USA kennengelernt. "Nach dem Studium der Mathematischen Informatik an der Humboldt Universität hat sich für mich an der Ohio State eine komplett neue Welt aufgetan", erzählt der Informatiker, der anfangs eigentlich Mathematik studieren wollte und dann per Zufall – aber auch, weil es ihm Spaß machte – in die Informatik "hineingerutscht" ist. "Die Ohio State hat eine große Tradition im Bereich Computergrafik, und ich habe damals viele interessante Leute aus dem Entertainmentbereich kennen gelernt." Neben diesem künstlerischen Aspekt hat sich Möller für spezielle visuelle Anwendungen im medizinischen Bereich interessiert. "Da hab ich mich dann richtig reingefuchst!"



"Es war eine der ersten Schulen, die Informatik-Unterricht anbot", erinnert sich Möller, der in Erfurt die Spezialschule für mathematisch-naturwissenschaftlich-technische Richtung besuchte. Bei Mathe-Olympiaden (im Bild, 2.v.l.) löste er knifflige Geometrieaufgaben und lernte früh das Spezialgebiet der Numerik und Computerdarstellung kennen.



Ein Werkzeug bauen, um die Wissenschaft voranzutreiben

Was aber sind die großen Herausforderungen in der Visualisierung? Und ist Informatik überhaupt eine Wissenschaft? Diese Fragen haben Möller lange Zeit begleitet, bis er zu dem Schluss gekommen ist: "Ich möchte ein Werkzeug bauen, um die Wissenschaft voranzutreiben – vergleichbar mit dem allerersten Teleskop." Es soll ein Instrument sein, das den Umgang mit Simulationen verbessert und den Bau von Computermodellen vereinfacht. "Im Zeitalter von Computational Science können wir anhand unglaublicher Datenmengen neue Szenarien durchrechnen und Fragen an die Zukunft stellen. Zum Beispiel: Wie wird sich das Klima in zehn Jahren verändern?"

Im Moment sind solche Simulationen noch sehr mühsam – sie hängen von vielen Parametern ab. "Ich versuche über die verschiedenen Wissenschaften hinweg zu verstehen, was die Gemeinsamkeiten der Modelle sind bzw. wie die Leute diese nutzen. Und wie ich als Visualisierer ein Tool für verschiedene Forschungsbereiche entwickeln kann, um Modelle schnell und effektiv zu erstellen", erklärt Möller, der im Moment u.a. mit der Astronomie und den Wirtschaftswissenschaften an der Universität Wien zusammenarbeitet: "Die einen brauchen Modelle, um die Sternentstehung nachzuzeichnen – die anderen, um die Entwicklung der Finanzmärkte vorherzusagen." Auch GeisteswissenschafterInnen gehen immer mehr dazu über, datenbasierend zu arbeiten – Stichwort Digital Humanities. "Diese Entwicklung finde ich besonders spannend", so der Informatiker.



Die private Leidenschaft des Informatikers ist die Musik. Während er in seiner Zeit als Radio-DJ in Vancouver (Bild) vor allem durch seine Kombinationen von Indirock, Electronic und Folk bekannt war, macht ihm heute auch klassische Musik Spaß. "Eine Bekannte von mir ist Komponistin. Sie hat es sogar geschafft, mich für die Oper zu begeistern", schmunzelt der Professor. (Foto: Privat)



Data Science und "Data-ism"

Modelle sind aber nicht nur wesentlicher Teil des wissenschaftlichen Prozesses, sondern auch für kommerzielle oder gesellschaftliche Fragestellungen interessant. "Man braucht sie, um aus riesigen Datenmengen relevante Informationen zu gewinnen", bringt es Möller auf den Punkt. In vielen Bereichen werden Daten immer schneller und in größeren Mengen produziert. "Daher wird Data Science in den nächsten Jahren immer wichtiger werden", betont der Professor.

Auch die Zukunft der Universität Wien sieht Möller "datenbasiert": In Hinblick auf Lehre, Forschung und Administration sollen Entscheidungen durch "Data-ism" erleichtert werden. "Anhand von Modellen, die auf historischen Daten basieren, könnten EntscheidungsträgerInnen die Folgen ihres Handelns besser vorhersagen", meint Möller, dem es vor allem Freude bereitet, mit den verschiedenen WissenschafterInnen, Studierenden und MitarbeiterInnen an konkreten Fragestellungen zu arbeiteten. "Man spürt die Leidenschaft und das fasziniert mich!" (ps)

Univ.-Prof. Torsten Möller, PhD, Vizedekan der Fakultät für Informatik und Leiter der Forschungsgruppe Visualization and Data Analysis hält am 4. Mai 2015 im Großen Festsaal der Universität Wien um 17 Uhr seine Antrittsvorlesung zum Thema "Visual Data Science: Improving Science Through Visual Reasoning" gemeinsam mit Univ.-Prof. Dipl.-Math. Dr. Peter Reichl (zum Porträt), der seine Antrittsvorlesung zum Thema "Quo vadis, digitale Welt? Plädoyer für eine Anti-Kopernikanische Wende in der IKT" hält.