Thomas Pichler: Kreative Lösungsansätze in der Quantenphysik von Festkörpern
| 24. November 2010Als Thomas Pichler im Februar 2008 seine Professur für Quanten und Festkörper an der Fakultät für Physik antrat, kam er an einen für ihn vertrauten Ort zurück: Vor siebzehn Jahren hat der Physiker seine akademische Laufbahn an der Universität Wien begonnen. Am Mittwoch, 1. Dezember 2010, hält er im Christian-Doppler-Hörsaal der Fakultät für Physik seine Antrittsvorlesung zum Thema "Faszination Kohlenstoffnanostruktur von Graphen und Nanoröhren".
Ungewöhnliche Lösungen für Fragestellungen zu finden, hat Thomas Pichler schon immer interessiert. In der Physik kann er dieser Leidenschaft nachgehen: "Die Entwicklung von neuen Ideen und Tricks ist oft die Voraussetzung zur Problemlösung. Wer Experimente ausschließlich streng nach Vorschrift durchführt, entdeckt nichts Neues."
Zurück an der Fakultät für Physik
Thomas Pichler, der nach seiner Promotion 1993 als Vertragsassistent und Projektmitarbeiter am Institut für Festkörperphysik arbeitete und 2002 am Institut für Materialphysik habilitierte, war von 2002 bis 2008 Leiter der Arbeitsgruppe "Molekulare Nanostrukturen" am Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung in Dresden. Die Rückkehr nach Wien hatte für den gebürtigen Klagenfurter mehrere Gründe: "Natürlich ist es spannend, eine eigene Arbeitsgruppe aufbauen zu können. Zudem hat die Fakultät für Physik einen exzellenten Ruf - auch international. Hier arbeiten hervorragende WissenschafterInnen, dadurch ergeben sich gute Kooperations- und auch Diskussionsmöglichkeiten."
Von der Festkörperphysik ...
In seiner Forschung beschäftigt sich Thomas Pichler mit Festkörpern, das heißt mit Materie in einem festen Aggregatzustand. Sein Untersuchungsobjekt ist dabei kleinste Materie, beispielsweise Nanoröhren, Graphen sowie Moleküle aus Kohlenstoffatomen - sogenannte Fullerene.
Dabei verknüpft der 44-Jährige nicht nur unterschiedliche experimentelle Methoden, sondern stellt auch selbst Proben dieser niederdimensionalen Quantenfestkörper und molekularen Nanostrukturen her, die er im Anschluss analysiert: "Wir schauen uns an, welche Eigenschaften die Proben haben und wie wir diese kontrolliert verändern können. Mögliche Fragestellungen sind beispielsweise: 'Wie ändern sich die Wechselwirkungen, wenn man Fullerene-Bälle in Nanoröhren einschließt?' oder 'Was passiert, wenn man eine dreidimensionale Materie auf eine oder zwei Dimensionen einschränkt?'", so der neue Professor: "Das ist auch für die Studierenden im Rahmen von Praktikumsversuchen zu aktuellen Fragestellungen eine spannende Angelegenheit."
... zu Laptop-Akkus
Erklärtes Ziel ist das grundlegende Verständnis der mechanischen, elektronischen und optischen Eigenschaften in Hinblick auf moderne Werkstoffe, die ein breites Anwendungsspektrum bieten. "Nanoröhren können zum Beispiel in Kleidung genutzt werden, die zugleich ultraleicht, ultrahart und flexibel sein soll. Durch ihre gute Leitfähigkeit und hohe optische Transparenz kommen Graphen und Nanoröhren auch als transparente Elektroden z.B. in organischen Leuchtdioden, Flachbildschirmen oder elektronischem Papier zum Einsatz", schildert Thomas Pichler die zahlreichen Einsatzmöglichkeiten.
In der Nanoelektronik sei es das langfristige Ziel, neue Materialien auszutesten und eine mögliche "Allcarbon"-Nanoelektronik mit Graphen und Nanoröhren zu etablieren. Aktuell konnten erste Bauelemente und Prototypen mit herausragenden Eigenschaften realisiert werden. "Auch in Li-Ionen Akkumulatoren, die beispielsweise in Laptops vorkommen, werden bereits Nanoröhren zur Verlängerung der Akkuleistung genutzt. In der Biologie und Medizin werden die Materialien durch ihre spezielle Struktur und Sensoreigenschaften zudem als Drug delivery und 'Tracer' verwendet", so der Physiker weiter.
Ungewöhnliche Lösungen
An seiner Arbeit fasziniert den Wissenschafter vor allem das Schaffen neuer Zusammenhänge: "Am besten sind während eines Versuchs die so genannten Aha-Erlebnisse. Richtig interessant wird es erst, wenn etwas entsteht, mit dem man nicht gerechnet hat und das zunächst einmal nicht nachvollziehbar oder verständlich ist. Da müssen dann wieder kreative Lösungsansätze gefunden werden."
Dazu gehört für Thomas Pichler nicht nur der Untersuchungsgegenstand selbst, sondern auch die Geräte, mit denen er arbeitet: "Wir sind stets bemüht unsere Geräte weiterzuentwickeln. Manchmal muss man verrückt klingende Sachen ausprobieren, um eine funktionierende und weltweit einzigartige Maschine zu erschaffen. Bevor man Geld für teure Geräte ausgibt - lieber ein bisschen basteln." (mw)
Die Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Mag. Dr. Thomas Pichler von der Gruppe Elektronische Materialeigenschaften an der Fakultät für Physik zum Thema "Faszination Kohlenstoffnanostruktur von Graphen und Nanoröhren: von superharten Materialien mit Quantenkorrelationen bei Raumtemperatur und goldener Kohle mit Supraleitung zu Anwendungen in der Sensorik, Batterietechnologie, Nanoelektronik, Nanophotonik und Nanomedizin" findet am Mittwoch, den 1. Dezember 2010 um 17.30 Uhr im Christian-Doppler-Hörsaal der Fakultät für Physik statt.