Thierry Langer: Mit maßgeschneiderten Molekülen zu neuen Medikamenten

Der pharmazeutische Chemiker Thierry Langer erforscht Arzneimittelwirkstoffe, genau: kleine organische Moleküle, die an Proteine im menschlichen Körper binden. Mit vielfältigen Erfahrungen im Gepäck kehrte er im Oktober 2013 von Straßburg an seine Alma Mater, die Universität Wien, zurück.

Vielleicht hat der Großonkel, ein Apotheker, sein Scherflein dazu beigetragen. Ganz sicher aber war es das Interesse für Computer, das Thierry Langer in den 80er Jahren zur Pharmazie brachte. "Der Zusammenhang ist vielleicht nicht gleich ersichtlich. Aber in den 80er Jahren begann man damit, Computer in der Wirkstoffforschung einzusetzen. Darüber habe ich gelesen und war sofort begeistert", erzählt er. Das Interesse hat gehalten: Seit Oktober 2013 ist Langer Professor für Pharmazeutische Chemie an der Fakultät für Lebenswissenschaften.

Obwohl er die letzten 20 Jahre lang nicht in Wien gelebt hat, ist er hier alles andere als ein Unbekannter: Mit dem Studium der Pharmazie an der Universität Wien begann seine wissenschaftliche Karriere. Er empfindet es daher als besonders schön, wieder zurück zu sein: "Die Stadt ist dynamisch, auch wissenschaftlich tut sich sehr viel. Meine KollegInnen sind fantastisch, das gesamte Pharmazie-Zentrum ist stark und in der Fakultät für Lebenswissenschaften sehr gut aufgehoben." Es ist ein traditionsreiches Department, an das Langer vor wenigen Monaten zurückkehrte: Der erste Lehrstuhl für Pharmazeutische Chemie an der Universität Wien wurde vor 100 Jahren gegründet.


100 Jahre Pharmazeutische Chemie an der Universität Wien: Anlässlich dieses Jubiläums feiert das Department für Pharmazeutische Chemie am 27. Jänner 2013 im Großen Festsaal der Universität Wien. Der bekannte Pharmakochemiker Hugo Kubinyi (BASF und Professor Universität Heidelberg, i.R.) macht sich in seinem Festvortrag "Gedanken zu wissenschaftlichen Entdeckungen". Die neuen Professoren Manfred Ogris und Thierry Langer werden in diesem Rahmen ihre Antrittsvorlesungen halten.
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Von der akademischen Welt in die Industrie und zurück


Nach seiner Dissertation am Institut für Pharmazeutische Chemie der Universität Wien ging Langer – der sich selbst als "halben Belgier, halben Österreicher mit Muttersprache Französisch" beschreibt – zunächst an die Université Louis Pasteur in Strasbourg, Frankreich. Mit dem Ortswechsel orientierte er sich auch wissenschaftlich neu und widmete sich ganz dem computergestützten Design von Arzneimittelwirkstoffen. Diese Forschung setzte er ab 1992 an der Universität Innsbruck fort und gründete dort später mit Kollegen die "Inte:Ligand Software-Development and Consulting Gmbh": In Zusammenarbeit mit Informatikern entwickelte Langer in diesem Rahmen innovative Software und beriet Pharmaunternehmen.

2008 erhielt er das Angebot, das Unternehmen "Prestwick Chemical" zu führen. Er entschied sich dafür und arbeitete in den vergangenen sechs Jahren in Frankreich. Der akademischen Welt hat er aber nie ganz den Rücken gekehrt: "Ich habe stets verfolgt, was sich in Österreich abspielt. Ausschlaggebend für meine Rückkehr war aber letztendlich auch, dass ich den Kontakt zu Studierenden sehr zu vermissen begann", so Langer.

"Als Professor muss man für die Studierenden zugänglich sein"


Dass ihm der Austausch mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs am Herzen liegt, sieht man auch daran, dass er in den Jahren, in denen er als Geschäftsführer tätig war, fast jede Einladung zu Gastvorträgen oder Sommerschulen angenommen hat. Als neuer Professor hat er nun ein offenes Ohr für die Anliegen und Ideen der Studierenden und legt Wert darauf, begeisterten JungwissenschafterInnen Chancen zu eröffnen. Langer meint dazu: "Einer der schönsten Aspekte dieses Berufs liegt darin, dass man einen positiven Einfluss auf den Werdegang der Studierenden haben kann."

Maßgeschneiderte Moleküle

Zurück zur Forschung. Was sein Forschungsfeld auszeichne? "Arzneimittel sind chemische Substanzen, meist kleine organische Moleküle, die im Körper je nach Krankheit mit verschiedenen Proteinen – sogenannten Drugable Targets – wechselwirken. Die Aufgabe der pharmazeutischen Chemie ist es, solche Moleküle herzustellen und zwar maßgeschneidert für vielfältigste Zielproteine", erklärt der Pharmazeut.

Aufgrund der schieren Anzahl der Proteine, ihrer Kombinationen und den Hürden, die kleine Moleküle im Körper auf dem Weg in die Zellen überwinden müssen, ist das eine komplexe Aufgabe. "Wir entwerfen potentielle Wirkstoffe am Computer, synthetisieren sie dann im Labor und übergeben sie an BiologInnen zur weiteren Testung. Sind sie nicht gut genug, weil sie z.B. zu wenig stark binden oder gar nicht die Zellwände durchdringen, machen wir uns wieder an die Arbeit. Das sind zyklische Optimierungsprozesse", so Langer weiter. Für das Design der Moleküle am Computer sind komplexe Programme nötig. Die Entwicklung und Verbesserung solcher Software ist eines der Spezialgebiete des neuen Professors.

Wissenstransfer zwischen Universitäten und der pharmazeutischen Industrie

"Damit möglichst viele Menschen von den neuen Erkenntnissen profitieren können, braucht es die Zusammenarbeit zwischen wissenschaftlicher Forschung und der pharmazeutischen Industrie", ist Langer überzeugt. Der große Vorteil der Universitäten liege im Fehlen des Drucks, ein kommerziell verwertbares Ergebnis liefern zu müssen. In der Pharmaindustrie sei aus eben diesem Grund sehr viel an Kreativität verloren gegangen. Gehe es aber um die Anwendung, seien die Mittel der Universitäten begrenzt: "Daher sehe ich die Vernetzung dieser beiden Bereiche als ganz große Aufgabe, deshalb arbeiten wir momentan auch am Aufbau eines Zentrums für Wissenstransfer im Life Sciences Bereich", so Langer.

Der begeisterte Jazzfan, der gern mal den Club "Porgy & Bess" besucht und seine Freizeit auch auf dem Mountainbike im Wienerwald verbringt, hat an der Universität Wien viel vor. Wer mehr über die akademische Arzneimittelforschung erfahren möchte, ist herzlich zu seiner Antrittsvorlesung – die er gemeinsam mit Kollegen Manfred Ogris hält – eingeladen. Gefeiert wird in diesem Rahmen "100 Jahre Pharmazeutische Chemie an der Universität Wien". (dy)

Univ.-Prof. Mag. Dr. Thierry Langer, Professor für Pharmazeutische Chemie an der Fakultät für Lebenswissenschaften, hält am Montag, 27. Jänner 2014, seine Antrittsvorlesung zum Thema "Acadmic Drug Discovery: Eine realisierbare Vision?" im Großen Festsaal der Universität Wien. Auch Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Manfred Ogris hält im Rahmen der Festveranstaltung "100 Jahre Pharmazeutische Chemie an der Universität Wien" seine Antrittsvorlesung. Sein Thema: "Gentherapie. Vom gewagten Konzept zur klinischen Anwendung".