Sebastian Schütze: Kunst und Politik

Die italienische Kunst – vor allem jene der Renaissance und des Barock – war lange Zeit Vorbild für das restliche Europa und birgt für KunsthistorikerInnen noch immer viel Forschungspotenzial. So auch für Sebastian Schütze, der 15 Jahre lang an der Hertziana in Rom forschte und seit September 2009 die Professur für Neuere Kunstgeschichte an der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät innehat. Am Donnerstag, 5. Mai 2011, hält er seine Antrittsvorlesung zum Thema "Kunst und Diplomatie: Gianlorenzo Bernini, Francesco I. d'Este und Kardinal Mazarin".

"Schon zu Schulzeiten habe ich mich sehr für Kunst und Literatur interessiert", so Sebastian Schütze, Vorstand des Instituts für Kunstgeschichte. Nach dem Studium in Deutschland und Italien ging er als Doktoratsstipendiat an die Bibliotheca Hertziana (Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte) nach Rom, wo er – nach seiner Habilitation und verschiedenen Gastprofessuren in Deutschland – schließlich eine Forschungsprofessur erhielt. Die insgesamt 15 "italienischen Jahre" haben seine Forschung stark geprägt: "Die idealen Arbeitsbedingungen in Rom, die vielen Archive, Bibliotheken und Kunstwerke haben mich zu einem theoretisch und methodisch interessierten Wissenschafter gemacht, der das Objekt nicht aus dem Auge verliert."

Rom – Kingston – Wien

Nach Rom ging es dann für sechs Jahre nach Kanada, wo Schütze eine Stiftungsprofessur für Kunstgeschichte an der Queen's University in Kingston erhielt. Seit September 2009 lehrt und forscht der gebürtige Düsseldorfer nun an der Universität Wien; in seiner Antrittsvorlesung will der Kunsthistoriker zum einen ein breites Publikum ansprechen und zum anderen neue Aspekte seiner Forschung präsentieren. "Dabei behandle ich zwei große, übergreifende Fragen, die für den Barock eine wichtige Rolle spielen: Was bedeutet die Kunstpatronage für Kunst und Politik, und welche Rolle kommt Bildgedichten und dichterischen Beschreibungen von Kunstwerken im Barock zu?"

Diplomatische Geflechte

Zur Beantwortung seiner Fragen bezieht sich der Wissenschafter auf folgendes historisches Beispiel: Im 17. Jahrhundert wurde im Rahmen eines komplizierten diplomatischen Geflechts zwischen Rom, Modena und Paris eine Bernini-Büste von Kardinal Mazarin geplant und durch ein dreißigseitiges, höchst aufwendig publiziertes Gedicht dokumentiert. "Durch das von der königlichen Druckerei in Paris gedruckte Gedicht sowie einer Reihe anderer zeitgenössischer Quellen stellt sich die am Ende nie ausgeführte Büste als ein Schlüsselmonument dar: Sie ist bezeichnend für die enge Verbindung zwischen Kunst und Politik bzw. Diplomatie und zeigt, welche Rolle der Dichtung im höfischen Verkehr zukam", erklärt Schütze, der sich erstmals systematisch dieses – für den Barock zentralen – Themas annimmt.

Interdisziplinäre Brücken bauen

Neben den großen Namen des 17. Jahrhunderts – wie Bernini oder Caravaggio – widmet sich der Wissenschafter vor allem der interdisziplinären Forschung: der Verbindung zwischen Literatur und bildender Kunst sowie sozialwissenschaftlichen Fragestellungen in der Kunstgeschichte. "Die Ausstattung von Familienkapellen verrät zum Beispiel einiges über den sozialen Status und das Prestigebedürfnis des Auftraggebers. In ihrer Komplexität sind solche Kapellen ein herausragendes Zeugnis für etwas, wofür es keine vergleichbaren schriftlichen Quellen gibt", betont Schütze, der mit seiner Forschung KollegInnen anderer Disziplinen, wie der Geschichte oder Literaturwissenschaft, Anknüpfungspunkte bietet.

Literatur und Malerei

Mit der Kunst des 19. und frühen 20. Jahrhunderts – hauptsächlich dem Symbolismus und der deutschen Malerei – beschreibt Schütze einen weiteren zentralen Forschungsschwerpunkt. "Dabei interessiere ich mich vor allem für die Synergien und Wechselwirkungen, die zwischen Literatur und Malerei entstehen: Ein Beispiel dafür ist die Rezeption von Nietzsche oder von Hofmannsthal in der bildenden Kunst." Aktuell untersucht der Wissenschafter, wie die Themen des deutschen Lyrikers Stefan George in der bildenden Kunst aufgenommen wurden und werden.

"Neben der Spezialforschung liegt mein Hauptinteresse derzeit im Bereich von Ausstellungen", ergänzt der 49-Jährige, der bereits einige große Ausstellungen in der Villa Borghese in Rom, in der Bundeskunsthalle in Bonn oder der National Gallery in Ottawa (mit-) organisiert hat. "Diese bieten – neben den Publikationen – eine schöne Möglichkeit, die eigenen Forschungsthemen einem größeren Publikum näherzubringen."

Nachwuchsförderung

Zurzeit arbeitet Sebastian Schütze an einer Caravaggio-Ausstellung in Ottawa und fördert im Zuge dessen auch den wissenschaftlichen Nachwuchs, indem er etwa DoktorandInnen in die Organisation miteinbezieht. Für die Nachwuchsförderung im Bereich Kunstgeschichte will er sich auch in Wien verstärkt einsetzen. "Hier sehe ich noch viel Nachholbedarf: Während es zum Beispiel in Deutschland mehrere Stiftungen für diesen Zweck gibt, sind es in Österreich nur einige wenige Doktoratskollegs", meint der neue Professor, der für sein Institut die Implementierung eines solchen ins Auge fasst: "Hierzu befinde ich mich bereits in Vorgesprächen mit deutschen und italienischen KollegInnen." (ps)

Die Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. Sebastian Schütze vom Institut für Kunstgeschichte zum Thema "Kunst und Diplomatie: Gianlorenzo Bernini, Francesco I. d'Este und Kardinal Mazarin" findet am Donnerstag, 5. Mai 2011, um 17 Uhr im Kleinen Festsaal der Universität Wien statt.