Petra Heinz: Die fabelhafte Welt der Einzeller
| 05. November 2015Dass die studierte Mikrobiologin Petra Heinz heute Leiterin des Instituts für Paläontologie der Universität Wien ist, hat sie der zufälligen Bekanntschaft mit kleinen, einzelligen Organismen namens Foraminiferen zu verdanken. Denn: "Es war Liebe auf den ersten Blick!"
"Foraminiferen sind nicht nur sehr schön, sie sind auch eine unheimlich formenreiche Gruppe und bilden tolle Schalen aus", gerät Petra Heinz bei der Frage nach ihrem Forschungsschwerpunkt ins Schwärmen. Da diese Organismen bereits seit 500 Millionen Jahren existieren, ermöglichen sie Rückschlüsse auf Umweltbedingungen längst vergangener Zeiten und stellen damit nicht nur für Paläontologen ein beliebtes Forschungsobjekt dar.
Was sind Foraminiferen?
Foraminiferen sind Mikroorganismen, die eine feste Schale – zumeist aus Kalk oder Sand – um sich herum ausbilden. Die überwiegend nur unter dem Mikroskop sichtbaren Einzeller gehören zur artenreichsten Gruppe dieser Organismen und haben im Verlauf der letzten 500 Millionen Jahre eine große Evolutionsgeschichte hinter sich.
Foraminiferen: Manche mögen's heiß
Es sind die Schalen der Foraminiferen, die als fossile Ablagerungen am Meeresgrund über Millionen Jahre erhalten bleiben und im Vergleich mit den heute lebenden Organismen wichtige Rückschlüsse zulassen. "Die verschiedenen Arten kamen immer nur bei bestimmten Umweltbedingungen vor. Es gibt Arten, die mögen viel Sauerstoff und solche, die mögen wenig Sauerstoff. Manche mögen es warm, andere kalt", so Petra Heinz.
Aus der Analyse der fossilen Lebensgemeinschaften der Foraminiferen können sowohl die klimatischen als auch die ozeanographischen Bedingungen, wie etwa Veränderungen in den Weltmeeren, rekonstruiert werden.
Von Schifffahrten und Tiefseetauchgängen …
Nach ihrem Studium der Mikrobiologie in Tübingen, das sie vor allem "im Labor verbrachte", arbeitete Petra Heinz als Hilfswissenschafterin im dortigen Geologischen Institut. "Dort durfte ich nach vier Wochen das erste Mal auf ein Forschungsschiff und Proben nehmen. Das war das, was mir bei der Tübinger Mikrobiologie ein bisschen gefehlt hat", erinnert sich die gebürtige Deutsche an den Grund ihres Wechsels zur Paläontologie: "Und weil ich am Geologischen Institut die Foraminiferen kennengelernt habe, die mir auf Anhieb richtig gut gefallen haben. Es war Liebe auf den ersten Blick."
Ein Schnappschuss auf hoher See: Mit dem Schiff rausfahren und die Welt bereisen, macht Petra Heinz besonders viel Freude an ihrer Arbeit. "Die meisten Forschungsfahrten dauern durchschnittlich drei bis vier Wochen, wobei meine längste Fahrt im arabischen Meer über sechs Wochen lang war. Und mein tiefster Tauchgang lag bei 1.500 Metern", erinnert sich die Wissenschafterin. (Foto: Privat)
Während ihrer Doc- und Postdoc-Phase in Tübingen war Petra Heinz noch viel auf dem Schiff unterwegs. "Nachdem ich meine beiden Kinder bekommen habe, hat sich das reduziert – zuletzt war ich 2008 per Forschungsschiff unterwegs." Für die kommenden Jahre plant die Paläontologin wieder mehrere Schifffahrten, u.a. in die Antarktis.
Auf die Frage, wie die Tauchfahrten ablaufen, schmunzelt die Wissenschafterin: "Das ist relativ einfach. Man sitzt acht Stunden in einer kleinen Kapsel. Der Auf- und Abstieg dauert ein bis zwei Stunden, den Rest arbeitet man am Boden. Es ist dunkel und schlammig – ab und zu kommt ein Fisch vorbei."
Will man die noch lebenden Foraminiferen untersuchen, können Proben aus der Tiefsee nicht einfach "mitgenommen" werden, da der Druckunterschied sie das Leben kosten würde. Die Proben für Laborexperimente stammen daher meist aus dem Flachwasser, aber um gewisse Analysen, z.B. über das Fressverhalten der Organismen bei tieferen Wassertiefen, durchzuführen, sind Tauchbooteinsätze unerlässlich.
… zurück ins Labor nach Wien
Im Labor am Institut für Paläontologie untersucht Petra Heinz gemeinsam mit MitarbeiterInnen und Studierenden, wie sich die gesammelten Foraminiferen unter gewissen experimentellen Bedingungen verhalten. Und möchte so u.a. rekonstruieren, wie das Meer, das Teile Österreichs vor 16 Millionen Jahren bedeckt hat, ausgesehen hat.
Die starke Nähe der Paläontologie zur Biologie an der Universität Wien und der rezente Forschungsansatz, bei dem viele Untersuchungen mit heute noch lebenden Organismen durchgeführt werden, waren die Hauptgründe, weshalb sich die deutsche Wissenschafterin um die ausgeschriebene Stelle einer Professur in Paläo-Ökosysteme beworben hat.
Vor zwei Jahren trat sie die Stelle an der Universität Wien an und übersiedelte gemeinsam mit ihrer Familie nach Österreich. Leicht war der Schritt, das Leben in Deutschland aufzugeben, anfangs nicht, "und ohne die Unterstützung meines Mannes, der sich sehr um die Kinder kümmert, würde es wirklich schwierig werden", weist die Wissenschafterin auf die Problematik der Vereinbarkeit von wissenschaftlichem Beruf und Familie hin: "Bis zum Doktorat ist das Verhältnis Frauen-Männer eigentlich noch relativ ausgeglichen, auch in den Naturwissenschaften, aber dann kommen die entscheidenden Jahre. Dass man es schafft, sowohl privat als auch beruflich entsprechende Netzwerke aufzubauen, das ist die Herausforderung."
Netzwerke aufbauen, praxisbezogen lehren
Sich möglichst früh Netzwerke aufzubauen, ist auch ein wichtiger Ratschlag, den Petra Heinz ihren Studierenden mitgeben möchte. Und sie will ihnen nicht nur möglichst viel Wissen über das Fach vermitteln, sondern diese auch praxisbezogen mit KooperationspartnerInnen in Kontakt bringen, zur eigenständigen Verfolgung wissenschaftlicher Ideen motivieren und Möglichkeiten schaffen, an Exkursionen und Schifffahrten teilzunehmen.
Und letztlich ist es ihr Ziel, die Studierenden ein wenig für die Welt der Foraminiferen zu begeistern, denn "viele finden das irgendwie angestaubt und langweilig", sagt die sympathische Paläontologin mit einem Augenzwinkern. In unserem Fall ist ihr das bereits gelungen. (kb)
Univ.-Prof. Dr. Petra Heinz, Professorin für Paläontologie und Leiterin des Instituts für Paläontologie an der Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie, hält am Mittwoch, 11. November 2015 um 18.00 Uhr ihre Antrittsvorlesung zum Thema "Foraminiferen, kleine Umweltanzeiger im großen Ozean" im Kleinen Festsaal der Universität Wien.
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