Petra Amann: Die Etrusker im Blick

Petra Amann interessierte sich schon früh im Studium für das antike Volk der Etrusker. Heute ist sie Professorin für Etruskologie und Italische Altertumskunde. Im Gespräch erzählt sie u.a., wie das Fach in ihr Leben trat, von wissenschaftlichen Vorurteilen und ihren Zielen in der Lehre.

Der Altertumswissenschafterin missfiel in ihrem Studium der Klassischen Archäologie und Alten Geschichte die allgemein sehr starke Konzentration auf Griechen und Römer: Was ist mit den anderen Völkern der Antike, fragte sie sich. "Ich fand es sehr interessant und wichtig, dass die Antike nicht nur aus Griechenland, Athen und dem – über lange Phasen seiner Geschichte – imperialistischen Rom besteht. Daher bin ich schon sehr früh auf die Etrusker gestoßen", erzählt Petra Amann. Glücklicherweise gab es damals in Wien schon ein entsprechendes Lehrangebot.

Ausgehend von ihrem Interesse für die Etrusker spezialisierte sich die neue Professorin am Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik mit der Zeit auf die zahlreichen antiken Völkerschaften im frühen, d.h. vorkaiserzeitlichen Italien. Schon im Rahmen ihres Diplom- und Dissertationsstudiums forschte sie dabei an italienischen Universitäten, wie u.a. der Universität Federico II in Neapel, der Universität Bologna sowie am "Istituto Nazionale di Studi Etruschi ed Italici" in Florenz.

Besonders angetan zeigt sich die Forscherin auch von der Landschaft Etruriens – die heutige Toskana, der nördliche Teil Latiums und der westliche Teil Umbriens. "Auf  Exkursionen fühlt sich der/die Reisende sofort in eine andere Welt versetzt. Es ist heute eine teilweise sehr einsame Gegend und besonders in den Nekropolen wird eine gewisse Naturverbundenheit stark greifbar." Ihre Faszination für die Etrusker gründet zu einem gewissen Teil auch auf diesem "eigenen landschaftlichen Flair" der Region.

Dekonstruktion von Vorurteilen

In der Forschung ist es der Professorin für Etruskologie und Italische Altertumskunde ein Anliegen, verbreitete wissenschaftliche Klischees aufzulösen. "Über die etruskische Sozialgeschichte kursieren viele irrige Meinungen und werden seit langer Zeit in der wissenschaftlichen Community reproduziert. Eine davon ist die angeblich besonders hohe Stellung der Frau in der etruskischen Gesellschaft, was nicht der damaligen Realität entspricht", sagt sie.
Dieses Thema steht auch im Mittelpunkt ihrer Antrittsvorlesung am Montag, 17. November, in der sie Johann Jakob Bachofens Werk im Hinblick darauf untersucht, welche Rolle der Vater der Matriarchatsidee den Etruskern in seinen Schriften zuweist und was aus aktueller wissenschaftlicher Sicht dazu gesagt werden kann.

Bankettszenen in der Antike

Erst kürzlich hat Petra Amann außerdem ein FWF-Forschungsprojekt zu Bankett- und Gelage-Szenen im frühen antiken Mittelmeerraum abgeschlossen. "Ziel war es, vergleichend zu untersuchen, welche Botschaften in u.a. griechischen, etruskischen und auch orientalischen Bildern und Szenen im Zusammenhang mit Essen und Trinken vermittelt werden." Denn die Altertumswissenschafterin interessiert sich besonders für die großen gesellschaftlichen Zusammenhänge und Strukturen.


Nicht nur die alten Griechen wussten, wie man(n) richtig feiert: Bankette und Trinkgelage waren in der antiken Mittelmeerwelt beliebte Motive – u.a. für den Grabbereich. Zusammen mit ihrem Team hat Petra Amann alle diese Bildszenen untersucht und soziopolitische Rückschlüsse gezogen. Zum uni:view-Artikel "Trinkgelage der Antike"



Den kritischen Geist anregen

In der Lehre ist es für Petra Amann ein besonderes Anliegen, quellenkritisches Denken zu vermitteln. In der Etruskologie, und in der Altertumskunde überhaupt, sei es von Bedeutung, bei der Betrachtung antiker literarischer Quellen auch die Hintergründe und Ziele der jeweiligen Autoren mitzudenken. "Diese Fähigkeit des kritischen Hinterfragens können die Studierenden aber natürlich in jeder späteren Lebenssituation gut gebrauchen", so die Professorin, die außerdem Wert auf Faktenwissen legt: "Basiswissen und eine Art chronologisches Gerüst befähigen die Studierenden dazu, Zusammenhänge und Strukturen zu erkennen und sich kritischen Fragen adäquat zu nähern."

Spracherwerb als Grundvoraussetzung

Besonders den StudienbeginnerInnen legt die Etruskologin ans Herz, die modernen Sprachen Englisch, Französisch und Italienisch zu erlernen. "Diese müssen in den altertumskundlichen Fächern einfach gelesen oder zumindest passiv rezipiert werden können, um sich die wichtigste Fachliteratur anzueignen", sagt sie, "breite Sprachkenntnisse sind aber natürlich für viele andere spätere Karrierewege von Vorteil".     

Lieblingsort: Hauptgebäude

Wenn sie nicht gerade im Hörsaal oder auf einer ihrer Forschungsreisen ist, verbringt Petra Amann gerne ein paar Minuten im Arkadenhof des Hauptgebäudes. "Er ist ein offener Raum im Raum, mitten in der Stadt und dennoch ein entspannender Ort – besonders in der vorlesungsfreien Zeit", so die neue Professorin über ihren Lieblingsort an der Universität Wien. (fh)

Univ.-Prof. Mag. Dr. Petra Amann vom Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik hält ihre Antrittsvorlesung zum Thema "Johann Jakob Bachofen und die Etrusker. Der Mutterrechtsgelehrte und die Instrumentalisierung antiker Völkerschaften" am Montag, 17. November, 2014, um 18 Uhr im Großen Festsaal der Universität Wien.