Nuno Maulide: "Man ist immer so gut wie die letzte Publikation"
| 27. Mai 2016Im Alter von nur 33 Jahren wurde der Chemiker Nuno Maulide 2013 an die Universität Wien berufen. Ursprünglich wollte er Pianist werden, hat sich dann aber doch für die Naturwissenschaft entschieden. Die Kunst und die Chemie haben vieles gemeinsam, findet er.
"Ein Pianist ist immer so gut wie die letzte Performance, ein Wissenschafter so gut wie die letzte Publikation", zieht Nuno Maulide, seit Oktober 2013 Professor für organische Synthese an der Fakultät für Chemie, eine der vielen Parallelen, die er zwischen Wissenschaft und Kunst sieht.
Auch die Rolle des Mentors/der Mentorin sei in beiden Bereichen eine ähnlich wichtige: "Mein Doktorvater war so wie meine Klavierlehrerin eine wichtige Person in meinem Leben. Die Unterstützung ging weit über rein technische Hilfestellungen – ich habe viele Lebensweisheiten von beiden mitgenommen", erinnert sich der Chemiker: "Noch heute verwende ich in meinen Vorlesungen und Seminaren Sprüche meines Doktorvaters."
Der Weg zur Chemie
Sein Fachgebiet, die organische Chemie, ist für Nuno Maulide selbst auch durchaus künstlerisch: "Die Sprache der Chemie besteht aus dem Malen von Strukturen. Das ist sehr visuell und ästhetisch. Wir sprechen auch oft von 'eleganten Lösungen' für ein Problem."
Nach seinem Schulabschluss in Lissabon, wo er 1979 geboren wurde, entschied sich Maulide für die Musikhochschule, um Klavier zu studieren – gegen den Rat seiner Eltern, beide ÄrztInnen. Gleichzeitig inskribierte er in Chemie an der Universität in Lissabon, da er sonst für drei Jahre für eine Anmeldung gesperrt worden wäre. "Das Musikstudium war sehr einsam. Es gab nur wenige Vorlesungen pro Woche, da viel freie Zeit – mindestens sechs Stunden am Tag – für das Üben freigehalten wurde. Mir ist einfach der Kontakt zu Menschen abgegangen", erinnert sich Nuno Maulide zurück: "So fasste ich den Entschluss, doch Chemie, meine zweite Leidenschaft, zu verfolgen. Und das war die richtige Entscheidung: Jetzt habe ich das Beste von beiden Welten."
In die Wissenschaft
Nach seinem Abschluss in Portugal zog es den Chemiker für mehrere Jahre zu Forschungszwecken ins Ausland, u.a. in die Schweiz, nach Belgien, in die USA und nach Deutschland, wo er zuletzt am renommierten Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim und an der Ruhr-Universität Bochum im Juli 2013 seine Habilitation erlangte.
Im Oktober 2013 nahm er die Professur für organische Synthese an der Universität Wien an, wo er 2016 den mit rund zwei Millionen Euro dotierten ERC Consolidator Grant erhielt – 2012 erhielt er bereits den ERC Starting Grant. Im Rahmen des jüngsten ERC-Projekts forschen er und sein Team daran, chemische Reaktionen effizienter und umweltfreundlicher zu machen. In diesem Zusammenhang sollen neue chemische Reaktionen entwickelt werden, bei denen keine Abfallprodukte anfallen. Im Hinblick auf wirtschaftliche Aspekte bezeichnet man solche Reaktionen als "atomökonomisch". "Chemie ohne Verschwendung" ist Maulides Ziel.
Die Lehre der Performance
Bis zu seiner Berufung an die Universität Wien war Nuno Maulide vorwiegend in der Forschung tätig, darunter Nachwuchsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim, Deutschland. Daher freut er sich besonders, dass seine Professur an der Universität Wien auch Lehre inkludiert: "Ich wollte schon als Kind Lehrer werden, mir macht es einfach unglaublich Spaß, Menschen Dinge dynamisch und mit Spaß zu erklären."
Seine Vorlesungen sieht er ein bisschen als US-Unterhaltungsformat – überspitzt formuliert: "Die Studierenden von heute sind von so vielen Dingen wie Internet, Tablets, Smartphones umgeben und ich muss es schaffen, dass sie sich 90 Minuten konzentrieren", erklärt er: "Ich gehe viel herum, setze mich öfters neben Studierende, um sie direkt auf eine Problemlösung anzusprechen, gerne mache ich auch Umfragen. Ich finde Lehre einfach toll." Zudem ist Maulide vom Wissen und Können vieler seiner Studierenden beeindruckt. Seiner Meinung nach, können die Top 15 Prozent StudentInnen in der organischen Chemie sehr wohl mit jenen der top Forschungseinrichtungen Europas mithalten.
Wiener Lebensqualität
Nicht nur von seinen StudentInnen ist der Chemiker begeistert, auch die Lebensqualität in Wien weiß Maulide zu schätzen. "Von den europäischen Städten, die ich kenne, ist der öffentliche Verkehr in Wien am besten ausgebaut. Ich habe mein Auto verkauft, das brauche ich in Wien wirklich nicht."
Obwohl Maulide im Vorfeld vor den WienerInnen etwas "gewarnt" wurde, sie seien nicht sehr offen, kann er das aufgrund eigener Erfahrungen nicht bestätigen, im Gegenteil. "Ich habe viele positive Erfahrungen mit Menschen hier gemacht. Die Sprache zu beherrschen ist natürlich sehr wichtig", sagt der Chemie-Professor: "Vielleicht hat es damit zu tun, dass ich jedem Menschen mit Respekt begegne, da ich der Meinung bin, ich kann von jedem Menschen noch etwas Neues lernen." (td)
Univ.-Prof. Dr. Nuno Maulide, Professor für Organische Synthese am Institut für Organische Chemie, hält am Mittwoch, 8. Juni 2016, um 18 Uhr seine Public Lecture zum Thema "When Science becomes an Art: Adventures in Chemical Synthesis" im Kleinen Festsaal der Universität Wien.
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