Manuel Sprung: Computerspiele für psychische Gesundheit

Seit Oktober 2011 besetzt Manuel Sprung die Professur für klinische Kinder- und Jugendpsychologie an der Universität Wien. Um neue Therapiemethoden zu entwickeln, schlägt er unkonventionelle Wege ein.

Zwei Schwerpunkte kommen deutlich zum Vorschein, wenn der Psychologe Manuel Sprung von seiner Arbeit erzählt. Einerseits ist es die evidenzbasierte Forschung: das Experiment. Andererseits die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, das Ergründen des Wesens von Kindern. Ob als Praktikant im Kinderkrankenhaus noch während des Studiums, als Zivildiener im Kindergarten oder bereits als promovierter Psychologe beim Praktikum im Kinderschutzzentrum Salzburg: Der Umgang mit Kindern habe ihm immer gelegen, resümiert der gebürtige Salzburger, heute Professor für klinische Kinder- und Jugendpsychologie an der Fakultät für Psychologie der Universität Wien: "Weil die meisten Kinder diesen Wissens- und Forscherdrang haben. Sie sind neugierig und offen für Neues."

Der neue Professor verfolgt den Ansatz, dass man versuchen müsse, wie ein Kind zu denken, um einem psychisch erkrankten Kind helfen zu können. Und hat eine Therapiemethode entwickelt, die Moralisten und Mediengegner die Stirn runzeln lässt: Um Selbstkontrolle und emotionale Kompetenz zu fördern, empfiehlt er nämlich den Einsatz von Computerspielen.

Ein Wirbelsturm brachte den Durchbruch

Der aus einer "Technikerfamilie" stammende Wissenschafter interessierte sich schon während seines Studiums in Salzburg für Neue Medien. Diese Leidenschaft in ein konkretes Forschungsvorhaben umzuwandeln, gelang ihm aber erst durch eine Verkettung von Zufällen. Als er 2005 am Department für Psychologie an der University of Southern Mississippi tätig ist, fegt Hurrikan Katrina mit gravierenden Folgen über den Süden der USA hinweg und hinterlässt nicht nur physische, sondern auch psychische Schäden. Manuel Sprung erhält eine Förderung der US-amerikanischen National Science Foundation (NSF), um mit den jugendlichen Opfern der Katastrophe zu arbeiten. Erstmals gelingt es ihm, seinen Forschungsbereich "Theory of Mind" – hier geht es um die Fähigkeit das eigene Verhalten oder das Verhalten anderer Menschen durch Zuschreibung mentaler Zustände zu interpretieren – mit klinischer Psychologie zu verbinden. "Die Computerspiele sind als letztes hinzugekommen", so der Forscher. 

Forschung und Praxis Hand in Hand


Zwischen 2009 und 2011 konnte er seine Expertise und sein neu entwickeltes Verfahren erfolgreich an der Harvard University einbringen und weiterentwickeln. Von Harvard bringt er den Anspruch mit , Forschung und Praxis in der Psychologie enger zu verknüpfen. "Eine bedeutende Frage für die translationale Forschung ist, wie die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung in der Praxis unkompliziert angewandt werden können", erläutert Sprung. Es ginge daher darum, neue Ansätze für die psychologische Gesundheitsversorgung zu entwickeln, die praktikabel, ökonomisch und klinisch nützlich sind.

Entsprechend unkompliziert funktionieren demnach die "Games 4 Resilience": Lediglich ein Computer ist nötig, um mit der Vorsorge für psychische Gesundheit zu starten. Sprung kennt die üblichen Einwände gegen Computerspiele, geht die Sache aber pragmatisch an: "Die Kinder spielen sowieso. Wir wollen die Chance nützen und versuchen, Wirkmechanismen aus psychotherapeutischen Interventionen in diese Computerspiele zu verpacken." Bei den zwei bereits entwickelten Spielen des "Games 4 Resilience Lab" können Selbstkontrolle und emotionale Kompetenz trainiert werden.


"Viele Kinder und Jugendlichen mit psychischen Gesundheitsproblemen bekommen keine Behandlung, weil die Probleme nicht identifiziert werden oder weil die Motivation fehlt." Das Alien Game (siehe Screenshot links) dient vor allem der Vorsorge, damit die Probleme erst gar nicht auftauchen.



"Du bist ein Space-Ranger!"


Seine eigenen Kinder sind zwar noch zu klein zum spielen, interessieren sich aber auch dafür. Deshalb setzt er sich abends mit ihnen hin und spielt ihnen buchstäblich vor. Bei den Spielen handelt es sich um kontinuierliche Trainingsspiele, die endlos gespielt werden können. Das sei auch für Erwachsene interessant. Somit verbringt Manuel Sprung seine Abende schon mal als Space Ranger, der hungrige Aliens füttern muss, oder als Detektiv bei Zeugenbefragungen. Als Wissenschafter habe man eben keinen "Nine to five-Job" – und das sei auch gut so.

Der Psychologie wünscht er, dass sie in der Gesellschaft als gleichwertige Naturwissenschaft neben Chemie oder Biologie anerkannt wird. Die Hinwendung zur wissenschaftlichen Methode sei der einzige richtige Weg dorthin. Auch Studierenden und NachwuchswissenschafterInnen im Fach Psychologie empfiehlt er, "die wissenschaftliche Methode zu zelebrieren". Wenn man die Forschung für sich entdeckt habe, könne man gar nichts anderes machen. So war es jedenfalls bei ihm: "Die Wissenschaft ist meine große Leidenschaft." (emi)

Die Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Mag. Dr. Manuel Sprung, stv. Vorstand des Instituts für Angewandte Psychologie: Gesundheit, Entwicklung und Förderung, zum Thema "Games4Resilience: Vorsorge und 'Schutzimpfung' in der Klinischen Kinder- und Jugendpsychologie" findet am Donnerstag, den 24. Jänner 2013, um 18 Uhr im Großen Festsaal der Universität Wien statt.