Jörg Flecker: Forschen für bessere Arbeitsbedingungen

Wohin führt uns der Wandel der Arbeitswelt und was bedeuten transnationale Wertschöpfungsketten für unseren Alltag? Seit März 2013 ist Jörg Flecker Professor für Allgemeine Soziologie an der Universität Wien und begeistert mit praxisnahen Forschungsschwerpunkten.

"Eine akademische Karriere? Dieses Ziel war bei mir eher sekundär", erklärt Jörg Flecker. Es ist die Forschung an sich, der sich der gebürtige Grazer jahrelang verschrieben hat – an einem von ihm selbst gegründeten außeruniversitären Institut – und die ihn schließlich an die Universität Wien geführt hat.

Auch als Soziologe zählt sich der gelernte Handelswissenschafter zu einem "Spätberufenen": "Soziologie war damals kein verpflichtender Teil meines Studiums an der Wirtschaftsuniversität Wien", erzählt er. Ein Postgraduate-Lehrgang in Soziologie am Institut für Höhere Studien habe ihn schließlich auf den Weg gebracht, den er nun seit mehr als 26 Jahren beschreitet. "Verfolge das, was dich begeistert, dann kommt der Erfolg hoffentlich von ganz allein", könnte das Motto des Professors lauten.

Von der außeruniversitären Forschung zurück an die Universität

Begeisterung war es auch, die den jungen Flecker – frisch zurück von einem Forschungs- und Lehraufenthalt an der University of Central Lancashire (UK) – dazu gebracht hat, in Wien die Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA) mit KollegInnen zu gründen, aufzubauen und sie dann zu leiten. Das außeruniversitäre Forschungsinstitut mit interdisziplinärer und vor allem internationaler Ausrichtung wurde sein Steckenpferd. "Durch FORBA kamen viele wertvolle Kooperationen zustande, wir arbeiteten stets mit internationalen KollegInnen zusammen", so Flecker, der sich sehr über seine Berufung an die Universität Wien freut und gleichzeitig "seiner" Forschungseinrichtung als Vorstandsvorsitzender verbunden bleibt. Sowohl als Professor als auch im Rahmen seiner außeruniversitären Tätigkeit hat er sich die Verbesserung von Arbeitsbedingungen zur Aufgabe gemacht hat: durch Politikberatung und durch Grundlagenforschung.

An der Universität Wien liegt ihm vor allem das Thema Internationalisierung am Herzen – inhaltlich ebenso wie bei der Wissenschaftskommunikation und in der Lehre.

Alte und neue Grenzen


"Der Trend zur Transnationalisierung in der Arbeitswelt macht internationale Zusammenarbeit unabdingbar. Grenzen verlieren an Bedeutung, und vor allem das Thema Arbeitsmigration ist hochaktuell", erklärt der Forscher, der seit seiner "FORBA-Jahre" in mehreren großangelegten EU-Projekten – manche davon liefen gleichzeitig – mit Partnern aus Großbritannien, Belgien, Frankreich und Skandinavien, den USA und Indien kooperiert hat.

Jörg Flecker beschäftigt sich aber auch mit der Veränderung der Arbeitswelt im Zusammenhang mit dem Aufstieg des Rechtspopulismus in Europa – "ein spannender und leider auch allzu aktueller Forschungsschwerpunkt", sagt er. Dieser Thematik ging er u.a. als Leiter einer großangelegten europäischen Acht-Länderstudie auf den Grund.


Wo liegen die Grenzen unserer Gesellschaft? Wie genau definieren sich diese? Sprechen wir von einer nationalstaatlichen, einer europäischen oder auch einer Weltgesellschaft? Diese und weitere spannende Fragen stellt sich der Professor für allgemeine Soziologie, dessen Forschungsschwerpunkt in der Arbeitssoziologie verwurzelt ist. (Foto: Hofschlaeger/pixelio)



Internationalisierung vorantreiben


Mit dem Thema Grenzen beschäftigt sich der Soziologe aber auch noch auf einer weiteren Ebene. "Im deutschsprachigen Raum gilt es oft, einen Spagat zwischen der nationalen Forschungscommunity und der internationalen zu vollführen", bemerkt der Professor. "Es gibt einige KollegInnen, die exzellente Forschung leisten, sich in der deutschen Sprache aber fast zu heimisch fühlen. Jedoch ist eine internationale Vernetzung heute essenziell. Daher versuche ich, in beiden Bereichen aktiv zu sein, um meine Studierenden mit guten Beispielen aus dem Feld zu inspirieren."

Lorbeeren können nur ein Bonus sein.

"Der Weg ist das Ziel, dieser muss einem Freude bereiten", rät der Forscher jungen KollegInnen, aber auch allen anderen Berufstätigen. "Niemals nur auf ein fernes Ziel oder eine Position hinarbeiten, weil die Chancen gering und nicht kalkulierbar sind". Dennoch spricht der Professor von Glück, in der Wissenschaft Fuß gefasst zu haben. "Forscher haben oft einen sehr schwierigem Berufseinstieg: die Prozedur des Projektantrags, der konzipiert, geschrieben und gestellt werden will und vor allem das darauf folgende Warten auf eine Bewilligung. Dies bringt oft Phasen von Arbeitslosigkeit mit sich, die man bewältigen muss."

Privatleben und Freizeit


Neben dem beruflichen Glück war der wichtigste private Meilenstein des Soziologen die Geburt seiner Tochter. Mit der heute 18-Jährigen lässt es sich auch mal über Forschungsinhalte diskutieren. "Mein Fach hat den Vorteil, dass viele einen Zugang dazu finden können, auch mit meiner Mutter oder meinen Geschwistern kann man mal ins Detail eintauchen." Generell hält der Wahlwiener sein Arbeits- und Privatleben aber gerne getrennt. "So gerne ich im Büro und im Hörsaal bin, ist mir das Privatleben mit meiner Familie und beim Sport genauso wichtig", meint er. (il)

Univ.-Prof. Mag. Dr. Jörg Flecker hält am Montag, 14. Oktober 2013, um 17 Uhr im Kleinen Festsaal der Universität Wien seine Antrittsvorlesung zum Thema "Wie Arbeit degradiert wird. Perspektiven auf die Prekarisierung von Erwerbsarbeit".