Jan-Heiner Tück: Im Spannungsfeld von Kirche und Wissenschaft
| 19. November 2010Seit März 2010 hat Jan-Heiner Tück die Professur für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät inne. Dem gebürtigen Deutschen ist es wichtig, die Inhalte der christlichen Glaubenslehre mit zeitgemäßen Fragestellungen der Gegenwartskultur zu verbinden. Am Freitag, 26. November 2010, 18 Uhr, hält der Theologe seine Antrittsvorlesung zum Thema "Bei Gott gibt es keine Gewalt. Was Jan Assmanns Monotheismuskritik theologisch zu denken gibt".
Erst seit etwa 25 Jahren werden Professuren für Dogmatische Theologie nicht mehr ausschließlich mit Priestern, sondern auch mit kirchlichen Laien, also Nicht-Geistlichen, besetzt. Solch ein Laie ist der vierfache Familienvater Jan-Heiner Tück, der seit März 2010 dem Institut für Dogmatische Theologie als neuer Professor vorsteht.
Gleichzeitig mit dem Ruf nach Wien hatte der Theologe einen Ruf an die Universität Bochum: "Mich zwischen zwei Universitäten entscheiden zu können, war natürlich ein 'Luxus'. Doch die Wahl ist am Ende zugunsten von Wien ausgefallen", erklärt Tück: "Entscheidende Faktoren dafür waren das Renommee und die Größe der Fakultät, die einen interdisziplinären Austausch hervorragend ermöglichen, die Nähe zur evangelischen Nachbarfakultät und ganz generell das kulturelle Angebot der Stadt."
Die Universität Wien ist für den Theologen auch kein Neuland, da er an der Katholisch-Theologischen Fakultät bereits im Wintersemester 2006/2007 als Gastprofessor tätig war.
Karrierequerschnitt
Tück, der 1986 sein Abitur am bischöflichen Gymnasium "Collegium Augustinianum Gaesdonck" abgelegt hat, studierte - einem kurzen Exkurs eines Klavierstudiums folgend - Katholische Theologie und Germanistik an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Nach seinem Diplom war er zunächst als wissenschaftliche Hilfskraft und später als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Rahmen des Forschungsprojekts "Globalkultur und christlicher Glaube - Die Bedeutung des Zweiten Vatikanischen Konzils im kulturellen Transformationsprozess der Gegenwart" tätig.
Tück promovierte 1998 und wechselte von Tübingen an die Theologische Fakultät der Universität Luzern und anschließend an die Theologische Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, wo er sich 2007 auch habilitierte. Bis zu seiner Berufung nach Wien hatte der Theologe Gastprofessuren an den Universitäten Wien, Osnabrück und Freiburg inne.
Zeitgemäße Dogmatik
Jan-Heiner Tück betont, dass "die Dogmatik keineswegs mit fundamentalistischen Positionsmarkierungen zu verwechseln ist. Vielmehr hat sie die Inhalte des Glaubens in den heutigen Verstehenshorizont zu übersetzen und im Blick auf aktuelle Anfragen zu plausibiliseren."
Dazu ist einerseits eine möglichst ursprungsgetreue Rekonstruktion der biblischen Zeugnisse und der Dokumente der kirchlichen Lehrtradition erforderlich. Andererseits braucht die Dogmatik "ein waches zeitdiagnostisches Sensorium, um aktuelle Anfragen aufnehmen und unter Rückgriff auf die theologische Tradition bearbeiten zu können". Häufige Fragen dabei sind etwa: "Wie kann ein gütiger und allmächtiger Gott so viel Leid in der Welt zulassen?" oder "Wie kann die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod begründet werden?".
Das Interesse an der Literatur ist Tück seit seinem Germanistikstudium geblieben, und so sucht er den Dialog mit dem Medium Gegenwartsliteratur, in dem sich "die Komplexität heutiger Lebens- und Erfahrungswelten spiegelt". In dem geplanten Forschungsprojekt "Glauben, nicht mehr glauben zu können" wird er sich mit menschlichen Grenzerfahrungen bei AutorInnen wie Judith Hermann und Arnold Stadler befassen und diese auf eine theologische Tiefengrammatik hin befragen.
Dialog mit der Öffentlichkeit
Den Diskurs mit der Öffentlichkeit zu Glaubensfragen sieht Jan-Heiner Tück gerade in der heutigen Zeit als wichtige Aufgabe der Dogmatik. So schreibt er seit 2000 regelmäßig für die Neue Zürcher Zeitung: "Das wurde von meinen damaligen Lehrern in Freiburg kritisch beäugt, heute weiß man, wie wichtig die mediale Vermittlung gerade auch theologischer Themen ist."
Weiters ist der vielseitige Theologe Schriftleiter der internationalen katholischen Zeitschrift "Communio". Die Zeitschrift, zu deren Gründern u.a. auch Joseph Ratzinger zählt, richtet sich nicht nur an ein theologisches Fachpublikum, sondern ebenso an die interessierte Öffentlichkeit. Sie dient dem Austausch zwischen Glauben und Gegenwartskultur. Thema der aktuellen Ausgabe ist "Glück und Lebenskunst". Mit Jan-Heiner Tück ist der Redaktionssitz und die Schriftleitung von "Communio" von Freiburg an die Universität Wien gewandert, was sicherlich auch Mitherausgeber Kardinal Christoph Schönborn freut.
"Biblischer Monotheismus unter Gewaltverdacht"
In seiner Antrittsvorlesung beschäftigt sich Tück mit der wiederkehrenden Kritik an der Gewaltbereitschaft des biblischen Monotheismus, insbesondere des Christentums. "Natürlich hat das Christentum in seiner Geschichte auch viel Gewalt verschuldet", so der Dogmatiker: "Aber das Christentum ist vom Urspung her keine gewalttätige Religion, im Gegenteil, es ist eine Religion der Liebe. Ambivalent ist allerdings, dass der Wahrheitsanspruch des Christentums immer auch in einer Sprache der Exklusion artikuliert worden ist, der hinter die gewaltige Gewaltlosigkeit Jesu zurückfällt. Hier setzt die Problematik an, auf die ich in meiner Antrittsvorlesung eingehen möchte." Die Thematik steht auch im Mittelpunkt eines interdisziplinären Forschungsprojekts von Tück, das in Kürze starten wird.
Den durchaus kritischen Umgang mit dem Lehrstoff möchte der neue Professor für Dogmatik auch an seine Studierenden weitergeben - dazu ist es in der Lehre vorerst notwendig, die Studierenden "mit den Grundlagen und Inhalten, wie profunden Kenntnissen der historischen und systematischen Theologie sowie der sachgerechten Anwendung fachspezifischer Methoden vertraut zu machen". (td)
Die Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. Jan-Heiner Tück vom Institut für Dogmatische Theologie zum Thema "Bei Gott gibt es keine Gewalt. Was Jan Assmanns Monotheismuskritik theologisch zu denken gibt" findet am Freitag, 26. November 2010 um 18 Uhr im Kleinen Festsaal der Universität Wien statt.