Georg Stenger: Interkulturellen Dialog fördern

Seit Februar 2011 hat Georg Stenger die Professur für Philosophie in einer globalen Welt am Institut für Philosophie inne. Am Mittwoch, 4. Mai 2011, hält der Philosoph seine Antrittsvorlesung im Rahmen des Dies Facultatis der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft im Großen Festsaal. Im Zentrum seines Vortrags steht Bildung im interkulturellen Maßstab.

In der neu geschaffenen Professur für "Philosophie in einer globalen Welt" sieht der in Aschaffenburg (D) geborene Philosoph Georg Stenger eine wichtige Herausforderung. "Im deutschsprachigen Raum und generell in Europa nimmt die Universität Wien hier eine Vorreiterrolle ein. Das ist die erste Professur, die schon im Titel darlegt, dass Philosophie ein interkulturelles Standbein hat", so Stenger: "Ich empfinde es als große Chance, diese Professur hier mitentwickeln und etablieren zu dürfen."

Über die Grenzen Europas

Als kritischer Geist, auch seinem eigenen Fach gegenüber, stört es Georg Stenger, dass Philosophie oftmals nur mit dem westlichen, abendländischen Kontext gleichgesetzt wird. "Philosophiert wird aber auf der gesamten Welt. Es ist wichtig, mit außereuropäischen Traditionen und KollegInnen in einen Dialog zu treten – auf Augenhöhe."

Wissenschaftliche Stationen

Kein Wunder, dass Stenger über den philosophischen Tellerrand blickt: Schon als Student war er vielseitig interessiert. An der Universität Würzburg schloss er 1987 gleich in fünf Fächern ab: Philosophie, Germanistik, Sprachwissenschaft, Kunstgeschichte und Betriebswirtschaftslehre (Grundstudium). 1988 promovierte er ebendort in Philosophie und blieb seiner Heimatuniversität treu – zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter für Philosophie und nach seiner Habilitation im Jahr 2003 als Privatdozent. Sein Interesse an asiatischer Philosophie, das sich schon in der Studienzeit entwickelte, setzte Stenger in der Wissenschaft fort – seit 1997 absolvierte er immer wieder Vortrags- und Forschungsaufenthalte in Asien.

Perspektivenwechsel

Innerhalb der Philosophie Ostasiens legt Stenger seinen Schwerpunkt hauptsächlich auf Japan und China. Aber auch die philosophischen Traditionen des arabischen Raums, Lateinamerikas und Afrikas werden im Rahmen seiner neuen Professur nicht zu kurz kommen, wie er festhält. Im Dialog mit außereuropäischen KollegInnen ist es ihm wichtig, einen gleichwertigen Austausch zu führen. Spannend findet er dabei ganz grundsätzlich methodische Fragestellungen, etwa wie an Philosophie herangegangen wird: "Im asiatischen Raum existiert zum Beispiel die Zentralperspektive, wie wir sie von europäischen Kunstwerken kennen, überhaupt nicht", erklärt der Philosoph: "Das beeinflusst ästhetische Dimensionen gleichermaßen wie unterschiedliche Denkansätze."

Forschungskooperationen mit Japan und China

Gleich zwei große Forschungsprojekte plant Georg Stenger derzeit an der Universität Wien. Im ersten Projekt wird er sich gemeinsam mit japanischen KollegInnen der Universitäten Tokio und Kyoto mit interkultureller Phänomenologie befassen. "Der Ansatz, dass europäische PhilosophInnen in die Welt rausgehen, um 'ihre' Philosophie als die für alle gültige zu verbreiten, ist meiner Meinung nach viel zu kurz gegriffen", sagt er: "Wir müssen lernen, voneinander wirklich lernen zu können." Im österreichisch-japanischen Forschungsvorhaben soll es so auch um den Austausch ganz grundsätzlicher philosophischer Fragestellungen gehen: Wie gehe ich an ein Problem heran? Welche Fragen stelle ich mir überhaupt?

Das zweite Projekt entsteht in Kooperation mit inner- und außereuropäischen WissenschafterInnen und spannt den inhaltlichen Bogen von den konstitutiven Bedingungen des Subjektbegriffs über Menschenrechte bis hin zur Demokratieforschung. Hier interessieren Stenger die kulturell geprägten Ansätze der einzelnen philosophischen Konzeptionen. "Oft ist es ja so, dass 'wir Westler' unsere Vorstellungen von Demokratie und Freiheit delegieren. Mit meinen ForschungspartnerInnen möchte ich im Projekt gleichberechtigt und unter gegenseitiger Wertschätzung über diese Themen diskutieren."

Kein Wissen "verfüttern"

Georg Stenger betreut auch viele asiatische StudentInnen, die hier in Europa promovieren. "Vielfach ist es noch so, dass sie danach in ihre Heimatländer zurückkehren, um 'unsere' Philosophie zu unterrichten", erklärt er: "Das ist aber eine Einbahnstraße. Ich wünsche mir noch viel mehr Austausch – also auch mehr europäische PhilosophInnen, die Wissen und Denkansätze aus Asien nach Europa bringen."

In der Lehre liegen seine Schwerpunkte auf interkultureller Philosophie sowie in der Phänomenologie, einer der großen philosophischen Hauptzweige des 20. Jahrhunderts. Dabei möchte er die Grundlagen der indischen, islamischen, japanischen, chinesischen und anderen außereuropäischen Traditionen vermitteln, "immer auch im konstruktiven Austausch mit europäischer Philosophie". Im Fach Philosophie sieht Stenger kein reines Wissensfach: "Es geht nicht darum, die StudentInnen mit Wissen 'zu füttern'. Sie sollten vielmehr das Philosophieren, also das Hinterfragen, Nachdenken, Argumentieren etc. erlernen und sich dabei Horizonte eröffnen, was zugleich interkulturelle Kompetenzen befördert." (td)

Die Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. Georg Stenger, Institut für Philosophie, zum Thema "Interkulturelle Philosophie und Bildung – warum begehren?" findet am Mittwoch, 4. Mai 2011, im Rahmen des Dies Facultatis der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft um 17 Uhr im Großen Festsaal der Universität Wien statt.