Fritz Mitthof: Neue Zeiten für die Alte Geschichte

Der Historiker Fritz Mitthof ist seit Oktober 2008 Professor für Römische Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik. Durch Kooperationen mit den Nachbardisziplinen, eine verstärkte Internationalisierung und die Verknüpfung mit aktuellen Themen will er sein – oftmals als exotisch wahrgenommenes – Fach neu positionieren. In der Antrittsvorlesung "Imperium und Identität: Ethnische Prozesse im Römischen Reich" am Donnerstag, 3. März 2011, verweist er unter anderem auf die Gemeinsamkeiten zwischen dem alten Rom und der Europäischen Union.

"Mein Interesse gilt vor allem den Originalquellen aus der Antike, wie Inschriften und Papyri, die Aufschluss über die Menschen von damals und ihre grundsätzlichen Verhaltensmuster geben", erzählt Mitthof, der sich weniger als Freund der politischen Ereignisgeschichte bezeichnet, sondern den vielmehr die "elementaren Dinge" des antiken Lebens interessieren. "Inschriften, vor allem Grabsteine, führen uns die Menschen der Antike direkt vor Augen – wie sie sich selbst definieren und beschreiben", so der Historiker und Vorstand des Instituts für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik.

Von den Römern lernen ...

Neben Inschriften beschäftigt sich der gebürtige Stuttgarter mit sozio-ökonomischen und kulturellen Phänomenen wie Migration, Akkulturation und Integration in der Römischen Kaiserzeit: "So wie heute migrierten Menschen auch damals aus den verschiedensten Motivationen, vor allem aber aus wirtschaftlichen Gründen oder auch im Rahmen des Militärdienstes", erklärt Mitthof, der in diesem Bereich noch viel Forschungspotenzial sieht.

Auch die Prozesse der Identitätsbildung im Römischen Reich vergleicht er mit jenen in der EU: "Ähnlich wie das Römische Reich – das über hundert Ethnien und Sprachen unter einem Dach vereinte – bildet die EU einen Gesamtrahmen und wirkt auf das Selbstverständnis der einzelnen Nationalstaaten", erklärt der Wissenschafter. Die EU könne sich einiges vom alten Rom – immerhin eine der langlebigsten politischen Formationen – abschauen: "Die Römer haben sich von Anfang an als Gemeinschaft gesehen. Sie waren offen gegenüber Neuem, überaus lernfähig, haben ständig neue Elemente integriert und Unterschiede geschickt nivelliert", beschreibt er die Hauptgründe für den Erfolg des Römischen Reichs.

... dakische Stätten schützen ...


Das antike Südosteuropa bildet den zweiten Forschungsschwerpunkt, mit dem sich der Historiker befasst: "Wien hat traditionell eine große Bedeutung für die antike Geschichte des unteren Donauraums und könnte bei dem Prozess der historischen Standortbestimmung in der Region eine wichtige Rolle spielen."

Sein erstes Ziel ist Rumänien, wo gravierende Missstände wie Raubgräberei und Vandalismus dazu führten, dass sich wertvolle archäologische Fundkomplexe heute in einem desolaten Zustand befinden. "Die dakische – sprich antike –Vergangenheit Rumäniens bildet einerseits ein essentielles Element der nationalen Identität, wird andererseits aber noch immer verzerrt wahrgenommen: Denn unter dem kommunistischen Ceauşescu-Regime wurde die archäologische Forschungsarbeit politisch gesteuert und die Geschichte zum Teil verfälscht", erklärt Mitthof, der zurzeit Gelder aus der österreichischen Wirtschaft anwirbt. Im Rahmen eines groß angelegten Projekts will er die zahlreichen archäologischen Stätten im siebenbürgischen Orăştie-Gebirge schützen, restaurieren und für den sanften Tourismus zugänglich machen.

... und Wissen austauschen


"Mein drittes Standbein ist die Papyrologie", so der 47-Jährige. Bei der Aufarbeitung verschiedener Sammlungen setzt der Altertumswissenschafter vor allem auf die verstärkte Zusammenarbeit mit Osteuropa und dem Kaukasus: "Wir werden Studierende nach Wien einladen und hier ausbilden, damit sie anschließend ihr Wissen in ihrem Heimatland implementieren können." Der Professor will die Studierenden so früh wie möglich an die Forschung heranführen.

Tradition und Innovation


Diese drei Forschungsschwerpunkte sind Teil eines ambitionierten Konzepts und bezeichnend für die neue Ära, die am Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik derzeit eingeleitet wird: Mitthof hat sich – gemeinsam mit seinen KollegInnen am Institut – zum Ziel gesetzt, die Alte Geschichte mit aktuellen Themen zu verbinden. Zusätzlich sind eine intensivere Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen und die Förderung des internationalen Austauschs geplant.

"Wien hat als Forschungsstandort gerade in unserer Disziplin eine lange Tradition und genießt einen guten Ruf. Diesen wollen wir vor allem in Hinblick auf internationale Kooperationen und den Austausch von Studierenden verstärkt nutzen", meint der Historiker, der bereits 1998 als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Österreichischen Akademie der Wissenschaften nach Wien gekommen ist. "Wegen der einzigartigen Konzentration von Kompetenz, den zahlreichen Forschungsinstitutionen, Museen und Bibliotheken bildet Wien ein ideales und äußerst interessantes Arbeitsumfeld", meint der Wissenschafter abschließend. (ps)

Die Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. Fritz Mitthof vom Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik zum Thema "Imperium und Identität: Ethnische Prozesse im Römischen Reich" findet am Donnerstag, 3. März 2011 um 17 Uhr gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Thomas Corsten, ebenfalls Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik, im großen Festsaal der Universität Wien statt.