Eva Horn: Politisches Geheimnis und Verschwörungen

Geheimnis, Verschwörung und Verrat: Das sind nicht nur die Zutaten für so manchen Bestseller, sondern u.a. auch die Forschungsschwerpunkte der Germanistin Eva Horn, die seit Februar 2009 die Professur für Neuere deutsche Literatur an der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät innehat. Am Freitag, 15. April 2011, 17 Uhr, hält sie ihre Antrittsvorlesung zum Thema "Depesche nach Wien. Kleists Herrmannsschlacht und die Politik der Literatur".

Spaß an Literatur, am Schreiben und Formulieren hatte Eva Horn schon in ihrer Schulzeit, die sie in Bielefeld verbrachte. Zu ihren Lieblingsautoren zählten damals Franz Kafka und der "zutiefst preußische" Schriftsteller Heinrich von Kleist. "Ich hatte schon damals großen Respekt vor Kleist, aber auch ein leises Grausen. Das hat sich bis heute nicht geändert", erzählt die Germanistin. So war es für Eva Horn keine leichte Entscheidung, als sie letztes Jahr einen Ruf an ihre frühere Alma Mater, die Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder, der Geburtsstadt des großen deutschen Dramatikers, erhielt und sich dann doch "gegen die Heimat und für Wien" entschied.

Heute ist sie sehr froh über ihre Wahl: "Wien ist eine sympathische und umwerfend interessante Stadt, über die ich zur Zeit auch viel lese. Das Wienerische ist für meine doch sehr preußische Mentalität eine ganz gute Korrektur", schmunzelt Horn: "Auch die Atmosphäre am Institut für Germanistik und insbesondere die Arbeit mit meinen StudentInnen und DoktorandInnen hier machen mir außerordentlich viel Spaß."

Brückenschlag nach Wien

Gerade in letzter Zeit widmete sich Eva Horn wieder vermehrt ihrem Lieblingsautor Kleist, nicht nur weil 2011 das Kleist-Gedenkjahr ist – im Herbst jährt sich sein Todestag zum 200. Mal –, sondern auch, um ihre "Entscheidung, in Wien zu bleiben, vielleicht doch etwas zu kompensieren." Um die Verbindung von Heinrich von Kleist und Wien geht es auch in der Antrittsvorlesung der neuen Professorin, die Kleists Drama "Die Hermannsschlacht" behandelt.

"Die Herrmannsschlacht entwirft ein unglaublich gewalttätiges und hinterlistiges Kriegsszenario rund um die Schlacht im Teutoburger Wald. Aber eigentlich geht es um den Krieg der Preußen und Österreicher gegen Napoleon", so Horn: "Kleist wollte unbedingt, dass die Uraufführung in Wien stattfindet, um so die Österreicher zu einer Allianz mit Preußen gegen Napoleon zu motivieren." Doch Preußen zog nicht mit, und Österreich verlor in der Schlacht bei Wagram 1809 gegen Napoleons Truppen. Somit entfiel Wien als Aufführungsort – Heinrich von Kleist erlebte die Premiere seines Stücks nicht mehr, sie fand erst 1860 in Breslau statt.

Von Kriegsszenarien zur Spionage

Krieg in der Literatur beschäftigte die Germanistin bereits Mitte der 1990er Jahre an der Universität Konstanz: Dort war sie als Postdoc und wissenschaftliche Mitarbeiterin des Projekts "Anthropologie des Krieges. Literatur und Humanwissenschaften 1914-1939" beschäftigt. Daraus entwickelte sich ihr Interesse für den Themenkomplex "Politisches Geheimnis, Verrat und Verschwörungen", der bis heute zu ihren Forschungsschwerpunkten zählt. "Verrat und Spionage sind, wenn man so will,  die 'spielerische Seite' von Krieg. Ich war froh über die Entdeckung dieses neuen Aspekts", so Horn: "Obwohl das Spionage-Thema natürlich keineswegs moralischer als der Krieg selbst ist."

Spionage, Staatsgeheimnis und Verrat sind ihr zufolge durchaus nicht nur Inhalte von Unterhaltungsliteratur, sondern "ganz große Themen der Weltliteratur, die sich von der Bibel und Shakespeare über Bertolt Brecht und Jorge Luis Borges bis hin zu Graham Greene oder John LeCarré finden". "Die politischen Verhältnisse werden von der Literatur beobachtet und kommentiert. Ich lerne zum Beispiel von Romanen von John LeCarré weitaus mehr über die heutige Struktur der politischen Geheimhaltung als von Wikileaks, die einen naiven Glauben an die reine Wahrheit vertreten, die man einfach nur veröffentlichen muss", sagt die Wissenschafterin, die sich für ihre Recherchen auch schon mal mit ehemaligen Geheimdienstleuten vom deutschen Bundesnachrichtendienst trifft.

Der britische Autor und ehemalige MI6-Mitarbeiter John LeCarré hat es ihr besonders angetan: "Er besitzt durch seine Tätigkeit beim britischen Secret Service ein unglaubliches Insiderwissen, aber er schreibt keinen Tatsachenbericht, sondern wählt die Literatur", so Horn: "Da er seine Stoffe als Fiktion präsentiert, muss er sich auch nicht an die Geheimhaltungsklauseln halten, die jeder Ex-Geheimdienstmitarbeiter unterschreiben muss, und kann über das Medium Literatur sehr präzise die wirklichen politischen  Hintergründe darstellen."

Volle Seminare und Hörsäle

Bei Inhalten wie diesen ist es kein Wunder, dass die Seminare und Vorlesungen der Germanistin gut besucht sind: "Das Thema 'Verschwörung in der Literatur' ist natürlich ansprechend für Studierende." Auch Horn selbst hat Freude daran: "Das ist der Vorteil an unserem großen Institut mit seinem umfangreichen, breitgefächerten Angebot: Die meisten StudentInnen kommen zu meinen Vorlesungen, weil sie sie wirklich interessieren, und nicht, weil es eine Pflichtveranstaltung ist."

Kunst im Arbeitszimmer

Weniger geheimnisvoll, dafür umso künstlerischer gestaltet Eva Horn ihr Büro am Institut für Germanistik: Sie lädt Wiener KünstlerInnen ein, ihre Bilder eine Zeit lang bei ihr auszustellen. Derzeit zeigt sie vier Bilder-Collagen der Wiener Künstlerin Stephanie Guse in ihrem Zimmer. Den nächsten Künstler hat Horn auch schon im Auge, es wird der Maler Christian Bazant. Wiener Kunst an die Wiener Universität zu bringen ist der Germanistin ein Anliegen – und auch BesucherInnen, KollegInnen und Studierende freut es. (td)

Die Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. Eva Horn vom Institut für Germanistik zum Thema "Depesche nach Wien. Kleists Herrmannsschlacht und die Politik der Literatur" findet am Freitag, 15. April 2011, um 17 Uhr gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Stephan Müller, ebenfalls Institut für Germanistik, im Großen Festsaal der Universität Wien statt.