Erhellender Unterricht

Seit zwei Jahren leitet Lutz-Helmut Schön das Zentrum für LehrerInnenbildung und damit die Aktivitäten zur Weiterentwicklung der Lehramtsstudien an der größten LehrerInnenausbildnerin Österreichs. Das Jahr des Lichts nimmt der Physikdidaktiker zum Anlass, seine Antrittsvorlesung "nachzuholen".

uni:view: Herr Prof. Schön, Sie sind Physikdidaktiker – und seit 2013 Leiter des Zentrums für LehrerInnenbildung der Universität Wien. Das Jahr 2015 wurde von der UNESCO zum "Jahr des Lichts" erklärt. Was hat das eine mit dem anderen zu tun – kurzum, warum haben Sie Ihre Antrittsvorlesung dem Thema "Licht" gewidmet?

Lutz-Helmut Schön: In den Erläuterungen der UNESCO zum Jahr des Lichts heißt es: "Keinem anderen Naturphänomen kommt eine vergleichbar prägende Rolle für die menschliche Zivilisation in unterschiedlichsten kulturellen Kontexten zu." Und weiter, dass kein anderes Naturphänomen für einen "engagierten Dialog zwischen Natur-, Geistes- und Kulturwissenschaften, Kunst und Religion" besser geeignet sei (nachzulesen auf der dt. Website zum Jahr des Lichts).

Tatsächlich hat für die Physik die Beschreibung des Lichts eine derart herausragende Rolle gespielt, dass der Entdecker des Elektrons, der Physiker J.J. Thompson 1925 sogar formuliert: "Die Untersuchung des Lichts hat zu Leistungen der Erkenntnis, Phantasie und Erfindungsgabe geführt, die auf keinem Gebiet geistiger Betätigung übertroffen wurden. Sie zeigt auch besser als jede andere Disziplin der Physik, wie wechselhaft das Schicksal von Theorien ist."

In meinen Forschungsarbeiten zur Didaktik der Physik habe ich mich sehr intensiv mit der Optik beschäftigt – und hier insbesondere den phänomenologischen Zugang zu diesem Sachgebiet der Physik untersucht und für den schulischen Physikunterricht von der Sekundarstufe I (Anm.: in Österreich die Schulstufen 5-8) bis in die Oberstufe aufbereitet. An der Humboldt-Universität zu Berlin haben wir über Jahre hinweg gemeinsam mit Lehrerinnen und Lehrern ein Curriculum entwickelt und erprobt, das von der Untersuchung von Licht und Schatten bis zur quantenelektrodynamischen Theorie des Lichts reicht – Elemente dieses Curriculums fanden Eingang in Lehrpläne und Schulbücher.  

uni:view: In Ihrer Antrittsvorlesung am 15. April 2015 wollen Sie die Frage "Was ist Licht?" aus physikalischer und didaktischer Perspektive "beleuchten" …

Schön: Zum Einstieg auch ein wenig aus einem kulturwissenschaftlichen Blickwinkel. Dann zeige ich den "klassischen Weg" des Optikunterrichts auf und stelle ihn den fachdidaktischen Untersuchungen zu seiner Wirkung gegenüber. Und schließlich möchte ich die zentralen Elemente des von uns entwickelten phänomenologischen Zugangs vorstellen – u.a. am Beispiel einer vereinfachten Form der aktuellen Theorie des Lichts.

uni:view: Bei Ihrer Antrittsvorlesung darf man sich also spannende Einblicke in die Physikdidaktikforschung erwarten. An der Universität Wien hat Sie in den vergangenen beiden Jahren aber ein ganz anderes Thema intensiv beschäftigt: Sie haben das Zentrum für LehrerInnenbildung aufgebaut. Was war dabei Ihre Hauptaufgabe, und welche Milestones sind schon geschafft?

Schön: Die gemeinsame Aufgabe des Zentrums für LehrerInnenbildung (ZLB) und aller an der Lehramtsbildung beteiligten Fakultäten und Zentren ist es, mit einem angemessenen Studienangebot der Universität inhaltlich und strukturell auf die veränderten Bedürfnisse einer modernen Schule vorzubereiten. Wir wollen dazu beizutragen, diesen Wandel der Schule auf der Grundlage wissenschaftlicher Expertise zu gestalten.

In den vergangen zwei Jahren hat das ZLB zunächst die Entwicklung der neuen Bachelorstudien begleitet und in den letzten Monaten die der Masterstudien soweit vorbereitet, dass sie im Senat verabschiedet werden können. Im Rahmen dieser Studiengänge sind unter anderem die pädagogisch-praktischen Studien neu zu strukturieren und zu koordinieren, eine fächerübergreifende Aufgabe!

uni:view: Was sind die nächsten Herausforderungen?

Schön: Eine große Herausforderung stellt die Entwicklung einer angemessenen Kooperation mit den Pädagogischen Hochschulen in der Region Nord-Ost dar, an der das ZLB nachhaltig beteiligt ist. Hier versteht sich das Zentrum auch als Initiator konkreter Kooperationsprojekte. An unserer Universität gibt es eine Fülle unterschiedlicher Kooperationen mit Schulen bzw. einzelnen Lehrerinnen und Lehrern. Das ZLB hat einheitliche Kriterien für solche Kooperationen entwickelt, die mit der Verleihung des Titels "Kooperationsschulen" bzw. "Kooperationsschule plus" nach außen sichtbar gemacht werden.

uni:view:
Sie haben auch unterschiedliche Initiativen entwickelt, um die Forschungsaktivitäten der Bildungswissenschaft und der Fachdidaktiken im Bereich Lehren und Lernen zu unterstützen.


Schön: Neu ist z.B. das Format des Forschungsforums, das – mit einem wissenschaftlichen Table Talk bei einem gemeinsamen Mittagessen – fachübergreifende Forschungsideen befördern will und schließlich auch unterstützen wird. Am 22. April 2015 wird der erste Table Talk Kolleginnen und Kollegen an einem Mittagstisch versammeln, die an Forschung im Bereich des Lehrens und Lernens interessiert sind.

uni:view: Bleibt bei all diesen Aufgaben am Zentrum für LehrerInnenbildung noch Raum für fachdidaktische Forschung?

Schön: Leider nur wenig ... Besonders interessiert es mich weiterhin, wie der phänomenbasierte Unterricht das Interesse und den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern beeinflusst. Zahlreiche Studien zeigen, dass das Image des Faches Physik und das Interesse bei Schülerinnen und Schülern gering ist. Umgekehrt berichten Lehrkräfte, die in ihrem Physikunterricht von den Wahrnehmungen und alltäglichen Erfahrungen ausgehen und daraus schrittweise die physikalische Begrifflichkeit entwickeln, aber von einem nachhaltigen Interesse der Lernenden. Den Erfolg von phänomenbasiertem Unterricht haben wir bereits auf Basis der von uns entwickelten Unterrichtseinheiten zur Optik untersucht.

Aktuell verfolge ich mit Interesse eine Studie meiner KollgInnen in Berlin – sie gehen einer Beobachtung nach, wonach Schülerinnen und Schüler in der Grundschule (Volksschule) mehr Interesse für Physikthemen zeigen als in der Sekundarstufe I. In Berlin sind SchülerInnen im Alter von 11 bis 12 Jahren entweder noch in der sechsjährigen Grundschule oder bereits im "grundständigen" Gymnasium, wobei beide Gruppen den gleichen Lehrplan Naturwissenschaft haben. Diese spezielle Berliner Schulsituation erlaubt es zu untersuchen, welche Faktoren Einfluss auf das Physikinteresse der Kinder haben.

uni:view: Was macht für Sie "erhellenden Unterricht" aus?

Schön: Wenn es gelingt, in den Schülerinnen und Schülern die Begeisterung für die Thematik zu wecken, dann stellen sich in der Regel auch das Interesse und ein größerer Lernerfolg ein. Voraussetzung hierfür ist wiederum die Begeisterung der Lehrerin oder des Lehrers für die Inhalte des Unterrichts, selbst noch nach vielen Jahren vor der Klasse. Indem die Universität erklärt, wie Wissen entstanden ist, und unmittelbar erleben lässt, wie neues Wissen entsteht, kann sie in den Studierenden diese Faszination für das Fach entfachen. (br)
     
Univ.-Prof. Dr. Lutz-Helmut Schön, Professor für Didaktik der Naturwissenschaften am Zentrum für LehrerInnenbildung der Universität Wien, hält am Mittwoch, 15. April 2015, um 17 Uhr im Kleinen Festsaal der Universität Wien seine Antrittsvorlesung zum Thema "Was ist Licht? – Versuch einer Antwort aus physikalischer und didaktischer Perspektive".


Veranstaltungstipp:
Forschungsforum - Table Talk: "Das Experiment im Unterricht" mit Table Speaker Andreas Gelhard
Mittwoch, 22. April 2015
Weitere Informationen und Anmeldung