Christopher Gerner: Die Klaviatur der Bioanalytik
| 21. Januar 2013Forschungsideen und neue Erkenntnisse bis zur klinischen bzw. medizinischen Anwendung bringen: Das ist das erklärte Ziel und zugleich die größte Herausforderung für Christopher Gerner, seit März 2012 Professor für Trenntechniken und Bioanalytik an der Fakultät für Chemie.
Mit zehn Jahren richtete er sein eigenes kleines Chemielabor im Keller ein, mit zwölf besaß er bereits eine stolze Sammlung von über 200 Chemikalien. "Heute wundere ich mich darüber, wie ich zu all den Stoffen gekommen bin", schmunzelt Christopher Gerner rückblickend. Sein zweites Steckenpferd war und ist die Musik, vor allem die Kammermusik. "Die Vorstellung acht Stunden am Tag Violine zu üben, war aber doch etwas abschreckend und so habe ich mich gegen das Musik- und für das Chemiestudium entschieden", erinnert sich der neue Professor für Trenntechniken und Bioanalytik. Bis heute hat er diese Entscheidung nicht bereut. Altbekannte aber bislang unverstandene biologische Phänomene mit modernen Technologien entschlüsseln und Einblick in molekulare Mechanismen erhalten: "Das macht für mich den Beruf als Wissenschafter einfach unglaublich spannend."
Krebsforschung
In diesem Zusammenhang kommt der Vorstand des Instituts für Analytische Chemie gleich auf sein Lieblingsthema zu sprechen: Die Tumor-Stroma-Interaktionen. "Dabei geht es um das Verständnis von Tumorerkrankungen als systemische Erkrankung: Ich sehe diese nicht nur als lokale Erkrankung mit einer 'verrücktspielenden' mutierten Zelle, sondern auch als eine Erkrankung des Wirts, welcher der mutierten Zelle das Überleben erst ermöglicht." Nach über zehn Jahren am Institut für Krebsforschung (vormals der Universität Wien und seit 2004 der MedUni Wien) forscht Gerner nun wieder an der Fakultät für Chemie – wo er vor 15 Jahren promoviert hat. "Die Universität Wien bietet mit den neuen Topgeräten viele technische Möglichkeiten: Ich kann jetzt experimentelle Vorhaben realisieren, die vorher nicht möglich gewesen wären", freut sich der Biochemiker. Eines dieser "Topgeräte" ist das Massenspektrometer – von Insidern liebevoll "Masse" genannt.
| Die Antrittsvorlesung von Christopher Gerner findet am 25. Jänner 2013 im Rahmen der Eröffnung des Massenspektrometriezentrums |
---|
Mut zum Komplexen
"Das nicht Messbare messbar machen" – mit den Hightech-Geräten möchte der stellvertretende Leiter des Massenspektrometriezentrums bisher Unzugängliches zugänglich machen. "Die klassische Analytik bezieht sich zumeist auf die Messung einzelner Moleküle und deren Quantifizierung. Mit den neuen Techniken können wir viele Moleküle gleichzeitig messen – und das mit einer unglaublich hohen Empfindlichkeit und Genauigkeit." Das bedeutet aber auch mehr Aufwand in der Datenauswertung und -interpretation. Die Verknüpfung vieler Messparameter schafft Zugänge zu Mechanismen die keiner direkten Analyse zugänglich sind. "In der Natur ist nichts monokausal, sondern sehr komplex, weshalb wir stets verschiedene Aspekte gleichzeitig betrachten – und neben der Chemie auch die Biologie, Physiologie, und Pathophysiologie im Auge behalten müssen", so der Chemiker, der mit seiner Forschungsgruppe biomedizinische Anwendungen entwickelt.
Individualisierte Therapie
PatientInnen erwarten von jedem Medikament eine bestimmte – auf die jeweilige Symptomatik zugeschnittene – Wirkung."Bei chronischen Erkrankungen bleibt diese jedoch oft aus", erklärt Gerner. Um für die oder den Einzelne/n das passende Medikament zu finden, isoliert er menschliche Zellen und beobachtet im Reagenzglas die Reaktion auf verschiedene Wirkstoffe: "Mit diesem systematischen Ansatz nehmen wir das Reaktionsprofil der Zellen im Detail auf. Welche Wirkstoffe zeigen die gewünschten Effekte?" So hat sich z.B. gezeigt, dass Zellen aus chronisch erkranktem Gewebe schon auf Standardmedikamente wie etwa Entzündungshemmer nicht erwartungsgemäß reagieren.
Vom Reagenzglas …
"Chronische Entzündungen sind die 'Hauptkrux' der modernen Medizin: Von Arthrose über Krebs bis hin zu neurodegenerativen Erkrankungen kann fast alles auf chronisch entzündliche Erkrankungen zurückgeführt werden", argumentiert der Wissenschafter, der das Versagen der Medikamente untersucht und Alternativen testet. Dafür beobachtet seine Forschungsgruppe die Reaktionen der Zellen nicht nur im Reagenzglas: "Über entsprechende Biomarker im Blutserum studieren wir die Wirksamkeit der Medikamente". Klinische Studien sind für Gerner der nächste Schritt. "Wir forschen seit längerem an einer bestimmten Leukämieform: In Zusammenarbeit mit dem AKH wollen wir den, für den jeweiligen Patienten optimalen Wirkstoff finden und klinisch testen."
… zur klinischen Anwendung
Die Umsetzung von Forschungsideen auf kommerzielle, sprich medizinische Anwendungen hat sich Gerner auf die Fahnen geheftet. Dass es – nicht nur in der Biomedizin – noch viel zu forschen und großes Verbesserungspotenzial gibt, möchte er auch seinen Studierenden verdeutlichen. "Viele glauben, dass schon fast alles Wissen vorhanden sei. Aber je mehr man weiß, desto mehr Lücken und auch potenzielle Anwendungsmöglichkeiten kommen zum Vorschein", so der neue Professor, der seinen Studierenden beibringen möchte, gelerntes Wissen richtig umzusetzen. Aber zuvor "predigt" er ihnen vor allem eines: "Lernen, lernen, lernen". (ps)
Die Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Mag. Dr. Christopher Gerner, Vorstand des Instituts für Analytische Chemie, zum Thema "Das nicht Messbare messbar machen: Einblick in unerwartete Wirkstoffeffekte auf menschliche Zellen durch Massenspektrometrie und Ausblick auf individualisierte Therapie-Optionen" findet am Freitag, 25. Jänner 2013, um 16. 30 Uhr im Auer von Welsbach-Hörsaal der Universität Wien statt.
Downloads:
Einladung_Eroeffnung_AV_Emeritierung_WEB_01.pdf
Dateigröße: 170,17 KB