Christian F. W. Becker ist der "Protein Maker"

Das spannende Forschungsumfeld und die hohe Lebensqualität haben Christian F. W. Becker nach Wien gelockt. Im letzten Jahr hat der neue Professor an der Universität Wien das Institut für Biologische Chemie aufgebaut und neben seinem wissenschaftlichen Know-how auch Wirtschaftskompetenz eingebracht.

"Die Möglichkeit, hier etwas Neues aufzubauen, war besonders reizvoll", betont Christian Becker. Im November hat er mit seiner Arbeitsgruppe das Institut für Biologische Chemie bezogen: "Einige Berufungen sind noch offen und vieles an der Fakultät ist im Um-, bzw. Aufbau – also eine spannende Phase, die viele Gestaltungsmöglichkeiten bietet." Auch die Nähe zur Fakultät für Lebenswissenschaften und den Max F. Perutz Laboratories – sowie Wien als wachsender Wissenschaftsstandort auf den Gebieten der Biochemie und Zellbiologie – weiß der Wissenschafter an seinem neuen Arbeitsplatz zu schätzen.

Berufsbild Chemiker

Vor seiner Habilitation im Jahr 2008 – und der Professur für Proteinchemie an der Technischen Universität München – war Christian Becker Arbeitsgruppenleiter am Max-Planck Institut für molekulare Physiologie in Dortmund. An der Universität Wien ist er nun im ständigen Kontakt mit Studierenden, die er vor allem über Praktika und Mitarbeit am Institut an die Spitzenforschung heranführen will: "Diese Verbindung von Theorie und praxisnahen Experimenten ist das, was den Beruf des Chemikers so faszinierend macht", meint Becker.


"Wenn ein Student in der Vorlesung etwas über bestimmte Chemikalien lernt, heißt das nicht, dass er im Labor mit den Substanzen umzugehen weiß", so Christian Becker, Vorstand des Instituts für Biologische Chemie und Professor für Biologische Chemie. Deshalb ist für ihn die praktische Laborausbildung im Chemiestudium – wie sie an der Universität Wien angeboten wird – sehr wichtig.



Laborschneiderei

An seinem neuen Institut "schneidert" er Moleküle nach Maß: Die Arbeitsgruppe des Institutsvorstands beschäftigt sich vor allem mit der kontrollierten chemischen Veränderung von Proteinen. "Wir entwickeln Varianten dieser Moleküle für bestimmte Anwendungen." Zum einen für grundlegende biologische Fragestellungen, zum anderen für therapeutische – sprich medizinische – und nicht zuletzt biotechnologische Anwendungen. Geschneidert wird hier natürlich "chemisch", um ein möglichst naturnahes Ergebnis zu erlangen: "Dafür kombinieren wir chemische Synthese mit molekularbiologischen Methoden zur Expressionen von Proteinen."

Der Mix aus chemisch-synthetischen Methoden und molekularbiologischen sowie zellbiologischen Ansätzen macht die Arbeit für den Chemiker, der eng mit BiochemikerInnen und BiologInnen zusammenarbeitet, sehr spannend. Im deutschsprachigen Raum ist seine Arbeitsgruppe mit führend auf einem Gebiet, das sich in den letzten Jahren rasant entwickelt hat. "Das menschliche Genom ist sequenziert – jetzt ist die Proteinforschung das, was alle bewegt", so Becker.

Synthetische Antikörper

Maßgeschneiderte Moleküle können als synthetische Antikörper in der Krebstherapie – aber auch bei Immunerkrankungen oder Entzündungserkrankungen – eingesetzt werden: "Wir identifizieren das pathogene Gewebe und platzieren die synthetischen Antikörper genau dort, wo die Immunaktivität gewünscht ist", erklärt der Experte.

Mit solchen "multivalenten Antikörpern" beschäftigen sich auch große Pharmafirmen. So auch Syntab Therapeutics, eine Firma die Christian Becker in Deutschland mitbegründet hat und für die er nach wie vor als wissenschaftlicher Berater fungiert. "Wir arbeiten hier eng mit der Firma zusammen, wobei diese Zusammenarbeit über einen Kooperationsvertrag zwischen Universität und Firma geregelt wird", betont der Professor für Biologische Chemie. Sein Team an der Universität entwickelt die Moleküle und Syntab entwickelt sie weiter, bzw. testet, ob sich die Moleküle als potenzielle Therapeutika eignen.

Wenn Proteine krank machen

"Unabhängig von Syntab erforschen wir die biochemischen Ursachen sogenannter Prionenerkrankungen – Erkrankungen, die durch veränderte Proteine ausgelöst werden", führt der Wissenschafter einen weiteren Forschungsschwerpunkt an. Die BSE-Krise machte ein neuartiges Pathogen allgemein bekannt: Kein Virus und kein Bakterium löste die Krankheit aus, sondern ein Protein. "Demenzerkrankungen, Alzheimer und Parkinson – die großen Bedrohungen unseres Gesundheitssystems – beruhen auf ähnlichen Mechanismen: Fehlgefaltete Proteine führen zur Krankheit oder wirken neurodegenerativ und führen damit zur Demenz", ergänzt Becker. Er untersucht Prion-Proteine um herauszufinden, was bestimmte Modifikationen der Proteine auslösen. "Das neue Institut ermöglicht uns, hier weiterzugehen und neue Forschungsfelder aufzunehmen", freut sich der Biochemiker.

"Biotech"


Eines davon ist die Biotechnologie: Die ChemikerInnen rund um Becker machen sich Proteine mit Hilfe von gezielt veränderten Peptidsequenzen für biotechnologische Prozesse nutzbar. "Dafür verwenden wir unter anderem einen Mechanismus aus Kieselalgen: Diese bilden mit Hilfe von Membranen und Proteinen hoch organisierte Siliziumablagerungen aus – vergleichbar mit den Prozessen in unseren Knochen", erklärt Becker die Biomineralisation, einen Forschungsschwerpunkt, der bereits in Richtung Biomaterialien weist. Den Ausgleich zur Forschung und Lehre findet der neue Professor bei seiner Familie – und beim Basketball. (ps)

Die Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. Christian Friedrich Wilhelm Becker, Vorstand des Instituts für Biologische Chemie, zum Thema "Chemisch maßgeschneiderte Proteine für die biologische Forschung" findet am Montag, 5. November 2012, um 18 Uhr im Großen Festsaal statt.