Barbara Schober: In die Gesellschaft hineinwirken
| 15. November 2012Herauszufinden, wie Unterricht gestaltet sein muss, um SchülerInnen bestmöglich zu fördern, und wie dieses Wissen auch im Bildungssystem ankommen kann – das interessiert Barbara Schober, seit Jänner 2012 Professorin für psychologische Bildungs- und Transferforschung an der Universität Wien.
"Mach dir nix draus – Mathe ist halt nicht so deins!" Gut gemeint, aber für die Motivation ein Desaster ist diese Reaktion von Eltern oder Lehrkräften auf schlechte Noten. "Die Botschaft, die beim Kind ankommt, ist: Es liegt erstens an dir. Und zweitens: Du kannst es nicht ändern", erklärt Bildungspsychologin Barbara Schober. Sie ist Expertin für Motivationsförderung in der Schule, Bildungsmotivation sowie Lebenslanges Lernen und seit Jänner 2012 Professorin an der Universität Wien.
Mit LehrerInnen ihr Feedbackverhalten zu reflektieren, damit sie durch die richtigen Worte den Selbstwert und die Lernmotivation von SchülerInnen steigern können, ist Teil eines Trainingsprogramms, das Barbara Schober gemeinsam mit Christiane Spiel und Monika Finsterwald entwickelt, an Schulen durchgeführt und evaluiert hat. "In der psychologischen Bildungs- und Transferforschung geht es uns darum, wissenschaftliche Erkenntnisse zu generieren und in die Praxis zu bringen – wie eben die motivationspsychologische Grunderkenntnis, dass LehrerInnen die Misserfolge ihrer SchülerInnen nicht auf deren Fähigkeiten zurückführen sollen."
Zur Person: |
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"Die Welt ein Stück voranbringen"
Der Mix aus Erkenntnisinteresse und Anwendungsorientierung birgt für die gebürtige Deutsche, die seit 2001 an der Universität Wien lehrt und forscht, den besonderen Reiz an ihrem noch jungen Fachgebiet. "Wie gelingt es mir, meine wissenschaftlichen Ergebnisse dort ankommen zu lassen, wo sie vielleicht jemanden voranbringen?"
Schließlich sei es auch eine wichtige Aufgabe der Universität, in die Gesellschaft hineinzuwirken. "In der Realität der heutigen Bewertungskriterien für wissenschaftlichen Erfolg wird diese Aufgabe jedoch de facto nicht besonders hoch geschätzt: Wenn es um Stellen und Karrieren geht, zählen primär High Impact-Publikationen und Drittmittel", so die Bildungspsychologin: "Da ist es eigentlich strategisch nicht sehr klug von mir, viel Zeit in schulbezogene Praxisprojekte zu investieren, die oft viel aufwändiger als experimentelle Forschung sind und viel schwieriger publiziert werden können. Diese Ambivalenz kostet mich manchmal schon viel Energie, aber ich finde das kreative Umgehen mit ihr auch spannend!"
Und neben der Verpflichtung der Universitäten, ihre Erkenntnisse in die Gesellschaft hinauszutragen, gehe es hier ja auch ganz konkret um eine Menge Geld: "Bildungsökonomische Studien haben ergeben, dass wir längerfristig Milliardenbeträge an BIP verlieren, wenn wir nicht anfangen, unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse ins Bildungssystem zu transferieren" – auch darüber wird die Professorin in ihrer Antrittsvorlesung am 21. November sprechen. Primär wird es ihr aber darum gehen zu zeigen, wie Forschung mit dem Fokus auf Transfer Bildungspsychologie gestaltet sein kann.
Lernen zwischen den Zeilen
Zurück zur Mathe-Schularbeit: Mädchen bekommen den Spruch "Ist halt nicht deins!" in diesem Fach viel öfter zu hören als Burschen. "Wenn ein Bub in Mathematik gute Noten hat, dann wird das eher seinem Talent zugeschrieben, wenn ein Mädchen erfolgreich ist, dann hat sie sich wohl sehr angestrengt", nennt Schober ein gängiges Geschlechterstereotyp – dazu hat die Genderexpertin unlängst Studien mit österreichischen Lehrkräften und Lehramtsstudierenden durchgeführt. "Aber auch unter Eltern und SchülerInnen selbst herrscht nach wie vor das Stereotyp, Burschen seien für technische Berufe geeigneter. Eltern wie Lehrkräfte wissen relativ wenig über Geschlechtsunterschiede und ihre Ursachen." In diesem Zusammenhang untersucht Barbara Schober gemeinsam mit ihrem Team, auf welche Weise Geschlechterdifferenzen im Schulunterricht vermittelt werden und entwickelt Interventionsprogramme.
"Beispielsweise haben wir im Rahmen des kürzlich abgeschlossenen Forschungsprojekts REFLECT gemeinsam mit Lehrkräften ein Trainingsprogramm durchgeführt, bei dem es darum ging, sogenannte reflexive Koedukation im Unterricht zu realisieren", so Schober: "Wie werden sich LehrerInnen der Stereotype, die sie vermitteln, bewusst, und wie können sie diese künftig im Unterricht vermeiden?" Zur Projektwebsite |
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Gemeinsamen Nenner finden
Ob es nun um die Förderung von Lebenslangem Lernen oder den Abbau von Genderdifferenzen geht: Am Anfang steht die Förderung von Selbstwert und Autonomie. "Nur dort, wo mein Selbstwert und meine Autonomie wachsen, habe ich Interesse zu lernen und am Ball zu bleiben. Gleichzeitig werden durch Selbstwert und Autonomie Geschlechtsunterschiede reduziert", erklärt Barbara Schober: "Das ist ein Kerngedanke unserer Interventionsprogramme: Jene Variablen und Parameter zu finden, die zentrale Bereiche positiv beeinflussen."
Jungen WissenschafterInnen gibt die engagierte Lehrende, die – soweit möglich – jeden Tag mit dem Fahrrad auf die Uni fährt, folgenden Tipp mit auf den Weg: "Überlege dir gut, wie wichtig dir dieser Weg ist – man muss sehr neugierig, motiviert und ausdauernd sein, denn die Wissenschaft ist ein 'gefräßiger' Beruf! Vernetze dich, trau dir zu, dass du es kannst, bleibe positiv und offen und behalte dir – denn mitunter ist das System Wissenschaft wirklich absurd – eine gute Portion Humor!" (br)
Univ.-Prof. Dipl.-Psych. Dr. Barbara Schober hält ihre Antrittsvorlesung zum Thema "Bildungspsychologische Transferforschung: Zum konstruktiven Umgang mit dem 'Theorie-Praxis-Dilemma'" am Mittwoch, 21. November 2012, um 17.30 Uhr im Kleinen Festsaal im Hauptgebäude der Universität Wien.
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Antrittsvorlesung_Schober_web_01.pdf
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