Barbara Prainsack: Die Politik der Daten

Ob DNA-Datenbanken oder personalisierte Medizin – die Politikwissenschafterin Barbara Prainsack ist eine gefragte Expertin zu aktuellen Fragen der Gesundheits- und Technologiepolitik. Seit Oktober 2017 ist sie Professorin für Vergleichende Politikfeldanalyse an der Universität Wien.

Von der Österreichischen Bioethikkommission über die Britische Royal Society of Arts, die European Group on Ethics in Science and New Technologies bis zur Königlichen Dänischen Akademie der Wissenschaften – die Liste der Mitgliedschaften in Barbara Prainsacks Lebenslauf ist durchaus beeindruckend. Das gilt ebenso für ihre akademische Laufbahn: Als junge Forscherin wird sie mit nur 32 Jahren an das renommierte King's College in London berufen, wo sie insgesamt zehn Jahre lang lehrt und forscht und sich mit internationalen KollegInnen zu brandaktuellen Themen austauscht, die Politik und Gesellschaft gleichermaßen vor spannende Herausforderungen stellen.

Ein faires System schaffen

Was müssen Behörden und MedizinerInnen etwa bei der Erstellung von DNA-Datenbanken beachten, um die Interessen der BürgerInnen zu wahren? Wie könnten sinnvolle Regulierungsmaßnahmen in einer datenintensiven personalisierten Medizin aussehen, die die Integrität und Sicherheit der gesammelten Daten gewährleisten? Was passiert, wenn durch die Nutzung dieser Daten ein Schaden für die Betroffenen entsteht? Das sind nur einige der brisanten Fragen, mit denen sich die Politikwissenschafterin beschäftigt.

"Dass es wichtig ist, sich diese Punkte genauer anzuschauen, sollte spätestens seit den jüngsten Datenskandalen klar sein", betont Barbara Prainsack: "Im Zeitalter digitaler Algorithmen, die als Geschäftsgeheimnisse behandelt werden oder aus anderen Gründen nicht transparent sind, wird es immer schwieriger nachzuvollziehen, was mit den eigenen Daten passiert. Mir geht es darum, ein faires System zu schaffen. Deshalb versuche ich, Ideen und Lösungsvorschläge zu entwickeln, die BürgerInnen besser unterstützen, die durch die Nutzung ihrer Daten einen Schaden erlitten haben, und zugleich Anreize zur Nutzung von Daten für gemeinnützige Zwecke geben".

Lesetipp:
"Unliking Facebook: Was wir aus Datenskandalen lernen können"
Blog-Beitrag von Barbara Prainsack auf derStandard.at

Faszination seit frühesten Studientagen

Wenn es um solche heiklen sozialen und ethischen Aspekte der Gesundheits-, Medizin- und Technologiepolitik geht, merkt man allein im Gespräch die starke persönliche Faszination, die Prainsack mit ihrem Forschungsthema verbindet. Diese geht laut eigener Aussage schon auf ihre frühesten Studientage zurück, als die gebürtige Klagenfurterin noch als Studentin am Institut für Politikwissenschaft in Wien eingeschrieben war. Gleich zu Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere stand dann auch eine Doktorarbeit zur Regulierung der embryonalen Stammzellenforschung.

Danach ging es Schlag auf Schlag: Schon während ihrer Postdoc-Stelle am Wiener Institut folgte sie zahleichen Einladungen als Gastwissenschafterin z.B. nach Thailand (2005) und Wales (2006). Schon 2007 kam dann der Wechsel ans King's College, wo sie zuerst als Senior Lecturer und später als Associate Professor am Centre for Biomedicine & Society tätig war. Nach einem kurzen Intermezzo als Gastdozentin an der Goethe Universität in Frankfurt am Main (2010) ging es wieder zurück nach London – als Professorin für Soziologie und Politik der Biowissenschaften an der Brunel University (2011/2012) und als Professorin am Department of Global Health & Social Medicine des King’s College (2013-2017).

Rückkehr nach Wien

Die Entscheidung, ihr langjähriges Dienstverhältnis an der britischen Eliteinstitution zu beenden und für ihre mittlerweile dritte Professur wieder an ihre Alma Mater zurückzukehren, ist u.a. dem "Brexit" zu verdanken. "Ich hatte auch noch andere Angebote aus dem Ausland, habe mich aber bewusst für Wien entschieden, auch weil man hier noch vergleichsweise viel Zeit mit Forschung verbringen kann", so Prainsack. In Großbritannien sei der bürokratische Aufwand dagegen "ein wahrer Arbeitszeitfresser" gewesen.

Zeit für Forschung benötigt Barbara Prainsack, denn im Moment ist sie gleich in mehrere Projekte involviert. "Eines davon befasst sich mit der forensischen DNA-Analyse und untersucht, auf welche Weise man neue Technologien in diesem Anwendungsfeld so gestalten kann, dass sie nicht nur rechtskonform sind, sondern das Risiko negativer gesellschaftlicher Effekte von vornherein minimieren. "Es geht also nicht darum, zuerst die Technologie zu entwickeln und dann zu schauen, wie man sie 'gut' implementieren kann, sondern darum, grund- und datenschutzrechtliche, soziale und ethische Aspekte bereits in der Technologieentwicklung zu berücksichtigen", erläutert die Wissenschafterin.

Ein weiteres Projekt beschäftigt sich mit der Rolle solidaritätsbasierter Politikinhalte und Institutionen in unterschiedlichen Politikfeldern. "Die dritte Säule meiner Forschungsarbeit betrifft partizipative Formen der Wissensgenerierung – zum Beispiel auch 'Citizen Science'. Dazu haben wir etwa empirische Studien publiziert, die aufzeigen, wie und warum BürgerInnen an solchen Initiativen teilnehmen", schildert Prainsack.

In ihrer Antrittsvorlesung am 7. Juni, die sie gemeinsam mit dem Rechtswissenschafter Nikolaus Forgó halten wird (Einladung), wird sich Barbara Prainsack u.a. mit der Frage beschäftigen, wie wir an und in der Zukunft arbeiten werden. Vor dem Hintergrund der Digitalisierung und "Datafizierung" unserer Gesellschaft wird häufig der Ruf nach besserem Datenschutz laut. Damit, argumentiert Prainsack, ist es jedoch nicht getan: Wir brauchen eine neue Gesellschaftsordnung.

Arbeit als Belohnung

Neben den verschiedenen Aufgaben, welche die engagierte Wissenschafterin in ihrer Forschung und Lehre wahrnimmt, findet sie auch noch Zeit für vielfältige Beratungstätigkeiten. So ist sie zum Beispiel mindestens einmal pro Monat in Brüssel, wo sie seit 2017 in der European Group on Ethics in Science and New Technologies, einem Beratungsgremium der Europäischen Kommission, ihre Expertise einbringt.

"Obwohl es manchmal nicht ganz einfach ist, das alles unter einen Hut zu bringen, empfinde ich meine Arbeit als sehr sinnerfüllend und freudvoll. Mein Ziel war es immer, ein Leben zu führen, in dem man sich nicht für die getane Arbeit belohnen muss, sondern die Arbeit selbst die Belohnung ist. Ich habe das Glück, dass das bei mir in der Summe sehr gut funktioniert", so Prainsack. (ms)

Barbara Prainsack ist seit Oktober 2017 Professorin für Vergleichende Politikfeldanalyse am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien. Am Mittwoch, 7. Juni 2018, hält sie um 17:30 Uhr im Juridicum der Universität Wien gemeinsam mit Nikolaus Forgó vom Institut für Innovation und Digitalisierung im Recht ihre Antrittsvorlesung zum Thema "An (und in) der Zukunft arbeiten: Gesellschaftsordnungen im Zeitalter der Digitalisierung". Einladung zur Antrittsvorlesung (PDF)