Arnd Florack: Kaufen oder nicht kaufen?
| 03. Januar 2012Warum – und vor allem wie – entscheiden wir uns für bestimmte Produkte? Welche Strategien hinter unserem Konsumverhalten stehen und welche Rolle dabei das soziale Umfeld spielt, untersucht und lehrt Arnd Florack, seit 2010 Professor für Angewandte Sozialpsychologie.
"KonsumentInnen denken nicht immer rational, wenn sie vor einer Kaufentscheidung stehen", weiß Arnd Florack. Deshalb interessiert den Sozialpsychologen vor allem, was während eines solchen Entscheidungsprozesses im Gehirn abläuft. Nach einer Professur an der Zeppelin Universität Friedrichshafen, will der gebürtige Deutsche nun in Wien ein – für Europa noch relativ junges– Forschungsfeld etablieren: Denn anders als in den USA ist die KonsumentInnenverhaltensforschung in Europa eher im Marketingbereich als in der Psychologie angesiedelt.
Zwischen Selbstregulation …
Wenn wir ein Produkt sehen, wird im Gehirn die Belohnungserwartung angeregt. Gleichzeitig wird – allerdings nicht bei allen Menschen – die Selbstkontrolle aktiviert. Dies passiert meist automatisch. "Menschen, die diese Selbstregulation nie gelernt und somit nie automatisiert haben, müssen viel Energie aufwenden, um sich beim Einkauf bewusst zu kontrollieren", erklärt Florack. Es gibt verschiedene Strategien der Selbstregulation – die Menschen unterscheiden sich in der Art, wie sie Produkte auswählen. Das Interessante dabei: Ein Produkt, das mit der richtigen Strategie ausgewählt wurde, hat für die KonsumentInnen einen höheren Wert. "Das ist vor allem für Unternehmen interessant, die zum Beispiel beim Online-Einkauf die Auswahlstrategien der Kunden unterstützen können", so der Experte.
… und impulsivem Kaufverhalten
Grundsätzlich unterscheidet Florack zwischen zwei Ausrichtungen im Konsumverhalten: Die eine orientiert sich an Idealen, Hoffnungen und Wünschen, die andere an Verantwortungen sowie den Erwartungen der sozialen Umwelt. Wie erwartet lässt sich die erste Gruppe, im Gegensatz zur zweiten, leichter zu ungeplanten und impulsiven Einkäufen verleiten. In einem aktuellen Projekt untersucht Arnd Florack das impulsive Einkaufsverhalten: "Im Augenbewegungslabor zeigen wir den ProbandInnen verschiedene Produkte am Bildschirm und beobachten ihre Augenbewegungen." Während sich ImpulsivkäuferInnen auch den peripheren Bereich rund um ihr Zielprodukt anschauen und somit für andere Produkte offen bleiben – und diese schließlich im Supermarkt auch kaufen –, konzentrieren sich die anderen nur auf ihren gewünschten Artikel.
Mit dem mobilen "Eye Tracker" können die Augenbewegungen der KonsumentInnen – und somit deren Kaufverhalten – direkt im Supermarkt beobachtet werden. (Foto: SensoMotoric Instruments GmbH (SMI), www.smivision.com/egts). |
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Verrückte Effekte
Neben der Anziehungskraft des Produkts und unseren automatisierten Kontrollmechanismen wirken auch Einflüsse von außen auf unsere Kaufentscheidung: "In Experimenten finden wir immer wieder, dass sich die Leute in ihrem Kauf- und Konsumverhalten stark an andere anpassen", betont Florack. Neben den sozialen gibt es aber noch andere Faktoren, die unsere Entscheidungen beeinflussen – z.B. Musik in der Werbung: Verbinden wir einen Song mit einer bestimmten Marke, so steigt die Bereitschaft, dieses Produkt zu kaufen, sobald wir die Musik hören. "Wir haben dieses Verhalten in einem Supermarkt getestet, und die Leute haben tatsächlich öfter zu dem Produkt gegriffen – durch den Song wurde es sozusagen im Gedächtnis bereit gestellt und schneller erkannt", erzählt der Psychologe.
Unser Hirn lässt sich schon von kleinsten Details in die Irre führen: So senkt ein Salatblatt neben einem Hamburger dessen Kaloriengehalt drastisch – natürlich nur in der eigenen Einschätzung. "Nach dem Verzehr eines 'Light-Joghurts' haben Sie wahrscheinlich mehr Hunger als nach demselben Joghurt ohne Light-Aufschrift", nennt Florack einen weiteren "verrückten" Effekt.
Wissenschaft und Politik
Am 9. Jänner 2012 hält der neue Professor seine Antrittsvorlesung "Konsumentenverhalten im Spannungsfeld zwischen Regulation und Selbstregulation". Dabei will er unter anderem die aktuelle gesellschaftliche Relevanz dieses Forschungsbereichs hervorheben. Als Beispiel nennt er neben der Finanzkrise – deren Ursache Florack auch im KonsumentInnenverhalten lokalisiert –, die Nahrungsmittelkennzeichnung: Was bringt z.B. die Lebensmittelampel – die den Nährstoffgehalt des Produkts auf der Verpackung vereinfacht darstellen soll – für die VerbraucherInnen?
Welche Effekte diese und andere Verbraucherschutzmaßnahmen tatsächlich auf die KonsumentInnen haben bzw. nicht haben, wird in der Gesetzgebung meist zu wenig berücksichtigt. "Deshalb müssen wir unsere Erkenntnisse verstärkt nach außen kommunizieren", betont Florack, der dabei seine Hoffnung auf die Studierenden setzt: "Es würde mich freuen, wenn sie in ihren späteren Berufen auf das zurückgreifen, was sie in ihrem Studium und in der universitären Forschung gelernt haben." (ps)
Univ.-Prof. Dr. Arnd Florack hält am Montag, 9. Jänner 2012, um 17 Uhr im Kleinen Festsaal seine Antrittsvorlesung zum Thema "Konsumentenverhalten im Spannungsfeld zwischen Regulation und Selbstregulation".
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