Anja Lembens: Chemie erfolgreich lehren und lernen können

Täglich treffen wir Entscheidungen, die direkt oder indirekt mit Naturwissenschaften im Zusammenhang stehen. Wichtig ist dafür eine angemessene, naturwissenschaftliche Grundbildung, die auch Wissen und Fähigkeiten aus der Chemie beinhaltet. Wie Lernumgebungen zu gestalten sind, in denen die notwendigen Urteils- und Handlungskompetenzen angebahnt werden können, damit beschäftigt sich die Chemiedidaktikerin Anja Lembens.

Fachdidaktische Forschung fragt nach den Bedingungen erfolgreichen Lehrens und Lernens und schaut dabei auf die Lernenden und Lehrenden als auch auf die Kontexte, in denen das Lernen und Lehren stattfindet. Anja Lembens' Engagement für diesen Forschungsbereich führte die gebürtige Frankfurterin 2005 als Juniorprofessorin an die Pädagogische Hochschule Heidelberg und brachte sie 2008 als Inhaberin einer Vertragsprofessur für Didaktik der Chemie nach Wien, um das Österreichische Kompetenzzentrums für Didaktik der Chemie aufzubauen, das sie seitdem leitet. Gemeinsam mit den beiden Kompetenzzentren für Didaktik der Biologie und Physik hat das AECC Chemie die Aufgabe, im Bereich des Lehrens und Lernens forschend, entwickelnd und beratend sowie in der Lehre und Fortbildung tätig zu sein.

Eine junge Wissenschaftsdisziplin


Fachdidaktik ist eine interdisziplinäre und in Österreich noch recht junge Wissenschaftsdisziplin. "Vor 2008 gab es hierzulande noch keine Professur für die Didaktik der Chemie, und so sind intensive Überzeugungsarbeit und vertrauensbildende Maßnahmen notwendig, um eine Anerkennung als wissenschaftliche Disziplin zu erreichen", schildert Lembens.

Die AECCs wurden als nationale Zentren auf Initiative des damaligen gemeinsamen Ministeriums für Wissenschaft und Bildung gegründet. "Diesen Sommer konnten die drei naturwissenschaftlichen AECCs einen gemeinsamen Standort in der Porzellangasse 4 beziehen", freut sich Lembens über einen weiteren wichtigen Schritt zur Stärkung der Naturwissenschaftsdidaktiken. Bereits 2009 wurde eine jährliche Summer School zur Förderung und Vernetzung des akademischen Nachwuchses ins Leben gerufen, die sich nicht nur an die derzeit 17 DissertantInnen der drei AECCs richtet, sondern bundesweit offen ist.

Komplexe Lehr-Lernsituationen


Lehr-Lernsituationen in Schule und Hochschule sind komplex, weil die Lernenden individuelle Vorerfahrungen und unterschiedliches Vorwissen mitbringen. Sich auf diese Diversität einzulassen, entsprechende Lernangebote evidenzbasiert zu entwickeln und anzubieten, ist daher immer wieder eine Herausforderung. Schließlich geht es darum, Inhaltswissen für die Lernenden relevant zu machen, damit sie es auch außerhalb der Lernsituation angemessen und verantwortungsvoll anwenden können. Im Fach Chemie gilt es weitere Herausforderungen zu meistern: "Das Lernen von Chemie bedeutet nicht das simple Auswendiglernen von Formeln und Reaktionsmechanismen. Vielmehr müssen Konzepte verstanden und in neuen Kontexten angewendet, bewertet und kommuniziert werden. In diesem Sinne bedeutet Chemie zu lernen, immer auch das Lernen einer neuen Sprache, die zum Verstehen und angemessenen Kommunizieren von fachlichen Aspekten notwendig ist", erklärt Lembens.

Besonders wichtig ist es der Chemiedidaktikerin, dass Lehramtsstudierende den Wert empirischer Erkenntnisse fachdidaktischer Forschung für die Gestaltung eines professionellen Chemieunterrichts erfahren können: "Dazu ist es notwendig, dass sie im Laufe ihres Studiums in fachdidaktische Forschungsprojekte mit eingebunden werden. Auf diesem Wege finden evidenzbasierte Unterrichtskonzepte zügig Eingang in die Schulen."

Vielfältige Aufgaben und Ziele

Die Aufgaben, die Anja Lembens nun in Wien zukommen, sind vielfältig. Neben der fachdidaktischen Lehre und Forschung zählen dazu unter anderem die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, die Vernetzung mit regionalen Fachdidaktikzentren und -verbänden sowie Beratungstätigkeiten.

"Damit Forschung, Lehre und Fortbildung Hand in Hand gehen können, werden neben festen Kooperationsschulen angemessene Räumlichkeiten innerhalb der Universität benötigt. Im nächsten Schritt muss die Laborsituation für die Ausbildung von Chemielehrkräften an den international üblichen Standard angepasst werden", so Lembens, die an ihrer neuen Position vor allem die vielseitigen Kooperationsmöglichkeiten über die Fachgrenzen hinweg schätzt. "Für den Aufbau einer starken, international wahrgenommenen, naturwissenschaftsdidaktischen Forschung habe ich die Vision einer aktiven Zusammenarbeit nicht nur mit dem AECCs Biologie und Physik, sondern auch mit der Bildungspsychologie, der Bildungswissenschaft und weiteren Fachdidaktiken." (ms)

Die Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. Anja Lembens, Professorin für die Didaktik der Chemie und Leiterin des österreichischen Kompetenzzentrums für Didaktik der Chemie, zum Thema "Wozu Chemie lernen? Einblicke in die Didaktik der Chemie in Forschung und Lehre" findet am Mittwoch, 30. November 2011, um 17 Uhr im Kleinen Festsaal der Universität Wien statt.