Angela Kallhoff: Die angewandte Seite der Ethik

Wie verhält sich der Mensch richtig gegenüber der Natur? Welche Werte gilt es zu beachten? Spannende Fragen wie diese stehen im Zentrum der Forschung von Angela Kallhoff, seit September 2011 Professorin für Ethik mit besonderer Berücksichtigung von angewandter Ethik am Institut für Philosophie.

"PhilosophInnen, die sich mit ökologischer Ethik beschäftigen, wurden lange Zeit als Menschen belächelt, die auf einem Felsen sitzend Richtung Ozean blicken und eins mit ihrer Umwelt werden", sagt Angela Kallhoff. Dieses Image habe das Fach, das heute einen festen Bestandteil im Bereich der angewandten Ethik einnimmt, mittlerweile abgelegt. "Die Bedeutung des Themengebiets steigt zunehmend. Hier werden brandaktuelle globale Fragstellungen wie etwa die Klimaproblematik oder die gentechnische Veränderung von Pflanzen diskutiert", betont die Philosophin.


Regenwälder erfüllen im Klimahaushalt der Erde eine wichtige Funktion. Sie nehmen nicht nur klimaschädliches Kohlendioxid auf, sondern produzieren auch Dunstwolken, die die Erdoberfläche vor weiterer Erwärmung schützen. Durch Entwaldung, Feuer und Verschmutzung könnte sich der Regenwald von einem Speicher für Kohlendioxid zu einer Quelle des Treibhausgases verwandeln. (Foto: flickr.com/ighosts)



Den Antritt ihrer Professur in Wien bezeichnet die gebürtige Deutsche als "großen beruflichen Schritt": "Ich erlebe die Universität Wien als vielfältigen Arbeitsplatz. Das Institut für Philosophie ist gut aufgestellt und international besetzt. Es wurden in letzter Zeit einige neue ProfessorInnen eingestellt, die mit viel Engagement und neuen Ideen nach Wien kommen. Das Resultat ist eine besondere Energie im Haus, in der ich mich sehr wohl fühle."

Von Politik- bis Technikethik

Als Professorin beschäftigt sich Kallhoff mit der Ethik und politischen Philosophie sowie der angewandten Seite der Ethik. "Angewandte EthikerInnen formulieren ethische Richtlinien für die verschiedenen Bereiche der modernen Zivilisation, in denen unsere alltägliche moralische Intuition nicht ausreicht. Inzwischen gibt es zahlreiche Bereichsethiken, beispielsweise in der Politik, in den Medien, im Recht, in der Wirtschaft oder in Wissenschaft und Technik", so die Expertin, die auch die Ethik der Antike und Philosophie der politischen Ökonomie zu ihren Forschungsschwerpunkten zählt. Nur wer die Debatte um Gerechtigkeit in der politischen Philosophie kennt, kann beispielsweise auch kompetent über Gerechtigkeit im globalen Klimahaushalt diskutieren.

Innerhalb der ökologischen Ethik kann sie sich in erster Linie für die Pflanzenethik begeistern. "Pflanzen sind in dieser Disziplin lange Zeit wenig berücksichtigt worden. Erst nach und nach hat man erkannt, dass hier viele interessante Fragen schlummern", schildert Kallhoff. Ihr besonderes Engagement in diesem Bereich kommt nicht von ungefähr: "So ein Thema fesselt einen nur dann, wenn man selbst über eine gewisse Naturliebe verfügt. Die habe ich bereits von Kindheit an. Mich hat die vegetative Natur schon immer gefesselt."

Prägende USA-Erfahrung

Ein wichtiger Einfluss für Kallhoffs Werdegang war die renommierte US-Philosophin und Rechtswissenschafterin Martha Nussbaum, die sie während ihrer Tätigkeit als wissenschaftliche Assistentin am Philosophischen Seminar an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster kennengelernt hat. "Ich wurde dann 2003 an die Universität Chicago eingeladen, wo ich zwei Jahre lang im Rahmen eines Feodor Lynen Stipendiums der Alexander von Humboldt-Stiftung als Visiting Scholar tätig war", blickt die Wissenschafterin zurück. Nach einer anschließenden Stelle als Senior Research Fellow am Martin E. Marty Center der Divinity School – ebenfalls Universität von Chicago – kehrte sie 2005 wieder als wissenschaftliche Assistentin an die Universität in Münster zurück, wo sie schließlich 2008 habilitierte und ein Jahr später eine Vertretungsstelle des Lehrstuhls für Praktische Philosophie annahm.

"Die Zeit in Chicago hat mich sehr geprägt", so Kallhoff. Das gilt insbesondere für die Art des Umgangs mit Studierenden und ForschungskollegInnen: "Der unglaublich lebhafte und intensive wissenschaftliche Austausch, der im angloamerikanischen Bereich stattfindet, ist für mich zum großen Vorbild geworden. Mein Ziel ist es, etwas Ähnliches auch hierzulande zu forcieren. Dies gilt auch für die Lehre: Ich möchte Studierende nicht nur mit den nötigen fachlichen Grundlagen versorgen, sondern sie zugleich an die spannenden aktuellen internationalen Forschungsdebatten heranführen."

Liebenswertes Wien

Auch privat hat sich die Ehefrau und Mutter eines 5-jährigen Sohns, die ihre Freizeit mitunter mit Zeichnen, Malen, Sport und Musik verbringt, einiges vorgenommen: "Ich bin dabei, gemeinsam mit meinem Sohn die Stadt zu entdecken. Wien hat für Kinder sehr viel zu bieten, und es macht mir viel Spaß, verschiedene Angebote wie Kindermuseen, Kinderoper oder Kinderuni zu nutzen." Die österreichische Bundeshauptstadt schätzt Kallhoff dabei nicht nur wegen ihrer Bedeutung als akademischer Standort, sondern auch wegen des "manchmal fast erschlagenden kulturellen Angebots" und der allgemein "liebenswerten Lebensart". (ms)

Die Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. Angela Kallhoff, Professorin für Ethik mit besonderer Berücksichtigung von angewandter Ethik am Institut für Philosophie, findet am Mittwoch, 23. Mai 2012, gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Henning Schluß, Institut für Bildungswissenschaft, im Rahmen des Dies Facultatis der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft um 17 Uhr im Großen Festsaal der Universität Wien statt. Das Thema lautet "Das öffentliche Gut im Diskurs der politischen Ethik".