Zellteilung einmal umgekehrt

Meiose ist nicht gleich Meiose: Gabriela Cabral und Peter Schlögelhofer von den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) der Universität Wien und der MedUni Wien fanden heraus, dass bei einigen Pflanzen die Phasen der Meiose umgekehrt ablaufen.

Ohne Meiose gäbe es keine genetische Vielfalt: Bei diesem Prozess der Zellkernteilung wird die Zahl der Chromosomen, die unsere Erbanlagen tragen, halbiert und die elterlichen Chromosomen sowie Chromosomen-Abschnitte werden neu kombiniert. Die Meiose läuft in zwei Teilschritten ab: Beim Menschen wie auch den meisten anderen Organismen folgt auf die Reduktionsteilung, in der der doppelte Chromosomensatz der Ausgangszelle auf den einfachen Satz der Tochterzellen reduziert wird, die Äquitationsteilung. Sie hat zum Ziel, die nun in beiden Zellen vorhandenen Chromosomen in ihre Chromatiden, also deren Längshälften, zu teilen.

"Standardgemäße" Meiose?

Bei manchen Arten läuft die Meiose jedoch nicht "standardgemäß" ab, wie PhD-Studentin Gabriela Cabral und Gruppenleiter Peter Schlögelhofer an den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) zeigen konnten. Die ForscherInnen untersuchten die Meiose in Rhynchospora pubera und R. tenuis – weitverbreitete Pflanzen in Gabriela Cabrals Heimatland Brasilien. "Ich habe schon in Brasilien begonnen, die Meiose in diesen Pflanzen zu erforschen, und habe das Projekt 2009 nach Österreich als Teil meiner Masterarbeit 'importiert'", sagt Erstautorin Gabriela Cabral. In der Zwischenzeit arbeitet sie als PhD-Studentin mit dem Fadenwurm C. elegans als Modellorganismus.

Holozentrische Chromosomen

Und hier schließt sich der Kreis: C. elegans besitzt genauso wie die beiden untersuchten Pflanzenarten sogenannte holozentrische Chromosomen. Diese Chromosomen heften sich über ihre gesamte Länge an den Mikrotubuli des Spindelapparates an. Die Mikrotubuli sind winzige Röhren, die bei der Zellteilung eine wichtige Rolle spielen, indem sie die Chromosomen auseinanderziehen und auf die neu entstehenden Zellen aufteilen. Monozentrische Chromosomen, die etwa beim Menschen vorkommen und viel besser untersucht sind, haben ein ganz bestimmtes Zentrum (Zentromer), an dem sie an die Mikrotubuli angeheftet werden.

"Bei holozentrischen Chromosomen würden bestimmte Probleme während der Meiose auftreten, die es bei monozentrischen Chromosomen nicht gibt", erklärt Peter Schlögelhofer: "Die von uns untersuchten Pflanzen haben eine besondere Strategie, um diese Probleme zu lösen: Bei ihnen findet zuerst die Äquitationsteilung und dann erst die Reduktionsteilung statt".


Das Forscherteam untersucht die Meiose bei der "R. tenuis" – eine weitverbreitete Pflanze in Gabriela Cabrals Heimatland Brasilien. (Foto: Gabriela Cabral)



Eine atypische Teilung

Im Vergleich zur "normalen" Meiose ist es atypisch, dass sich bei dieser sogenannten invertierten Meiose die aus der Replikation hervorgegangenen Schwesterchromatiden während der ersten meiotischen Teilung trennen. Die wahre Herausforderung ist jedoch, die homologen Nicht-Schwesterchromatiden während der zweiten meiotischen Teilung richtig auf die neuentstehenden Keimzellen aufzuteilen.

Zusammen mit den KollegInnen an der Universität von Pernambuco (Brasilien) und am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (Deutschland) zeigen die WissenschafterInnen an den MFPL, dass die homologen Nicht-Schwesterchromatiden der untersuchten Pflanzenarten vor der zweiten meiotischen Teilung mit dünnen Chromatin-Fäden zusammengehalten werden. Diese Verbindungen scheinen genügend stark zu sein, um die Chromatiden während der zweiten Teilung korrekt auszurichten und zu trennen.

In ihrer neuen Studie erbringen Gabriela Cabral und Peter Schlögelhofer sowie ihre KollegInnen in Deutschland und Brasilien nicht nur eindeutige Beweise für das Vorkommen invertierter Meiose in Pflanzen, erstmalig analysieren sie in diesen auch die genauen meiotischen Prozesse. (vs)

Die Publikation "Chiasmatic and achiasmatic inverted meiosis of plants with holocentric chromosomes." (AutorInnen: Gabriela Cabral, André Marques, Veit Schubert, Andrea Pedrosa-Harand und Peter Schlögelhofer) erschien im Oktober 2014 im Fachmagazin Nature Communications.