Wittgenstein- und START-Preis für die Universität Wien

Bei der Bekanntgabe der Wittgenstein- und START-PreisträgerInnen 2011 durch Wissenschafts- und Forschungsminister Karlheinz Töchterle am Dienstag, 21. Juni 2011, zeigte sich die Universität Wien erfolgreich: Einer der beiden Wittgenstein-Preise 2011 geht an Gerhard J. Herndl, Leiter des Departments für Meeresbiologie (weiterer Wittgenstein-Preisträger: Jan-Michael Peters, Institut für Molekulare Pathologie Wien). START-Preise werden in diesem Jahr insgesamt acht vergeben: Von der Universität Wien erhält Philip Walther, Gruppe Quantenoptik, Quantennanophysik und Quanteninformation, diese hochdotierte Auszeichnung für NachwuchswissenschafterInnen.

Der Wittgenstein-Preis ist Österreichs höchstdotierter Wissenschaftspreis, der seit 1996 durch den FWF vergeben wird. Für die Dauer von fünf Jahren stehen den Wittgenstein-PreisträgerInnen bis zu 1,5 Mio. Euro für ihre wissenschaftlichen Forschungsarbeiten zur Verfügung – und hier insbesondere für die Anstellung junger WissenschafterInnen.

Ebenfalls hochdotiert und prestigeträchtig ist das START-Programm: Mit bis zu 200.000 Euro jährlich bietet es hochqualifizierten NachwuchsforscherInnen die Möglichkeit, auf längere Sicht und finanziell weitgehend abgesichert ihre Forschungsarbeiten zu planen und eine eigene Arbeitsgruppe auf- bzw. auszubauen.

Wittgenstein-Preis für Gerhard J. Herndl

Geboren 1965 in St. Pölten, studierte Gerhard J. Herndl Zoologie und Botanik an der Universität Wien (Promotion 1982 in Zoologie) und arbeitete anschließend als Post-Doc an der Scripps Institution of Oceanography der University of California, San Diego. Nach seiner Habilitation 1993 an der Universität Wien war er bis 1997 in der Abteilung Meeresbiologie am Institut für Zoologie tätig. Danach lehrte und forschte er in den Niederlanden als Professor für Biologische Ozeanographie an der Universität Groningen und war Abteilungsleiter am Königlich Niederländischen Institut für Meeresforschung auf der Insel Texel (NL). 2006 erhielt Herndl den "Roland Wollast EurOceans Award for Excellence in Ocean Research".

Gerhard J. Herndl ist seit Oktober 2008 Professor für Meeresbiologie/aquatische Biologie an der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien; 2010 erhielt er für seine Forschungen über die mikrobielle Ökologie der Tiefsee den "ERC Advanced Grant" des Europäischen Forschungsrates. Seit Jänner 2009 ist er darüber hinaus "Adjunct Senior Scientist" am Königlich Niederländischen Institut für Meeresforschung.

Mikrobielle Ozeanographie – Marine Biogeochemie

Herndl beschäftigt sich bereits seit mehr als 25 Jahren mit Fragen mikrobieller Meeresökologie und leistet dabei wesentliche Beiträge zu einem besseren Verständnis von mikrobiellen Vorgänge und Zusammenhängen in den Weltmeeren. Etwa forscht er zur Stoffwechselaktivität von Tiefsee-Mikroorganismen und deren Rolle in den Stoffkreisläufen der Meere – Prozesse, die von essenzieller Bedeutung für das Verstehen eines der größten Ökosysteme der Welt sind und deren Untersuchung nach Ereignissen wie "Fukushima" oder der Ölpest im Golf von Mexiko 2010 immer wichtiger wird. Ein besseres Verständnis des Ökosystems Meer trägt aber auch dazu bei, das Gesamtsystem Erde – etwa in Bezug auf das Thema Klimawandel – besser zu verstehen.

Diese komplexen Zusammenhänge und Fragestellungen verlangen einen ganzheitlichen Ansatz und eine Fülle methodischer Zugänge. Ziel von Gerhard Herndl und seinem Team ist es etwa, das bestehende Know-how in Bereichen wie Biogeochemie und mikrobieller Ozeanographie um Aspekte der Biotechnologie zu erweitern. "Wir wissen heute mehr über die Oberfläche des Mondes als über die Tiefsee. Daran möchte ich etwas ändern", erläutert Gerhard Herndl seine Forschungsziele: "Der Wittgenstein-Preis soll dazu beitragen, die unbekannte, dunkle Tiefsee und ihre zentrale Bedeutung – sowohl für die biogeochemischen Kreisläufe der sich im Wandel befindlichen Ozeane als auch für das Weltklima – besser zu verstehen."

START-Preis für Philip Walther

Philip Walther, geboren 1978 in Wien, promovierte 2005 bei Anton Zeilinger am vormaligen Institut für Experimentalphysik zum Thema "Entanglement and Nonlocality of Multi-Photon Systems". Nach seiner Tätigkeit als Senior Scientist für Optische Quantencomputer ebendort zog es den Jungwissenschafter in die USA. Am Department of Physics der Harvard University arbeitete er bis 2008 als Post-Doc unter Mikhail Lukin. Seit Juni 2008 ist Walther Universitätsassistent in der Gruppe Quantenoptik, Quantennanophysik und Quanteninformation an der Fakultät für Physik. Neben einer umfangreichen Publikationsliste kann der Physiker auch bereits auf zahlreiche Preise und Auszeichnungen zurückblicken, darunter den Loschmidt-Preis der Chemisch-Physikalischen Gesellschaft in Wien (2005) und den Fresnel-Preis der European Physical Society (2011).

Projekt "PhoQuSi – Photonische Quantensimulation"

Im Rahmen der START-Förderung hat sich der Quantenphysiker Philip Walther das Ziel gesetzt, einen optischen Quantensimulator zu bauen, der es ermöglicht, Quantensysteme zu simulieren und dadurch Einblicke in neuartige Quantenphänomene zu bekommen. Um solche Quantensimulationen durchzuführen, müssen Quantensysteme mit höchster Präzision präpariert, manipuliert und ausgelesen werden können. Dafür bieten sich verschränkte Photonensysteme an. Zum einen können einzelne Photonen so präpariert werden, dass sie in vielerlei Hinsicht die gleiche Eigenschaft aufweisen; zum anderen gibt es technische Vorteile, die Photonen für solche Anwendungen prädestinieren. Darüber hinaus erlaubt es die natürliche Mobilität der Photonen, Quantentransportphänomene – wie sie in biologischen Prozessen auftreten können – zu simulieren.

Die grundlegende Projektidee besteht in der Weiterentwicklung aktueller Technologien, um in der Folge neuartige Photonenquellen und effiziente Einzelphotonendetektoren, die auf Supraleitung basieren, zu kombinieren. Dies erlaubt es nicht nur, die Anzahl der verschränkten Photonen zu erhöhen, sondern ermöglicht darüber hinaus eine Verbesserung der Kontrolle über diese Quantenzustände. So können neuartige Quantensimulationen durchgeführt und als Folge dessen die Photonenzustände in mehreren Freiheitsgraden verschränkt werden – dadurch lässt sich auch die Komplexität der Quantensimulationen vergrößern.

Diese verschränkten Vielteilchensysteme sind zum einen wesentlich, um neuartige Quantenzustände in einem bisher unzugänglichen Parameterbereich studieren zu können, und erlauben es zum anderen, neuartige Quantencomputerprotokolle zu realisieren. Die Resultate dieser Experimente im Rahmen des START-Projekts werden neue Wege für photonische Quantencomputer weisen. (red)