Von der Abwehr potenzieller Krankmacher

Pathogene haben ein folgenschweres "Talent": Sie können die Abwehrmechanismen des menschlichen Immunsystems umgehen und Krankheiten auslösen. Gemeinsam mit NachwuchsforscherInnen des EU-Netzwerks INBIONET untersucht der Immunbiologe Pavel Kovarik, wie virale und bakterielle Erreger "arbeiten".

Der Mensch ist von zigtausenden Bakterien besiedelt. Auch Streptokokken befinden sich darunter. Sie sind uns als Krankheitserreger (Pathogene) bekannt, in der Regel aber nicht besonders gefährlich. Eine Krankheit können sie dann auslösen, wenn ihnen eine Immunevasion gelingt: Dann erkennt sie das Immunsystem nicht und startet keine Abwehr – milde Infektionen bis hin zu Scharlach und Wochenbettfieber können die Folge sein.

Die (In-)Aktivität des Immunsystems

Pavel Kovarik, der stellvertretende Leiter des Departments für Mikrobiologie, Immunbiologie und Genetik der Universität Wien, forscht schon seit Jahren zur Aktivierung der Immunabwehr gegen Pathogene. Seine Forschungsgruppe an den Max F. Perutz Laboratories – dem Joint Venture der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien – untersucht, wie das Immunsystem potenzielle Krankheitserreger erkennt und vernichtet. Im Forschungsfokus stehen vor allem Bakterien der Streptokokkengruppe.

Bei Streptokokkeninfektionen kommt es immer wieder vor, dass die Krankheit zum Zeitpunkt der ärztlichen Diagnose bereits weit fortgeschritten ist. Antibiotika helfen dann nicht mehr, es ist vielmehr die Stärkung der Immunabwehr gefragt. Die Grundlagenforschung an der Universität Wien trägt dazu bei, dahingehend wichtige Fortschritte zu erzielen. Noch ist einigen Fragen auf den Grund zu gehen, beispielswiese warum manche Streptokokken für den Menschen gefährlich sind, sich an der Immunabwehr von anderen Säugetieren aber nicht "vorbeischwindeln" können.


Dieser Artikel erschien im Forschungsnewsletter Juli/August 2013.
Lesen Sie auch:
> "Bist du deppert!" – Vom Schimpfen, Drohen und Fluchen
> Erfolgreiche NachwuchswissenschafterInnen
> Neue Professuren im August



Diversität im Reich der Pathogene


"Pathogene lösen unterschiedliche Krankheiten aus, und das menschliche Immunsystem reagiert verschieden. Ein Labor allein kann dieses komplexe Gebiet daher nicht abdecken. Internationale und interdisziplinäre Zusammenarbeit ist ausschlaggebend für den wissenschaftlichen und medizinischen Fortschritt", erklärt Kovarik. Um das zu erreichen, haben sich internationale ExpertInnenteams aus akademischen Institutionen und privatwirtschaftlichen Unternehmen im "Marie Curie Initial Training Network in Infection Biology" – kurz INBIONET – zusammengeschlossen.

Neben Internationalität steht bei INBIONET die Nachwuchsförderung im Zentrum: 15 Marie Curie Fellows – zwölf PhD-Studierende und drei Postdocs – sind Teil des Netzwerks und verbringen während der vierjährigen Projektlaufzeit mindestens sechs Monate in verschiedenen INBIONET-Laboratorien, um sich neue Expertise, breites theoretisches Wissen und die Fähigkeit, komplexe Probleme zu lösen, anzueignen.  


INBIONET – Infection Biology Training Network – wird vom Marie Curie Initial Training Network Scheme (Teil des 7. EU-Rahmenprogramms) finanziert. Beteiligt sind sieben akademische Gruppen und drei Unternehmen. Ziel ist es, gemeinsam an der Schnittstelle von Mikrobiologie, Immunologie und Zellbiologie zu forschen und junge WissenschafterInnen in allen Bereichen der Infektionsbiologie auf einem Topniveau auszubilden. Das Netzwerk soll durch exzellente Ausbildung und Kooperation zwischen Universitäten und Industrie nachhaltig neue Impulse im europäischen Forschungs- und Wirtschaftsraum setzen. Weitere Informationen



Wissenschaftlicher Nachwuchs: "You never get bored!"

Zwei der Marie Curie Fellows absolvieren derzeit ihren Laboraufenthalt an den Max F. Perutz Laboratories der Universität Wien: Masa Ivin und Marton Janos. Die Biologin Masa Ivin forscht zu Entzündungsreaktionen: Der Körper kämpft gegen Pathogene an, indem er eine Entzündung hervorruft. Damit der Mensch keinen Schaden nimmt, muss die Entzündung aber nach einer gewissen Zeit enden. Ivin beschäftigt sich mit der Rolle und Funktion des Proteins "TTP", das diese Immunantwort stoppt.

Kovarik merkt an: "Bei manchen Krankheiten ist nicht klar, ob wir krank werden, weil das Immunsystem nicht reagiert oder eben weil es im Gegenteil überregiert. Unsere Daten lassen darauf schließen, dass im Fall der Streptokokken die Immunantwort gesteigert werden müsste. Lange ist man aber von einer Überreaktion des Immunsystems ausgegangen. "


Masa Ivin ist PhD-Studentin an den Max F. Perutz Laboratories und Marie Curie Fellow im INBIONET-Netzwerk. Zuvor studierte sie an der Fakultät für Biology an der Universität Belgrad. Über ihre Erfahrungen in Wien: "I've only been here for about two months and my expectations are more than fulfilled. The combination of science, culture and living in a beautiful city is ideal. Apart from spending a lot of the time in the lab, I enjoy the vibrant Museumsquartier."



Der PhD-Student Marton Janos ist mit gleicher Begeisterung bei der Sache. Er arbeitet mit Makrophagen – Zellen, die an vorderster Front der Immunabwehr stehen. Sie erkennen die Gefahr und leiten eine angemessene Immunreaktion ein. Bei Streptokokkenerkrankungen sind eine Reihe von bestimmten Abwehrschritten notwendig, deren zeitliche Abfolge, die präzise gesteuert werden muss, nur unzureichend geklärt ist.


Marie Curie Fellow Marton Janos – gebürtiger Ungar, aufgewachsen in Kanada – absolvierte sein Bachelorstudium in Montreal, kam dann für den Master nach Wien und verbrachte ein Jahr in Schweden. Er berichtet: "Vienna is very cosmopolitan and you get a very good standard of living, even being a graduate student. The department of Microbiology, Immunobiology & Genetics is great, very international. Sometimes you forget that you are in Austria when you get to work."



Der Immunbiologe Kovarik ist davon überzeugt, dass die Forschung und das Networking im Rahmen von INBIONET den jungen WissenschafterInnen ausgezeichnete Jobperspektiven sowohl an Universitäten als auch in der Industrie und der europäischen Verwaltung eröffnet. (dh)

English flag Read this article in English